Die Herrin der verbotenen Worte

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Die Herrin der verbotenen Worte

Die Herrin der verbotenen Worte

Patricia Lester

Auf diesen unscheinbaren CDs war alles gebrannt, was im letzten Jahrhundert auf den Index geraten war, zumindest alles, was die verdorbenen Wörter, die unnatürlichen Sätze, die gequälte Sprache betraf, die Menschen jener Zeit benutzten. Ultima Stigma war die Hüterin dieser Abnormitäten, und ihre Aufgabe war es tagtäglich, das web zu durchforsten, nach Überschreitungen zu forschen, illegale Antiquaversuche aufzuspüren, zu ahnden und dann in diesem Archiv zu konservieren, das früher „no-tint-no-word“ genannt, heute als „nottowo“ bezeichnet wurde. In der Übergangsphase hatte es regelrecht Demos gegeben, da waren plötzlich auf den Sites Joysticks aufgetaucht, die Fontänen versprühten, Mäuse, die anstelle eines Clicks mit Schwanzspitzen ein heilloses Durcheinander in den htlm und url anrichteten und die offizielle Sound Message der damals regierenden Internetpartei durch einen konterrevolutionären Song zu den besten Surfzeiten störten. „Where have all the words now gone“ klang es aus den Home Boxes in Millionen von Haushalten. Eine Sucht war ausgebrochen, und dieses Lied, zugegebenermaßen sehr rhythmisch, ein echter Ohrwurm, verdammt, das würde Stigma zehn Stunden offline einbringen, ein garbidge-creeper also, war in den fünf Sprachen aufgetaucht, die es damals noch gab oder erlaubt waren.Stigma durfte es nicht mehr zulassen, dass noch jemals ein Wort, ein Lied oder gar eines dieser immens gefährlichen Bücher in ihrem cleanen Basement auftauchte. Da hatten doch jene seltsamen Menschlinge, mit anfälligen Organen ausgestattet, die heute im Museum als Kuriositäten zu besichtigen waren, ihre Extremitäten zu lächerlichen Körperbewegungen benutzt, bei denen sie noch dazu Worte wechselten. Erst gestern hatte Stigma so einen albernen Dialog in einem dieser Blätterbänder vernichtet, allerdings erst nachdem sie darin entsetzt, aber auch fasziniert gelesen hatte. Mein Giga, was waren das damals für Zeiten gewesen!
„Dein Schwanz ist das Größte, was ich jemals gesehen habe.“
„Ja, und er wird dich durchbohren, bis du nur noch schreien kannst.“

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