Hotel Agnesa

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Hotel Agnesa

Hotel Agnesa

Anita Isiris

„Darf ich?“ Sanft schob Sonja Evelynes Rock etwas höher und beugte sich über ihre nackten Oberschenkel. Noch immer streichelte sie unentwegt Evelynes Bauch und bedeckte die Innenseite ihrer Beine mit kleinen Küssen. „Aaaah, das kitzelt!“ „Ja? Magst Du es, wenn ich Dich kitzle?“ Erneut versenkte Sonja ihren blonden Wuschelkopf zwischen Evelynes Schenkeln und kitzelte gleichzeitig mit flinken Fingern die Gegend um deren Bauchnabel. „Aufhören! Ich kann nicht mehr!“ lachte Evelyne, aber Sonja hörte nicht auf sie. Energisch schob sie ihr das bunte T-Shirt bis über die Brüste hoch und forderte ihre Kollegin auf, das Teil auszuziehen. „Bist Du verrückt? Was...“ aber da hatte ihr Sonja das Kleidungsstück schon über den Kopf gezogen. „Ich wusste doch, dass Du das magst, wenn ich Dich kitzle“, bestätigte sie ihr Tun und parierte Evelynes Gegenwehr. Dann bekam Evelyne Sonjas linken nackten Fuss zu fassen. Mit einer hauchzarten Bewegung strich sie ihr über die Sohle, und Sonja kreischte. „Nicht, da, bitte nicht“, flehte sie, aber es hatte keinen Sinn. Wie im Schraubstock sass Sonjas Fuss fest und wurde mit feinen, kaum spürbaren Streicheleinheiten versehen.
Unter dem Bett, dessen Federn quietschten, ringelte sich eine junge Boa Constrictor.

6. der Schlangentanz

Sonja ergab sich schliesslich ihrer Kollegin, atmete tief durch und genoss die sinnliche Fussmassage, die Evelyne ihr angedeihen liess. „Schön“, stöhnte sie, „einfach schön, wie Du es mir machst“. Nachdenklich betrachtete Evelyne Sonjas schmale, sorgfältig manikürte Füsse und umkreiste liebevoll die Ferse. Gerade soeben hatte sie sich von ihrer Zimmerkollegin noch bedroht gefühlt; es war ja keine Selbstverständlichkeit für sie, ihre Brüste zu entblössen. Jetzt aber übertrug sich Sonjas Entspannung auf sie, und Evelyne wurde von einer nie gekannten Müdigkeit übermannt. Dann erstarrte sie. Direkt zwischen ihren Füssen zuckte der leuchtend rote Schwanz der Boa. Die Zeichnung ging über in dunkel umrandete so genannte Sattelflecken.  „Was ist, Süsse?“. Sonja lächelte. „D...d...da... was ist das??“ Kalter Horror hatte Evelyne gepackt. „Lea. Ich sag einfach Lea zu ihr, weisst Du“, antwortete Sonja gelassen, zog ihre Füsse aus Evelynes Händen und kauerte sich aufs Bett. Fenjalduft strömte durchs Zimmer. „Wir haben einen Liebestanz einstudiert, die Lea und ich. Möchtest Du zusehen?.“ Diese Sonja hatte einfach den Teufel im Leib. Ohne Evelynes Antwort abzuwarten, entkleidete sie sich bis auf ihren weissen, blau gepunkteten Slip und fasste beherzt unters Bett. Die Boa war etwa zwei Meter lang und wirkte aggressiv. Ihr Kopf zuckte. „Ist sie giftig?“ Evelyne rang nach Worten. „I woher; das liebste Geschöpf unter der Sonne.“ Mit spitzen Lippen küsste Sonja das kolumbianische Tier auf die Schnauze. Dieses quittierte mit einer leichten Drehung des Kopfes. Sonja legte die Boa sorgfältig auf den Boden, griff sich ein Zündholz, entflammte zwei Kerzen und löschte mit geheimnisvollem Lächeln das Licht. Im Halbdunkel kamen ihren vollen Brüste noch besser zur Geltung. Evelynes zärtliche Gefühle kehrten zurück, wenngleich sie die Schlange vor ihr am Boden keine Sekunde aus den Augen liess. Zu einem Slow Blues wiegte Sonja sich in den Hüften. „Das beruhigt Lea“, meinte sie erklären zu müssen. „Das beruhigt sie ungemein, weisst Du.“ Sonja schien fiebrig erregt; ihre Stimme zitterte leicht. Einem Penis gleich schnellte der Schwanz der Boa in die Höhe. Geschickt wich Sonja ihr aus und lachte. Die Kontur ihrer hervorstehenden Hüftknochen wirkte wie ein Gemälde. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und kreiste die Hüften. „Sexy, nicht?“ kicherte sie. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Evelyne auf die Schlange. Diese kroch auf Sonja zu. Innert Sekunden packte diese die Rotschwanzboa, wie sie auch genannt wird, direkt hinter dem Kopf und führte diesen zwischen ihre Brüste. „Ich mach das hie und da für meinen Chef“, lächelte sie versonnen. Evelyne erstarrte abermals. Der Schwanz der Boa verschwand in Sonjas Sloggi Slip. „Ahhh, geiles Viech“, lachte diese und vollführte aus der Hüfte heraus Kippbewegungen. Die Szenerie oszillierte zwischen grauslich und obszön. Vermutlich hätte sogar Alice Cooper hingeguckt. Tatsächlich schien es jetzt, als reibe die Boa Constricor sich zwischen Sonjas Beinen. „Nackt auf nackt. Mein Chef steht auf so was“, sagte Sonja und entledigte sich ihres Höschens. Wie schlank sie im Kerzenlicht wirkte, gertenschlank, einer Schlange gleich... Mit einem Blick stellte Evelyne fest, dass ihre Kollegin totalrasiert war.
Die Schlange glitt zwischen Sonjas endlos langen Beinen hindurch und umkringelte ihre Füsse. Einer Amateur-Shakira gleich bewegte Sonja unentwegt die Hüften und drückte ihre Brüste zusammen. „Mein Chef liiiiebt es, an meinen Nippeln zu nuckeln“, sagte sie leise und blickte Evelyne nachdenklich an. „Du musst wohl noch viel lernen, Liebes.“ Dann wandte sie Evelyne ihren Hintern zu und bückte sich. Der Blick auf Sonjas zarte Pflaume erregte Evelyne gegen deren Willen. In diesem Moment schoss die Boa hoch, umwand Sonjas Körper und näherte sich mit dem Kopf deren Hals. Für einen Sekundenbruchteil dachte Evelyne, das sei ein Element der Show, möglicherweise deren Höhepunkt. Dann hörte sie Sonjas Keuchen und beobachtete, vor Schreck paralysiert, die Befreiungsversuche ihrer Kollegin. Die Schlinge um Sonjas Hals zog sich zu. Die Todesschlinge von Lea, der Boa.

7. die Befreiung

„Hhhh...hhhh...“ keuchte die völlig wehrlose Sonja und zuckte verzweifelt mit dem ganzen Körper. In Panik urinierte sie auf den Boden. Da schreckte Evelyne aus ihrer Starre hoch und schoss auf die Truhe zu. Genau zwischen den beiden Kerzen hatte Sonja mit Lea virtuos ihr erotisches Schauspiel gegeben. Elegant hatte sie die beiden Flammen gemieden – ebenso die Schlange, die eine natürliche Scheu vor Feuer hatte und  irritiert war. Aus diesem Grund wohl hatte sie ihre Beherrscherin angegriffen und sich mit aller Kraft um sie geschlungen. Evelyne handelte sofort. Beherzt ergriff sie einen der Kerzenständer und hielt die Flamme an Leas Schwanzspitze. Mit einem kehligen Zischen liess das Tier von Sonja ab und schoss in eine Zimmerecke, wo sie unter einem Möbel verschwand. Es herrschte höchste Gefahr; die Schlange war jetzt äusserst unberechenbar. Sonja war bewusstlos, atmete aber sichtbar. Evelyne beugte sich über sie und fühlte ihren Puls, so, wie sie es im Erste Hilfe Kurs gelernt hatte. Da schlug ihre risikofreudige Zimmernachbarin die Augen auf. „Du hast mir das Leben gere...“ aber sie kam nicht zum Ausreden. Unter dem kleinen Wandschrank bewegte sich der dreieckige Kopf der Boa hin und her. Man musste keine Verhaltensforscherin sein um herauszufinden, dass sie sich auf einen tödlichen Angriff vorbereitete. Vom penetranten Gestank nach verbrannter Hornhaut, der sich im Zimmer breitgemacht hatte, wurde den beiden Frauen übel. Ohne zu überlegen zog Evelyne Sonja hinter sich her aus dem Raum. Sie rechnete nicht damit, dass sie im Korridor jemandem begegnen könnte; mit der splitternackten Sonja im Schlepptau wäre ihr das peinlich gewesen. Endlich war die rettende Dusche erreicht; Evelyne riegelte sofort hinter sich zu. Erst jetzt realisierte sie, dass sie ja nur ihren Rock anhatte und obenrum nackt war. Egal; vor Sonja machte ihr das nichts aus. Diese wirkte sehr erschöpft und setzte sich auf den Duschstuhl. Eigentlich war der Raum für zwei Personen zu eng, aber in dieser Situation...

Herr Wenger keuchte die Treppe zum Dachstock hoch. „Dieses verdammte Luder...“ brummte er vor sich hin, „diese arrogante Fotze!“. Sonja hatte einen Termin verpasst; den Termin bei einem reichen japanischen Touristen. Er war ein „vegetable lover“ und hätte Sonjas sämtliche Öffnungen mit Bananen, Gurken und Karotten traktieren wollen – dies für 10’000 Schweizer Franken die Stunde. Ein gutes Geschäft für Herrn Wenger, das jetzt wohl wie eine Seifenblase zerplatzte. Der Kunde stand kurz vor der Rückreise nach Tokyo. Wütend riss Wenger die Tür zur Dachkammer auf – der Hornhautgestank schlug ihn zurück. Aber da war noch etwas, etwas Unheimliches, Unberechenbares. Herr Wenger spürte dies intuitiv – und bekam es gleich physich zu fühlen. Ein langes, schweres Etwas schleuderte sich ihm entgegen und umzwang seinen Körper in Sekundenschnelle. Man hörte das Knacken von brechenden Knochen, ein Röcheln. Ein gewiefter Filmregisseur hätte jetzt auf Wengers hervortretende Augen gezoomt; vielleicht auch auf den dreieckigen Schlangenkopf. In rasender Geschwindigkeit zog Stefan Wengers Leben nochmals an ihm vorbei: Die früh verstorbene Mutter. Die Schlägereien in der Grundschule. Mädchenkleider. Sein ehemaliger Chef. Das erste Motorrad. Das Zischen seiner Zigaretten auf der Haut junger Frauen. Dein Büro. Die Physiognomie japanischer Geschäftsmänner... und,  nicht zuletzt, seine über 30 begangenen Vergewaltigungen in den letzten Jahren. Sein Terrarium. Das erhitzte und erschöpfte Reinigungspersonal. Interlakens Ausgehmeile. Berge, die er über alles liebte. Seine alte Cessna, die er mal geflogen war.  Sonjas unwiderstehliche Schamlippen, die er, wie alles, das er innig liebte, immer wieder den Wurstfingern fremder Männer zugänglich gemacht hatte. Ja, Sonja war seine Geliebte gewesen – wenn auch nicht nur seine. Viel Geld hatte er mit ihr verdient und sie zu seiner Komplizin gemacht. Bilder von ihr waren überall im Internet zu finden; es gab Kurzfilme mit ihr... Sonja war unter seiner Ägide zur öffentlichen Frau geworden, zur Frau ohne Geheimnisse. Zum Liebestanz mit der Boa hatte er sie erst zwingen müssen; dann hatte sie angefangen, Reptilien zu lieben und diese Liebe immer wieder in der Kellerbar des Hotels voyeuristischen Touristen für viel Geld zur Schau gestellt. Wenger selbst hatte sich jeweils kaum beherrschen können, wenn „seine“ Sonja auf der eigens hergerichteten Drehbühne erschien, nur mit einem Gürtel aus Perlen bekleidet, und Lea, die Boa Constrictor,  an sich arbeiten liess. Nochmals zogen die Details an ihm vorbei – und die leise geflüsterten obszönen Bemerkungen der reichen Klientel. Sonja war zum willenlosen Spielball in seinen Händen geworden – und keine noch so abgründige Perversion war ihr fremd. Kalt wie eine Schlange liess sie es zu, dass minderjährige Mädchen ins Hotel gebracht wurden. Unberechenbar wie eine Schlange führte Sonja das Doppelleben zwischen blond-naiver Frau, als die sie auch  Evelyne allmählich in die Pornoszene mit hineinzog – und geldgierigem Vamp, als den sie sich von lüsternen Männern fotografieren, vögeln und sonstwie behandeln liess. Sonja war selbst zur Schlange geworden – nicht nur mit ihrem wendigen Körper, sondern auch in ihrem berechnenden Geist.

Dann traktierte die Boa Constrictor Stefan Wengers vierten Halswirbel und brach ihm das Genick. Spiez, aber auch das benachbarte Interlaken und im Grunde das gesamte Berner Oberland hatten seinen wichtigsten Pornostrategen verloren.

Sonja hatte sich in der Dusche inzwischen unter Evelynes Liebkosungen erholt. Diese hatte sich ganz ausgezogen und gab sich den tastenden Fingern ihrer Freundin hin. „Mach mit mir, was Du willst“, flüsterte sie und fühlte Sonjas Finger tief in sich. Der wärmende Duschstrahl tat beiden gut, und sie begannen, sich gegenseitig sanft zu massieren, Busen an Busen, Hüfte an Hüfte, Knie an Knie. „Bald hab ich Dich so weit, Du Nutte“, dachte Sonja bei sich. Sie wirkte warm, erregt, aber ihr Herz blieb kalt. Sonja hatte in ihrem jungen Leben schlichtweg zu viel erlebt.

Es ist schwer zu sagen, wie lange die beiden so verweilten. Aufgeschreckt wurden sie durch ein lärmendes Geräusch im Korridor – das Geräusch einer grösseren Menschenansammlung. Dann war da diese sonore Stimme: „Raus hier, Mädchen, ich weiss, dass Ihr da drin seid.“ Da waren überall Medienleute, Polizisten, Hotelpersonal, Kameras. Irgendwann würden sich die Linsen dieser Kameras an Evelynes Brüsten festsaugen – und dem hintersten Bergdorf im Berner Oberland würde mitgeteilt werden, welch ein Luder sie doch war. Sie trieb es lesbisch in der Dusche. Sie hatte eine Würgeschlange auf ihren Chef angesetzt. Sie hatte in der Küche unschuldiges Personal verführt. Und sie hatte Sonja, wie diese den Presseleuten bereitwillig erklärte, dazu gezwungen, mit ihr zu duschen.

Bei den beiden Pflichtverteidigerinnen stiessen aber sowohl Evelyne als auch Sonja auf Sympathie. Es handelte sich schliesslich um Frauen, und bei Frauen gelten auch bei sexuellen Aberrationen mildernde Umstände. Beide wurden sie auf Bewährung auf freien Fuss gesetzt, sind sich aber nie wieder begegnet. Sonja soll nach Kolumbien ausgewandert sein. Evelyne ist heute eine erfolgreiche Hoteldirektorin – im Berner Oberland.

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