Es war an meinem Geburtstag, einer von der Sorte, die mir wieder einmal klar machten, dass die Zeit voranschreitet und wir nicht so jung bleiben, wie wir gerne wollten. Ein Geburtstag von der Art, den man am besten für sich behält und alleine in einer Art gereizten Depressivität vertrödelt. Ein Tag, an dem der Morgenkaffee nicht schmeckt, die Zeitung nur dummes Zeug schreibt und nicht einmal eine gute Zigarre den Blues vertreiben kann. Als es an der Tür klingelte, befürchtete ich natürlich das Schlimmste: Gratulanten. Doch auf den Treppenstufen stand nur ein Bote, der mir ein Telgramm hinhielt und mich bat, zu quitieren.
Im ersten Moment habe ich sogar überlegt, die Nachricht garnicht zu öffnen und mir die wohlgemeinten Platitüden irgend einer Verwandten zu ersparen. Am Ende überwiegte jedoch die Neugier. Ich las:„Tonight - stop - alone - stop - 8.00 p.m. sharp - stop - 211 Quentin street, Chicago“ Ich starrte begriffsstutzig auf das Papier. Dreht es herum. Nichts. Keine Erklärung; nur dieses Telegramm.
Im Lauf des Tages arbeitete es in mir. Meine Arbeit verrichtete ich geistesabwesend, aber gewissenhaft. Im Hintergrund meines Kopfes jedoch, ständig präsent, dieses Telegramm. Ich war völlig ahnungslos, wer es mir geschrieben haben könnte - und vor allem - was es bedeuten könnte. Was zum Teufel würde mich erwarten, wenn ich dort auftauchte? Eine Überraschungsparty mit Luftballons und schlechtem Punsch? Wohl kaum. Meine Freunde waren glücklicherweise nicht von der Sorte, die sich an solchen Geschmacklosigkeiten ergötzen. Ich sah auf dem Stadtplan nach: Quentin Street lag westlich der Stadtmitte, inmitten eines normalen, langweiligen Wohngebiets. Oder war es womöglich ein Hinterhalt? Andererseits war mein Leben in letzter Zeit höchst unauffällig gewesen, ich hatte mit niemandem Streit angefangen, niemandem die Ehefrau ausgespannt. Was also sollte das???
Gegen acht Uhr fuhr ich mit einer gehörigen Ladung Adrenalin in den Adern mit meinem klapprigen Chevy die Quentin Street entlang. Es war bereits dunkel, nur ein Echo des warmen Herbsttages färbte den Himmel am Horizont noch rosa. Die Straßen waren größtenteils leer. Die Hausnummer 211 wirkte unscheinbar von außen. Ein ganz gewöhnliches kleines, weißes Holzhaus, wie es sie zu Tausenden gibt. Die Farbe des Gartenzauns blätterte, der Rasen war nicht gemäht. Ich parkte meinen Chevy, öffnete das klapprige Gartentor und ging zur Haustür. Die Tür war angelehnt.
House of Eden
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