Ich habe es geahnt - und verdrängt: Irgendwann poliert mir das Schicksal die Fresse! Ich war ein gutgläubiger Luftikus, hatte viele Affären und vertraute jedermann - ein Blatt im Wind, das sich mit Freuden mal hierhin, mal dorthin wehen ließ, sich immer einer sanften Landung gewiss. Es war eine Bruchlandung, eingebetet in daunenweiches Vertrauen fiel ich in den tiefsten aller seelischen Abgründe und zerschellte - es war der totale Verrat!
Du, Christina Sanchez Domingo, du hast mich verraten. Du bist der Wolf im Schaafspelz; hinter deiner Fassade der Unschuld verbirgst du den modernden Abschaum dessen, was man gemeinhin Charakter nennt. Kann es sein, dass ich dich geliebt habe? Ich sträube mich diesem Gedanken, denn diese falsche Liebe verdient den Namen nicht. Ich war manipuliert und liebte als Unzurechnungsfähiger - geschmeichelt von deiner Leidenschaft, geblendet von deiner Fürsorglichkeit, getäuscht von deinem Schicksal. Wenn du, deinen Zwergeskörper an meine Schulter gepresst, mir mit deinem charmanten Akzent in mein Herz säuseltest: "Ich will dich kuscheln", wenn du dann mit leidenschaftlichen Fingern an meiner Hose nesteltest, wenn du mich schließlich - auf mir zum Höhepunkt galoppierend - anbrülltest, ich sei "dein Mann", dann war ich ganz Mann. Mich, den labbrigen Mitteleuropäer, verwandeltest du in einen Testosteron-Toro mit stählernem Brustkorb und feurigen Lenden. Du warst eine Hure und trankst gierig meinen zügellosen Samen. Du warst eine Mutter und päppeltest mich auf. Meinem Chaos Konturen gebend kochtest, saugtest und bügeltest du für mich. Ein Frühstück - für mich war es immer nur eine Tasse Kaffee gewesen - du serviertest es mir mit frisch gepresstem Möhrensaft, Obstsalat und gekochtem Bio-Ei. Immer alles "Bio" - nicht nur für dich, auch für mich; denn um meine Gesundheit warst du besorgt. Ja, ich gestehe: Ich genoss es, dein Mittelpunkt zu sein. Du beschenktest mich - und zwar reich: Vier Pullover von Benetton und Tom Tailor, zwei GAP-Hosen, ein Paar Schuhe von Prada, ein Schlafanzug, Hausschuhe, eine Pflanze, drei Bücher, einen Helmut-Newton-Kalender, eine italienische Schreibtischlampe und eine Junghans-Uhr. Natürlich, ich versuchte, deinen Geschenkeansturm abzuwehren - und ergab mich ihm schließlich doch nur all zu gern. Was war schon dabei? Dein Vater, ein wohlhabender Boutiquenbesitzer aus Lima; du, seine liebste Tochter und stolze Besitzerin seiner Kreditkarte. Christina Sanchez Domingo, du Hure, Mutter und Mäzenin, ich liebte dich, ehrlich und aufrichtig - und ahnte nicht, dass ich bereits in deinem Netz zappelte, deinen Attacken schutzlos ausgeliefert.
Ich und Du
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Ich und Du
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