Juan verfallen

Tinas Geschichte - Teil 15

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Juan verfallen

Juan verfallen

Stayhungry

Tobi, Mitte Dreißig, nutzte ohne Hast und souverän diese Gelegenheit, wusste, wie ich gestoßen werden wollte, indem er einfach auf jede Nuance meines Keuchens und Stöhnens einging. So viel an Variation im Stochern in meiner Möse brauchte ich aber gar nicht mehr. Ich wollte einfach, dass es weitergeht. Tobi hielt mich fest umfangen und ich schlang meine Schenkel um ihn, ließ mich einfach nageln. Ich merkte erst, als auch er abgespritzt hatte, wies sehr mein Arsch schmerzte von dem schmalen Holzrand des Billardtisches. Ich stellte mich auf den Boden, ein wenig zittrig in den Beinen und wollte mich Joe mit gerecktem Hintern anbieten. Er hatte zwar auch seine Hose geöffnet, aber er kriegte ihn gar nicht gut hoch und redete sich unbekümmert darauf hinaus, dass er es vorhin noch seiner Frau besorgt habe, bevor er in die Kneipe ging. Mag sein, ich lutschte ihn im Gummi und er kam noch bevor wir zu einer Tat schreiten konnten. Er konnte gut mit der Situation umgehen, lobte die Fertigkeit meiner Zunge, die ihn so schnell hatte kommen lassen. Ich bewunderte ihn fast, dass er seinen schlappen Schwanz vor den anderen aus der Hose gezogen hatte, denn da waren ja schon Unterschiede zu sehen in Größe und Härte.

Für mich war das ganze OK. Es stellte sich diebische Freude bei mir ein, Juan zu zeigen, dass ich mit Anderen Spaß hatte. Er hatte mich ja klein machen wollen, indem er mich zu einem langweiligen Abend mitschleppt, seinen Kumpels anbietet und Befehle nur mit einem Nicken erteilt. Keiner war grob gewesen, was ich nur mag als Teil einer furiosen Vereinigung wie im Pas-des-Deux, und das bekam mittlerweile auch Juan nicht mehr gut hin. Das im Billardzimmer war vorrangig eine Angeberei vor den anderen gewesen. Es hatte mich nur wegen der Vertrautheit mit ihm, seinem Körper und seiner Lust angemacht, aber eben nicht als phantasievolle Kreativität, als das ganz gewiss nicht. Und sonst? Marco war der süßeste gewesen, Tobi ein stiller Genießer, ein kraftvoller Typ, dem ich schnell vertraute und den ich im Nachhinein durchaus interessant fand. Joe war einfach sympathisch mit seiner Ehrlichkeit und dem humorvollen Mut zur Lücke. Da stand Juan ein wenig schwach da mit seiner Schwanzprotzerei. Ich war selbst überrascht von meiner giftigen Distanz zu ihm.

Keiner von den vier Kerlen aber hatte mich geleckt, nicht meinen Schlitz, nicht meine Perle und schon gar nicht meinen Arsch. Wehmütig dachte ich an Yves, dem dies eine echte Freude gewesen war. Ich vermisste diese heitere Leichtigkeit der Zeit an der Algarve. Und dann merkte ich auch, dass mir K. fehlte, er mit seinem tiefen Respekt, der ihn seine Kreativität und Wildheit in der intimen Vereinigung immer mit angezogener Handbremse ausleben ließ. Verdammt nochmal, warum hatte es mir nicht gereicht, ihn einfach zu ermutigen? Warum ließ ich mich von Juan so behandeln, um dann in existenzieller Gefahr oder Langeweile zu enden? Die Stimmung war nicht gut zwischen Juan und mir, als wir spät abends zu ihm fuhren.

*

Wie gesagt, im Billardzimmer machte ich den schwersten Fehler, aber nicht, weil die Männer sich nicht ordentlich benommen hätten. Ich hatte Juan verärgert, weil ich Spaß mit ihnen hatte aus eigenem Verlangen, nicht weil er mich wieder gefügig gemacht hätte. Und so war seine Laune. Was war eigentlich das Besondere an Juan gewesen beim Ficken? fragte ich mich auf der Heimfahrt. Es war wie beim Tanzen, er hatte es instinktiv phantastisch gemacht. Und jetzt? Jetzt wollte er den Kick zurück, den hatte er mit mir verloren. Und weil er nur seinem Instinkt folgte, konnte er ausschließlich eine Steigerung in der Kraft seiner Dominanz sehen. Und ich? Ich war es leid, dass er keinen Esprit mehr bemühte, dass er nicht erkannte, dass es an der Zeit war, mich als Person zu ergründen und nicht nur seine Impulsivität zu kultivieren. Natürlich hatte ich ihm einen Freibrief gegeben, als ich mich ihm unterwarf. Aber alles ist stets im Fluss, und das galt eben auch für ihn.

Er versuchte, alles von Neuem auf alte Weise und einmal noch fügte ich mich. Er befahl mich wieder in irgendein Haus. Mit erhobenen Armen stehend in einem bedrohlichen dunklen Keller an Heizungsrohre gekettet nahmen mich wieder irgendwelche Männer, die ich im Dunkel meiner Augenbinde nicht erkennen konnte und wieder war ich gedemütigt und voller Angst über diesen ungeschützten, lebensgefährlichen Taumel. Ich hasste Juan dafür und konnte mich doch nicht lösen von ihm, rannte in meinem Elend in immer kürzeren Abständen zum HIV-Test, vermied nun wirklich jede Gefahr und verfiel ihm doch wieder und wieder für wilde Nächte. Aber seine Schläge waren nicht mehr wohldosiert, sein Wesen sprunghafter. Ich war ausgeliefert, versklavt, nicht mehr, wie ich es anfangs empfunden hatte, vertrauensvoll beschützt unterworfen. Mit der Zeit wurde mir zur Gewissheit: er hatte nicht die geringste Achtung vor mir und so konnte ich nicht weiterleben! Ich versuchte, mich zurückzuziehen, verweigerte alles, was mich noch irgendeiner Gefahr hätte aussetzen können, schaffte es wenigstens, nur noch ihn in mich zu lassen. Doch trennen konnte ich mich nicht von ihm. Wenn sein Griff kraftvoll meinen Nacken umfasste, war es wieder um mich geschehen.

Immer fand ich in seinem Gesicht eine harte, unergründliche Gewissheit und die gab mir letztlich eine Sicherheit in meiner Angst, die ich selbst nicht verstand. Doch dann sah ich dieses diabolische Funkeln in den Augen, das mich schaudern ließ. Er griff unter das Kissen und hielt mir ein großes Messer vors Gesicht. So also wollte er mich gefügig machen! Ich trotzte seinem Blick in der Fessel. Angst sollte ich empfinden nach seinem Willen, so wie ich es früher selbst genossen hatte. Doch in meinem Entsetzen wuchs nur die Wut auf ihn, dass er fortwährend danach trachtete, mich zu brechen als Person. Natürlich hatte ich meinen Anteil an diesem dunklen Streben in ihm, hatte ich ihn doch ermutigt mit meiner Lust. Aber er hatte es nie verstanden, dass dies von mir ein äußerst großes Wagnis an Vertrauen ihm gegenüber gewesen war und nicht die Sehnsucht nach Zerstörung meiner Seele. Er setzte dieses mörderische Instrument zwischen meinen Brüsten auf meine Haut, die scharfe Spitze ritzte sie schmerzhaft und es blutete schon ein wenig. Ich hasste Juan und fauchte ihn an: Du wagst es nicht! Mach mich los! Die düstere Kraft in seinen Augen glühte auf, wie ich noch nie gesehen hatte.

Und dann stach er zu.

*

Zwischen meinen Brüsten verläuft noch heute eine kleine senkrechte Narbe mit einigen Einstichen vom Nähen und sie sieht fast aus wie ein verblasstes, skurriles Tattoo. Die Wunde in meiner Seele ist nie mehr verheilt. Juan hatte sich im letzten Moment eines Besseren besonnen in den verzweifelten Schreien meiner Todesangst. Ich hatte mich ihm widersetzt und das konnte er nicht ertragen. Ich hatte wirklich geglaubt, dass er mich tötet. Nachdem er meine Fessel geöffnet hatte, musste ich selbst notdürftig die Blutung stillen und bin ins Krankenhaus gefahren. Es hatte in der Notaufnahme wirklich eines sehr souveränen Auftritts bedurft, um einen kleinen Unfall bei etwas ungewöhnlichen Sexualpraktiken glaubhaft zu machen. Diese Aufgabe habe ich mit Bravour gemeistert, geheult habe ich erst im Auto. Seit diesem Abend hatte ich Albträume. Nichts von dem Ganzen, was mich so lange so beflügelt hatte, hatte noch irgendeinen Reiz. Ich hatte nur noch panische Angst vor Juan, der ganz sicher irgendwann wirklich ganz durchknallen würde. Nie wieder durfte ich mich ihm ausliefern.

In diesem Irrsinn blieb auch noch meine Regel aus. Juan hatte nach meiner Flucht nicht einmal versucht, mich zu kontaktieren, nicht um zu wissen, wie es mir geht und schon gar nicht, um irgendetwas an unserem seltsamen Verhältnis wieder in Ordnung zu bringen. Er ging wohl davon aus, dass ich schon wieder angekrochen käme. Vielleicht hatte er auch schon längst eine neue Gespielin. Ich hatte keine Ahnung, aber panische Angst, im Dunklen auf die Straße zu gehen. Zu allem Unglück erfuhr ich in diesen Tagen noch, dass Yves seinen dritten Herzinfarkt nicht überlebt hatte. Um ihn habe ich bitterlich geweint, diesen liebenswerten Menschen, dem es als einzigem gelungen war, die Leichtigkeit in meine Seele zu tragen. Meine Welt lag in Scherben, meine arrogante Selbstsicherheit war einer verzweifelten Angst gewichen. Nur das neue Leben in mir weckte meinen alten Willen mich zu behaupten und allem Widrigen zu trotzen. Ich wollte dieses Kind in mir und ich wollte Juan auf keinen Fall. Telefonisch teilte ich ihm beides mit.

Er nannte mich einfach wieder eine Schlampe, wollte unser Kind nicht haben und setzte mich unter Druck. Doch auch als ich mich zwang, meiner Panik nicht zu folgen und nüchtern zu entscheiden, kam ich zu keinem anderen Schluss. Seine Wildheit taugte nicht zum Vater und erst recht nicht zum Ehemann, nicht einmal zum formal ungebundenen Partner. Das neue Leben in mir aber war meine Chance auf ein neues Leben für mich selbst. Es gab mir die Kraft, mich ihm zu widersetzen. Mein gebrochener Stolz richtete sich wieder auf in mir und ich mich mit ihm. Ich verließ ihn endgültig, musste mich noch einige Male seiner Versuche erwehren, mich zurückzugewinnen. So wertlos war ich dann doch nicht gewesen, wie er mich immer hatte glauben machen wollen. Aber sein verklausuliertes Versprechen der Läuterung konnte ich nicht ernst nehmen. Ich wusste, hätte er wirklich eine starke andere Seite in seinem Wesen, wären wir nie so weit gekommen. Es war meine Zurückweisung, die ihn um mich werben ließ, nicht eine ureigene Sehnsucht nach einem anderen Leben, einem Leben mit mir und unserem gemeinsamen Kind. Diese Erkenntnis gab mir die Kraft, es wirklich zu beenden.

Der Prozess der Loslösung von ihm war schmerzlich, doch die sehnsüchtige Erinnerung an den Taumel der Lüste wurde mit der zeitlichen Distanz zunehmend überlagert von meiner Abscheu gegenüber den Verletzungen, die er meiner Seele zugefügt hatte. Ich bereute nichts. Aber so unrealistisch diese Gefühle auch waren, ich war tief traurig darüber, dass ich in ihm nicht die Liebe hatte wecken können, ohne die jegliche Form erotischer Gemeinschaft letztlich ohne Zukunft ist. Mein Weg führte mich zurück zu jener mir eigenen Zurückhaltung, die mit wachem Blick darauf achtete, wann es sich lohnte, mich wieder zu öffnen, ohne mich zu vergeuden. Das Scheitern dieser Liebe hinterließ schmerzhafte Narben, doch es war keine Kapitulation. Ich hatte mich selbst gerettet und daraus erwuchs mir stiller Triumph.

Kurz vor der Geburt unserer gemeinsamen Tochter verabschiedete er sich von mir, da er im Auftrag seiner Firma ins Ausland ging für die nächsten Jahre. In seinem düsteren Blick glaubte ich einen inneren Kampf zu entdecken. Doch der Hauch von emotional verwirrter Hoffnung, der in mir angesichts dieser Regung fatalerweise aufblitzte, er möge sich doch für sein Kind erwärmen, erlosch unverzüglich wieder. Ich spürte, ich wollte seine Nähe gar nicht mehr, und eigentlich erwies er mir mit seiner Flucht aus der Verantwortung nur einen Gefallen. Bei der anstrengenden Geburt war ich also allein, aber eins mit mir selbst. Ich war glücklich, nicht einen Moment daran gezweifelt zu haben, dass ich mein Kind bekommen wollte. Und dass ich dies über alles andere gestellt hatte, hatte mich aus seinen Fesseln befreit. In gewisser Weise war ich Johanna, meiner kleinen, süßen Tochter, noch dankbarer als andere Mütter, dass sie nun da war. Ich schloss meinen Frieden mit dem fernen Juan, der sich nicht mehr meldete und nicht nach ihr fragte, und mit allem, was sonst noch geschehen war.

*

Ich weiß nicht, woran es lag, aber mein so starker Hang zu gefährlichem Taumel der Lüste wurde mir selbst zunehmend unerklärlich. Waren es die hormonellen Veränderungen durch die Schwangerschaft und später, als mir die Milch einschoss? Ich konnte in meiner ferneren Vergangenheit nicht feststellen, dass ich direkt einen Hang zur Submission gehabt hätte und mit dem neuen Leben in mir, das ich instinktiv beschützen wollte, wuchs auch das Bedürfnis, mich zu schützen. Es war wohl tatsächlich die intensive Erfahrung des Tangotanzens mit Juan gewesen, die mich nach immer höheren Gipfeln der Lust trachten ließ. Vollgepumpt mit Adrenalin war die Angst keine Warnung, sondern Elexier und die Gefahr nicht abschreckend, sondern sirenenhafte Lockung. Das alles verschwand nun in einem Nebel verblassender Erinnerungen.

Ich hatte die Nase voll von den Männern und voll von meiner Gier nach ihnen. Finanziell war ich mit meinen Ersparnissen und der Aussicht auf Rückkehr an meinen Arbeitsplatz halbwegs unabhängig und konnte die Dinge auf mich zukommen lassen. Die Rolle der Mutter gefiel mir erheblich besser als ich damals K. gegenüber beteuert hatte. An den dachte ich öfter jetzt und der hätte mich sicher zurückgenommen in der Not. Nur eine solche hatte ich nicht und er wäre mir immer nur ergeben gewesen. Die Sache mit ihm hatte ich vergeigt und da gab es kein Zurück, das uns je wieder auf Augenhöhe gebracht hätte, selber schuld! Doch ich war glücklich! Meine Eltern waren verrückt nach ihrem einzigen Enkelkind, und so begann ich nach nicht allzu langer Zeit wieder zu arbeiten – und zu tanzen. Langsam wurde ich wieder zu jener selbstbewussten und unabhängigen Frau, die Juan so nachhaltig zu zerstören gesucht hatte. Aber ich war zurückhaltend gegenüber Männern, die sich um mich mühten. Es war nicht die Angst, ich könnte mich wieder verlieren. Ich fürchtete nur, meine Sehnsucht, das Leben intensiv zu spüren, könnte sich nicht erfüllen. So ließ ich mich anfangs nur auf Geschichten ein, die zwar Prickeln versprachen, aber Ernsthaftigkeit eher nicht befürchten ließen. Das stellte im Ergebnis auch meine rein sexuellen Bedürfnisse nicht wirklich zufrieden. Dazu brauchte ich zu sehr wahre Erotik als seelisch-sinnliche Beziehung.

Irgendwann schließlich fand ich diesen Blick wieder, die Augen eines Mannes, der die meinen suchte, der sich nach meinem Körper verzehrte, aber verlor in meinen Augen. Schon in diesem ersten Augenblick wusste ich, dies wird was Ernstes, und der Schauder, der über meinen Rücken jagte, erfüllte mich mit wohliger Zufriedenheit, ja mehr noch, mit der beginnenden Erregung fühlte ich mich wieder voller überströmender Kraft.

Zeit also, die Zurückhaltung aufzugeben.

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