„Ich hoffe, sie wird sich für meine Großzügigkeit bald erkenntlich zeigen.“, murmelte er.
„Wenn deine Manneskraft trotz des angeblich so anstrengenden Dienstes derart überschäumt, sollten wir einen Ort aufsuchen, wo sie abgeschöpft wird.“, schlug Velleius vor, als sie in Richtung Stadtzentrum weiterzogen. „Du dienst doch so gerne den Göttern, Arminius. Ich kenne in der Subura eine Adresse, wo man der Liebesgöttin zu Diensten ist. Gegen eine gewisse Gebühr, versteht sich.“
„Nicht so laut!“, raunte der Cherusker seinem Freund ins Ohr. „Mein Bruder hier hat, nun ja, er hat noch keine Erfahrung in solchen Dingen.“
„Wäre es dann nicht eine prächtige Gelegenheit, ihn von einer kundigen Frau in diese Kunst einführen zu lassen? Komm schon! Bei dir war es doch auch nicht anders. Wir werden alle unseren Spaß haben. Das garantiere ich dir!“
„Einverstanden.“, willigte Arminius ein, der nach Servilias Anblick einer lustvollen Umarmung nicht abgeneigt war. „Wir kommen mit.“
*
Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass die an den Mauern und Hauswänden angebrachten Fackeln entzündet wurden. Je näher sie dem Stadtzentrum kamen, desto heller waren die Straßen und Plätze beleuchtet. Sie erreichten das Forum des Cäsar, dessen prächtige Marmorgebäude im Licht der Fackeln und Feuerschalen glänzten. Vornehme, in weiße Togen gekleidete Römer und Römerinnen flanierten zwischen den zahllosen Säulen der Tempel, standen in Gruppen in angeregte Gespräche vertieft oder betrachteten den von innen heraus leuchtenden Jupitertempel oben auf dem Capitolinus. Die drei Männer hatten jedoch keinen Blick für die Sehenswürdigkeiten der nächtlichen Stadt. Sie eilten über das Forum, passierten die Baustelle des neu angelegten Forums des Octavianus Augustus und näherten sich zielstrebig dem engen Gassengewirr der Subura. Rasch wurden die Straßen schmaler, verwinkelter, dunkler und unansehnlicher, die Menschen zunehmend ärmlicher, manche auch zwielichtiger.
„Kaum zu glauben, dass Julius Cäsar einst hier gewohnt haben soll.“, murmelte Velleius und nahm eine der wenigen Fackeln aus ihrem Ständer, um den Weg durch die mit Schmutz und Unrat verdreckte Gasse zu beleuchten.
„Hier muss es irgendwo sein, das Lupanarium….“
Endlich fand er die in das Straßenpflaster eingelassenen Wegweiser, die dem Suchenden in Gestalt eines erigierten Penis unmissverständlich die Richtung zum Haus einer gewissen Faustilla wiesen. Velleius steckte die Fackel in eine Halterung an der Hausecke und öffnete die Tür des einstöckigen Gebäudes. Schummriges Licht aus blakenden Öllampen erfüllte den kleinen Vorraum, an dessen Wänden erotische Szenen aufgemalt waren. Staunend betrachtete Flavus die lebensecht dargestellte Figur eines Fauns, der mit lüsternem Blick einen ungeheuren Phallus im Schoß einer verzückten Nymphe versenkte.
Hinter dem unscheinbaren Eingang führte ein schmaler Korridor und eine steile Treppe in andere Teile des Hauses. Velleius klopfte an eine niedrige Pforte. Aus der Tür trat eine schlanke Gestalt in einem knöchellangen, weißen Gewand. Die Frau war Mitte vierzig. Über ihrem faltigen, mit Theaterschminke maskenhaft bedeckten Gesicht, türmte sich eine kunstvolle Frisur aus mit Henna gefärbten Haaren.
„Velleius Paterculus!“, flötete sie und streckte entzückt ihre dürren Arme nach dem Besucher aus. „Welch Glanz in meinem bescheidenen Haus!“
„Faustilla, meine Liebe! Du siehst phantastisch aus.“
„Du alter Schmeichler! Eine vertrocknete alte Dattel bin ich.“
„Wie könnte ich eine Frau belügen, deren Dienste so große Männer wie Lucullus und Mäzenas in Anspruch genommen haben!“, rief Velleius und drückte die Frau an seine Brust.
„Ich danke dir.“, säuselte Faustilla gerührt. „Aber ich sehe, du kommst in Begleitung.“
„Darf ich vorstellen: die Brüder Arminius und Flavus, zwei Freunde und Kameraden von mir. Wir wollen heute Abend unseren schwer verdienten Sold bei dir lassen.“
Faustilla musterte bewundernd den blonden Hünen, der trotz gesenktem Kopf die niedrige Decke fast berührte.
„Meine Mädchen werden sich darum reißen, euch zu Diensten zu sein.“
„Nun, dann wird es dir sicher nicht schwerfallen, drei Dienerinnen der Venus zu überreden, uns den Abend über mit ihrer Gesellschaft zu beglücken.“
„Für spezielle Kundschaft wie euch habe ich stets die geeigneten Gespielinnen.“, versicherte Faustilla.
Velleius nahm die Frau ein paar Schritte beiseite. „Da wäre noch ein kleines Detail zu klären…“, raunte er ihr ins Ohr.
„Ich verstehe.“, versicherte die Geschäftsführerin des Lupanariums mit Blick auf den zweiten blonden jungen Mann augenzwinkernd. „Wenn ihr mir jetzt bitte nach oben folgen wollt….“
Erfreut über die zahlungskräftige Kundschaft stieg Faustilla die hölzerne Treppe zum Obergeschoss hinauf. Sie führte ihre Gäste durch einen von einigen Öllampen nur spärlich beleuchteten, stickigen Korridor. An mehreren verschlossenen Türen hing ein Schild mit der Aufschrift »occupata«. Gelächter und lustvolle Gefühlsäußerungen drangen gedämpft heraus. Faustilla öffnete das letzte, rückwärtig gelegene Zimmer, dessen einziges kleines Fenster auf den unbeleuchteten Hof ging. Die Einrichtung bestand aus drei an den Wänden aufgemauerten, mit Strohmatratzen und Polsterkissen ausstaffierten Liegestätten, einer Waschschüssel und dreier Lampen, die auf einem Wandbord für die nötige Helligkeit sorgten. Diesen Raum hatte die Besitzerin mit der Darstellung ungewöhnlicher Kopulationsstellungen dekorieren lassen, um den Appetit der Kunden anzuregen.
„Das ist mein schönstes Zimmer, speziell für kleine Gesellschaften.“, pries Faustilla die Kemenate. „Geduldet euch ein wenig. Ich schicke euch sofort drei meiner begabtesten und schönsten Frauen herauf.“
Während sie auf die Liebesdienerinnen warteten, setzten sich die drei Freunde prüfend auf die Betten und betrachteten die plastisch wirkenden Wandgemälde, auf denen Frauen und Männer in eindeutigen Posen dargestellt waren.
„Schau dir alles genau an, Flavus.“, ermunterte Arminius seinen Bruder, dessen neugierige Blicke unablässig auf die delikaten Szenen gerichtet waren. „Auch ich bin hier in die Geheimnisse der Erotik eingeführt worden.“
Die Tür öffnete sich und Faustilla erschien in Begleitung dreier ausgewählter Schönheiten.
„Das sind Cleopatra, Rubria und Victoria.“, stellte Faustilla sie den Männern vor. „Sie werden euch einzeln oder gemeinsam zu Diensten sein. Ihr müsst nur eure Wünsche äußern. Wer zahlt, befiehlt…“
Erfreut erhoben sich Arminius und Velleius und nahmen die drei Frauen mit den kaum verhüllten Reizen in Augenschein. Das Mädchen mit dem Namen der berühmten Königin schien tatsächlich eine echte Ägypterin zu sein. Ihr schwarzes Haar war nach ägyptischer Mode frisiert, die großen, ausdrucksvollen Augen mit schwarzer Tusche nachgezeichnet. Um die Hüften trug sie ein locker geknotetes Tuch. Die Fülle ihrer weiblichen Reize wurde durch ein kaum handbreites Brustband mehr betont als verborgen.
Von ganz anderem Typus war Rubria. Die kaum zwanzig Jahre alte Keltin mit den bis zur Hüfte reichenden, feuerroten Haaren bestach durch ihre helle, mit Sommersprossen übersäte Haut und ihre schier endlos langen Beine. Unter dem Stoff ihrer kurzen Tunica zeichnete sich ein zierlicher, aber wohlgeformter Busen ab.
Victoria, die dritte im Bunde, war eine echte Römerin. Obwohl sie die Dreißig bereits überschritten zu haben schien, offenbarte ihr halbtransparentes Gewand einen schlanken Körper mit makellosen Formen. Ihr geschminktes Antlitz war von der Oberlippe aufwärts von einer Maske aus bunten Vogelfedern verhüllt. Velleius vermutete, dass sie eine jener römischen Ehefrauen war, die im Lupanarium anonym Abwechslung von ihren unbefriedigenden Nächten als Gattinnen reicher, aber impotenter Senatoren suchen.
„Eine ausgezeichnete Wahl, meine Liebe!“, lobte Velleius und tätschelte Faustilla den mageren Hintern.
„Ruft mich, wenn es an irgendetwas fehlen sollte.“, erwiderte Faustilla geschmeichelt. „Ich ziehe mich jetzt zurück.“
*
„Ich möchte nicht wissen, was uns die alte Halsabschneiderin dafür hinterher abknöpft.“, argwöhnte der Römer, kaum dass die Geschäftsführerin die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Das ist mir Wurscht!“, gab Arminius ungeniert zurück. „Ich habe die Zeche in der Taverne bezahlt. Die Rechnung hier ist dein Bier. Die Idee ist ja schließlich auf deinem Mist gewachsen.“
„Wenn sich die Herren lieber streiten wollen, möchten wir nicht stören.“, ließ sich Victoria mit kaum verhohlenem Unwillen vernehmen. „An kurzweiligerem Zeitvertreib fehlt es in diesem Haus nicht, und auch nicht an Männern, denen wir ihr Geld wert sind.“
„Bei Amor, nicht doch!“, beschwichtigte sie Velleius. „In ganz Rom werdet ihr kaum Männer von dieser Statur finden!“
Er schob Arminius nach vorne, der die Frauen fast um zwei Haupteslängen überragte. Der Cherusker entblößte seinen rechten Oberarm und präsentierte ihnen seinen beachtlichen Bizeps. Beinahe ehrfürchtig betasteten sie den schwellenden Muskel.
„Da staunt ihr, was? Andere haben so was nicht mal als Oberschenkel!“
„Was meint ihr, Mädchen?“, wandte sich Victoria an die beiden anderen Liebesdienerinnen. „Ob ein anderes Körperteil hält, was sein Oberarm verspricht?“
„Warum findest du es nicht selbst heraus?“, provozierte der Cherusker und machte Anstalten, sie an sich zu ziehen.
„Langsam, langsam!“, dämpfte Velleius den Eifer des Freundes. „Da ich bezahle, bestimme immer noch ich, wer sich mit wem vergnügt. Unser junger Freund hier“, - der Römer zog Flavus vom Bett hoch und dirigierte ihn vor Victoria - „geboren in den schaurigen Urwäldern einer der garstigsten Provinzen des Imperiums, soll eine erfahrene und kultivierte Lehrmeisterin bekommen. Victoria, willst du die ehrenvolle Aufgabe übernehmen, diesen Barbarenjüngling zum Mann zu machen?“
Victoria legte den maskierten Kopf schräg und streichelte Flavus, der seine Blicke kaum von ihrem durchsichtigen Gewand abwenden konnte, die Wange.
„Ich bin wahrscheinlich doppelt so alt wie er, doch die Aufgabe ist ganz nach meinem Geschmack.“
„Schön.“, stimmte Velleius zufrieden zu. „Unerfahrenheit und Reife - das passt gut zusammen. Verfahren wir weiter nach dem Grundsatz sich anziehender Gegensätze: Arminius, unser blonder Recke aus dem Norden, soll durch die Verführungskünste der Orientalin Kleopatra betört werden. Ich, ein feuriger Südländer, wähle den kühlen Reiz Rubrias von den Gestaden des rauen Atlantiks. Wenn alle damit einverstanden sind, lassen wir älteren Militärgäule dem heißblütigen Hengst den Vortritt. Aus Rücksicht wird jeder von uns seine Lust zügeln, bis unser junger Freund sein Ziel erreicht hat.“
Da niemand widersprach, nahm Velleius die zartgliedrige Keltin bei der Hand und machte es sich mit ihr auf einer Liege bequem. Arminius fasste die Ägypterin um die Hüfte und ließ sich mit ihr auf der zweiten Matratze nieder. Alle vier richteten ihre Blicke gespannt auf Victoria, die sich anschickte, zusammen mit ihrem jugendlichen Schüler ein erregendes Schauspiel aufzuführen.
Sie legte ihm ihre Arme um den Nacken und zog ihn behutsam an sich heran. Einladend bot sie ihm ihre halbgeöffneten, verführerisch geschminkten Lippen zum Kuss. Da er nicht reagierte, ergriff sie die Initiative. Als Flavus die Zunge der schönen Frau zwischen seinen Lippen hindurchgleiten fühlte, begannen die natürlichen Triebe in ihm die Oberhand über seine Befangenheit zu gewinnen. Er schlang seine Arme um Victorias schlanken Oberkörper und drückte sie an sich. Sie ließ ihn gewähren. Zufrieden registrierte sie, dass ihr raffiniertes Zungenspiel die gewünschte Wirkung zeigte. Bald presste er sie so machtvoll an sich, dass sie sich von ihm lösen musste, um Luft zu bekommen.
„Deine Leidenschaft in Ehren, aber willst du mir die Rippen brechen?“
Julia
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