Arminius wischte sich den Schweiß von der Stirn. Heute, unter der sengenden Sonne an einem wolkenlosen Himmel, war der Dienst besonders anstrengend. Zwar bot der Dienstplan für einen Offizier der Hilfstruppen wesentlich mehr Erleichterungen als für gewöhnliche Legionäre, dennoch wusste er am Ende eines jeden Tages, was er geleistet hatte. Seit sechs Jahren lebten er und sein jüngerer Bruder Flavus in Italien, und doch hatten sich die beiden Cherusker nie ganz an das mediterrane Klima gewöhnen können.
Arminius winkte einen Burschen heran, der ihm einen hölzernen Eimer mit frischem Brunnenwasser brachte. Er streifte den schweren Kettenpanzer mitsamt dem verschwitzten Untergewand ab, tauchte prustend seinen erhitzten Kopf in das kühle Nass und besprengte sich die breite Brust. Gierig trank er einige Schlucke aus der hohlen Hand. Seufzend klaubte er Kettenhemd und Unterzeug vom staubigen Kasernenboden auf und begab sich zu den Mannschaftsunterkünften der höheren Dienstgrade. Erleichtert atmete er auf, als der kühle Schatten des zweckmäßigen Ziegelbaus ihn umfing. Mit ausgreifenden Schritten eilte er zu der Kammer mit der Nummer XXII.
„Wie siehst du denn aus?“, begrüßte ihn der junge Mann, der lang ausgestreckt, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf einem der Bettgestelle lag.
„“Wie man eben aussieht, wenn man den ganzen Tag in der Gluthitze mit Grünschnäbeln exerzieren muss.“, gab der Ältere zurück. Geräuschvoll warf er den Kettenpanzer in eine Ecke und legte das Wehrgehenk ab.
„Schwing deinen faulen Arsch aus dem Bett, Brüderchen.“, forderte er den Jüngeren auf. „Wir reiten in die Stadt. Heute Nacht will ich mich amüsieren.“
Arminius schlüpfte in die kurzärmelige Ausgehtunika und schnallte den Gürtel um. Sein Bruder schwang die Beine aus dem Bett, erhob und reckte sich.
„Was verstehst du unter »amüsieren«?“, fragte er, ein Gähnen unterdrückend.
„Baden, Fressen, Saufen, Würfeln und ... das ganze Programm eben. Jetzt komm endlich!“
Sie verließen das Gebäude und gingen zu den Stallungen hinüber. Die Stallburschen sattelten die Pferde, sobald sie die Besitzer von weitem über den Hof kommen sahen, und führten die Tiere heraus. Die Brüder saßen auf und galoppierten querfeldein in Richtung Westen. Auf diese Weise kamen sie schneller voran als auf der von Wagen und Karren stark befahrenen Straße. Die Gutsbesitzer sahen das zwar nicht gerne, doch als Angehörige des Ritterstandes nahmen sie sich solche Freiheiten ungestraft heraus.
Wenige Meilen vor der Stadt stießen sie auf eine der Hauptverkehrsadern und folgten ihr in lockerem Trab. Je näher sie der Stadt kamen, desto dichter wurde der Verkehr. Vor ihnen hob sich die beeindruckende Silhouette Roms gegen die tiefstehende Sonne ab. Endlich erreichten sie die Servianische Stadtmauer. Hinter dem Caelischen Tor kamen sie in den verstopften Gassen zwischen den mehrgeschossigen, aus roten Ziegelsteinen errichteten Mietshäusern nur noch in verhaltenem Schritt voran. Schließlich ließen sie in einer Remise die nutzlos gewordenen Reittiere zurück und machten sich zu Fuß auf den Weg nach einem nahegelegenen öffentlichen Bad. Die Brüder lösten für ein As Eintritt, entkleideten sich, nahmen von einem Bediensteten Handtücher entgegen und betraten die gut besuchten Baderäume. Nachdem sie ihre Körper von Schweiß und Schmutz gesäubert hatten, verweilten sie nacheinander in den mit unterschiedlich temperiertem Wasser gefüllten Becken. Schließlich besuchten sie den Gymnastikraum, um sich von griechischen Masseuren die Muskeln lockern und die Haut mit wohlriechendem Öl einreiben zu lassen.
„Beim Jupiter!“, ertönte eine dunkle, sonore Stimme, die Arminius sofort erkannte. „Gibt es eigentlich keinen Ort auf der Welt, wo man vor dir sicher ist, Cherusker?“
Überrascht wandte sich Arminius dem Rufer zu, der etwas abseits in einer Wandnische auf einer hölzernen Bank lag und die Dienste eines ägyptischen Haarausreißers in Anspruch nahm. Der Mann hatte das gleiche Alter wie Arminius, war von drahtiger Gestalt und trug eine markante Adlernase im Gesicht. Seine wettergegerbte Haut zeugte von längerem Aufenthalt an der frischen Luft.
„Velleius Paterculus!“, rief der Cherusker erfreut. „Wenn ihr Römer nicht ständig von den Barbaren Länder erobern würdet, könntet ihr mehr unter euch sein.“
„Wer den lateinischen Konjunktiv so fehlerfrei beherrscht, ist kein Barbar!“ gab Velleius ironisch zurück.
„Mein Lehrer war ein Grieche, also ebenfalls ein Barbar. Aber iIm Ernst, ich dachte, du bist auf einem Feldzug im Osten?“
„War ich auch. Bis vor Kurzem. Acht Monate in der zweitödesten Gegend, die man sich vorstellen kann.
„Und welches wäre deiner Meinung nach die ödeste Gegend?“
„Ein Land namens Germanien. Schon mal davon gehört?“
Arminius ließ sich grinsend neben Velleius nieder. Er deutete auf seinen Bruder, der unentschlossen, mit um die Hüften geschlungenem Handtuch vor ihnen stand.
„Du kennst doch meinen Bruder Flavus? Er begleitet mich bei meiner heutigen Spelunkentour.“
„Flavus, „der rotblonde“! Na, sehr phantasievoll waren die bei der Adoptionsbehörde nicht gerade… Au, verflucht! Nicht so doll, du Tölpel!“
Velleius warf dem Ägypter einen ungnädigen Blick zu. Der Haarausreißer hob die Pinzette auf, die er vor Schreck fallengelassen hatte, verneigte sich eilig und zog sich devot zurück. Der Römer erhob sich und schlang sein Handtuch um die Hüften.
„Mir reicht´s!“, schnaubte er. „Hab genug für heute. Diese Ägypter! Sollten lieber wieder ihre Toten mumifizieren, als die Lebenden zu peinigen!“
„Na komm, beruhige dich.“, beschwichtigte Arminius den Freund. „Es ist ja noch alles dran an dir. Das wichtigste jedenfalls. Na, wie wär‘s? Schließt du dich uns an? Dann kommst du auf andere Gedanken.“
„Keine schlechte Idee. Was gedenkt ihr mit dem angebrochenen Abend anzufangen? Die Stadt unsicher machen?“
„Etwas in der Art.“, erwiderte Arminius vage.
„Also, worauf warten wir noch? Lasst uns gehen, bevor die besten Plätze vergeben sind!“
„…und die besten Liebesdienerinnen.“, ergänzte Arminius in Gedanken.
*
Die drei Männer kleideten sich an und verließen erfrischt und entspannt das Bad. Unternehmungslustig schlenderten sie in Richtung Forum.
„Zuerst gehen wir essen.“, entschied Arminius. „Baden macht hungrig und ich habe seit Mittag nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Schaut, in der Taverne dort sind noch Tische frei.“
Sie ließen sich an einem freien Platz unter alten Pinien vor der Taverne nieder. Sofort erschien der Wirt in der Tür zum Schankraum, um die neuen Gäste zu inspizieren.
„Servilia!“, rief er ins Innere der Taverne. „Kundschaft!“
Eine junge Frau kam aus dem Haus und trat an den Tisch. Sie trug eine ärmellose, zwei Handbreiten über die Knie reichende Knabentunica, wohl weil dieses Kleidungsstück sie bei der Arbeit nur wenig behinderte. Sicher aber auch als werbenden Blickfang für die Gäste, weil es ihre schlanken Beine wunderbar zur Geltung brachte.
„Was wünschen die Herren?“, erkundigte sie sich mit freundlichem Lächeln. Ihr ansonsten makelloses Gebiss zierte eine Lücke, wo zuvor ein Schneidezahn gewesen war. Arminius musterte das Mädchen interessiert. Ihre dunkle Haut und ihr schwarzer Lockenkopf deuteten auf nordafrikanische Abstammung hin.
„Bringe uns alles, was ihr gerade auf dem Herd habt. Nur schmackhaft muss es sein - und reichlich!“, verlangte der Cherusker.
„Und Wein!“, ergänzte Velleius. „Aber nur den Falerner. Und nicht zu knapp, hörst du? Meine Kameraden sind verwöhnt! Sie bekommen ihn in ihrer Heimat quasi schon anstelle von Muttermilch eingeflößt.“
„Ich verstehe.“, sagte die Kellnerin und lief rasch ins Haus zurück. Arminius‘ bewundernde Blicke folgten ihren sehenswerten Beinen. Nur wenige Augenblicke später erschien sie mit zwei schweren Krügen und drei irdenen Bechern. Sofort mischten die drei Männer den vergorenen Rebensaft mit dem kühlen Brunnenwasser und prosteten sich zu.
„Auf Octavianus, unseren Imperator!“, rief Arminius und erhob den gefüllten Becher zu Ehren des Augustus.
„Auf was immer ihr wollt.“, knurrte Velleius und nahm einen großen Schluck. „Mm, nicht zu herb und nicht zu süß. So ist´s recht! Ob das Essen auch so gut ist?“
Auf nackten Füßen nahte Servilia und stellte ein Brett mit etlichen Schüsseln auf den Tisch.
„Frisch gebackenes Brot, eingelegte Oliven, getrocknete Sardinen, kaltes Fleisch, Garum, … „, zählte sie auf. Während sie die Schüsseln verteilte, gewährte ihre weit geschnittene Tunica großzügige Einblicke auf ihre geschäftig schaukelnde Brust.
„Setz dich zu uns!“, forderte Arminius sie auf und rückte ein wenig auf der Bank zur Seite. „Es speist sich angenehmer in Gesellschaft einer hübschen Frau.“
„Ich habe noch andere Gäste zu bedienen, Herr.“
„Papperlapapp! Die Herrschaften wollten sowieso gerade gehen.“, behauptete Arminius dreist.
Gehorsam nahm die junge Frau zwischen ihm und Flavus Platz.
„Schmeckt ausgezeichnet.“, schmatzte der Cherusker mit vollem Mund. Aufmerksam schob er seiner Tischnachbarin kleine Häppchen in den Mund, die er zuvor auf ein Messer spießte.
„Trink auch mal was!“, verlangte er und hielt der Wirtstochter seinen Becher unter die Nase. Sie nahm einen kleinen Schluck und reichte das Trinkgefäß zurück, dessen Inhalt Arminius in einem einzigen Zug hinunterstürzte. Sofort schenkte er sich wieder ein, allerdings ohne den Wein mit Wasser zu verdünnen.
„Warum sauft ihr Germanen eigentlich so unmäßig?“, wollte Velleius wissen.
„Weil es unsere Götter auch tun.“, antwortete Flavus treuherzig.
„Genau!“, bestätigte Arminius lachend und legte Servilia vertraulich den Arm um die Schultern. “Indem wir trinken, dienen wir den Göttern.“
Er und sein Bruder erhoben erneut ihre Becher.
„Auf Wotan, den alten Wüterich, der uns in einem nüchternen Moment so edle Gaben wie Bier und Met geschenkt hat!“
„Ich ziehe die Gabe des Bacchus vor.“, erwiderte der Römer spöttisch. Arminius hörte ihm gar nicht zu. Mit Daumen und Zeigefinger spreizte er den Kragen von Servilias Tunica und linste genießerisch auf die festen, von braunen Nippeln gekrönten Honigmelonen.
„Bei allen Göttern! Sind die süß!“, urteilte er begeistert und fühlte, wie sich sein edelstes Körperteil unter seinem leichten Gewand selbstständig zu machen begann. Voller Überschwang küsste Arminius die Kellnerin in die Halsbeuge.
„Aber Herr! Du vergisst dich!“, wehrte sie seine Zudringlichkeiten scherzhaft ab.
„Bei dir könnte ich mich in der Tat vergessen.“, flüsterte er ihr ins Ohr, wobei er nicht vergaß, an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.
„Der Gottesdienst hat diesen frommen Mann erhitzt.“, stellte Velleius sarkastisch fest. „Ich glaube, wir gehen jetzt besser, ehe wir uns von ihrem Vater ein Hausverbot einhandeln.“
„Niemand verbietet einem römischen Ritter das Haus!“, empörte sich Arminius lautstark, entließ Servilia jedoch aus seiner Umarmung. „Verzage nicht, mein schönes Kind. Ich komme wieder!“
„Gerne.“, erwiderte die Kellnerin mit reizendem Augenaufschlag. Offensichtlich hatte sie Gefallen an den Avancen des blonden Hünen gefunden. „Doch zuvor zahlt mir die Zeche.“
„Wieviel sind wir dir schuldig?“
„Zusammen oder getrennt?“
„Alles zusammen.“, sagte Velleius schnell. „Der gottesfürchtige Herr bezahlt.“
„Das macht dann sechs Asse für den Wein und vier Asse für das Essen. Zehn Asse, der Herr.“
„Rechnen kann ich selbst.“, knurrte Arminius und warf dem feixenden Velleius einen missmutigen Blick zu. Er kramte in seinem Geldbeutel und drückte Servilia einen Sesterz in die Hand.
„Stimmt so.“ sagte er gönnerhaft und lächelte sie salbungsvoll an.
„Vielen Dank, Herr! Sehr großzügig Herr!“
Geschmeidig wand sich Servilia zwischen Tisch und Bank heraus. Dabei streiften ihre nackten Beine Arminius‘ Unterarm. Es gelang ihm gerade noch, seine Fingerspitzen über ihre knackigen Po gleiten zu lassen, bevor sie mit flinken Schritten im Haus verschwand. Wehmütig sah der Cherusker sie im Halbdunkel der Schänke verschwinden.
Julia
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