Karneval in Venedig

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Karneval in Venedig

Karneval in Venedig

Victoria Hugo

Wie immer waren die Straßen von Venedig verstopft mit den feiernden und tanzenden Menschen. Es war schier unmöglich, sich dieser Stimmung zu entziehen. Alle waren ausgelassen, nichts war so, wie es einmal war. Nur noch wenige Tage dauert das Spektakel, bevor wieder Normalität einkehrt.
Sie war schon seit Wochen hier, um nichts von den Veranstaltungen zu verpassen, für die die Lagunenstadt so berühmt ist.
Die ganze Stadt schien Erotik und Leidenschaft zu versprühen, dieses Gefühl erfasst sie schon, seit der Karneval begonnen hat. Die Regeln der Gesellschaft sind wertlos in einer Zeit, in der jeder Masken trägt und niemand weiss, wer wer ist. Wer wen küsst. Alle Standesunterschiede sind aufgehoben, für ein paar Tage sind wirklich alle gleich.
Heute, an Mardi Gras hatte sie das Gefühl, dass sich die ganze Stadt einem Taumel hingab, als gäbe ein kein Morgen. Noch einmal, bevor die Fastenzeit beginnt verausgaben sich die Menschen. Wohin das Auge blickt sieht sie Menschen, die sich küssen, unmöglich zu sagen, ob es dabei bleibt. In vielen engen Gassen, in Hauseingängen und an Gebäudeecken sah man Paare, die sich ihrer Lust hingaben, ungeachtet der Tatsache, dass es um sie herum von Menschen nur so wimmelte. Ein Pirat und ein Blumenmädchen drängten sich in einen Hauseingang direkt neben ihr, ein Mönch und ein Diener in Livree versuchte, aus dem Treiben heraus zu kommen, um in die nächste kleine Gasse zu verschwinden. Während die den beiden Männern mit den Augen folgte sah sie eine Principessa, die ein Harlekin gerade von hinten nahm. Diese Erniedrigung schien ihr zu gefallen…noch eine Grenze, die in den letzten Tagen überschritten werden durfte, egal, was für den Rest des Jahres Gültigkeit besaß. Kaum war es ihr möglich, den Blick von den beiden zu wenden, obwohl ihr unwohl dabei war, ihnen zu zu sehen…andererseits hatte sie kaum eine Möglichkeit, irgendwohin zu sehen, wo sich nicht Menschen einander hingaben. Die Menge treibt sie weiter, sie verliert die beiden aus dem Blick, aber überall sieht sie ähnliche Szenen, die sie gegen ihren Willen erregen. Bereits seit dem Morgengrauen lässt sie sich von der tanzenden und feiernde Mengen durch die Straßen und über die Piazzas treiben, langsam senkt sie die Abenddämmerung über die Stadt. Die Stimmung wird ausgelassener. Wäre sie nicht schon seit Tagen in diesem Hexenkessen unterwegs hätte sie diese Steigerung nicht für möglich gehalten. Selbst jetzt scheint es ihr schwer zu glauben, denn die letzten Tage waren nur ein Vorgeschmack auf das, was der letzte Feiertag brachte! Darauf, wie die Menschen sich nun im Schutze der Nacht und der Masken gehen lassen. Die Dämmerung hat nun auch die offenen Plätze erreicht, die Gassen und Straßen liegen schon beinahe im Dunkeln. Überall in den Cafes wird gelacht, getanzt und gefeiert. Je weiter die Nacht voran schreitet, desto mehr Fleisch ist überall zu sehen. Die Anonymität, die die Masken einem erlauben lässt einen Schamgefühl und Moral vergessen. Langsam lässt auch sie zu, dass diese Euphorie, dieser Hunger nach Leben und Leidenschaft sie erfasst. Ein Mann spricht sie anrempelt. Er trägt das Kostüm eines Edelmannes. Wie alle Kostüme ist es verschwenderisch in seiner Pracht, unmöglich zu sagen, ob sie ihn schon vorher gesehen hat, oder nicht. Von seinem Gesicht kann sie nur die braunen Augen erkennen und einen Mund, dessen sinnliche Lippen geöffnet sind. Er atmet schwer. Wortreich entschuldigt er sich, aber durch den Lärm und wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse versteht sie kaum, was er sagt. Seine Augen faszinieren sie. Ein warmes braun. Sie gleiten über ihr Gesicht, langsam ihren Körper hinunter. Sie trägt ein freizügiges Kostüm eines Blumenmädchens. Ihre roten Locken fallen über ihre Schulter bis zu ihrem Brustansatz. Etwas tiefer begann ihre grüne Corsage. Sie war eng geschnürt und brachte ihr Oberweite gut zur Geltung. Sie hatte den grünen Stoff mit bunten blütenbestickt, ebenso wie den weitern, aber kurzen Rock, den sie trägt. Über dem Arm hat sie ein Körbchen, dass mit frischen Blumen gefüllt war, die nun am Abend aber den Kopf hängen lassen. Dazu trug sie Stiefel und ein Schultertuch, der Februar ist auch in Italien frisch, vor allem abends. Noch aber war die Stimmung so aufgeheizt, dass sie das Tuch von ihrer Schulter gleiten lässt.

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