Irgendwie tat es doch jeder. Wohin er auch schaute, da war niemand, der den ersten stein hätte werfen können. So schien es ihm jedenfalls. Er saß im wohnzimmer, hatte sich sein abendessen auf ein tablett geladen, eine flasche bier dazu, im fernsehen lief eine spätnachmittagliche talk-show, thema "seitensprung".
Er wusste immer schon, wer wann was sagen würde: Die empörte betrogene,der zerknirschte aber letztlich wie unter einem zwang handelnde betrüger, die hinein gezerrte verführung, die irgendwie beides war: Betrügerische betrogene.
Die moderatorin verstand alles, sie schien sich nicht entschließen zu können, position zu beziehen.
Die geliebte war hübsch. Ja, irgendwie konnte er den armen kerl verstehen... Die ehefrau war ein wandelndes symbol der rechtschaffenheit, eine einzige anklage, sie berichtete von ihren versuchen, das eheliche glück zu reparieren, im urlaub, bei kerzenbeschienenen mahlzeiten, in langen aussprachen...dann: Ihrem entsetzen,als sie endlich "WUSSTE"! Ihre vorwürfe richteten sich gleichermaßen an den mann und diese fremde frau, die sie hier, in der show, zum ersten mal sah.
Ein psychologe wurde um rat gebeten, aber auch er konnte nicht helfen: Er erklärte das, was ohnehin offensichtlich war. Das begehren hatte nachgelassen, aber die sehnsüchte waren geblieben und haben sich dann auf ein anderes objekt gerichtet, welches- über kurz oder lang- wohl auch ersetzt würde, denn so sei der mensch, so sei der mann (und tatsächlich: Auch die FRAU, wie der professor anfügte, es gebe da untersuchungen, die dies belegen...)
Die ehefrau akzeptierte die wissenschaftliche beschreibung des dilemmas: Wenn das so sei, dann könne er ja bei ihr bleiben, da wisse er, was er habe. Und die kinder! Das haus! Die eltern! SIE, die ihm alles geopfert hat!!!
Der triebgesteuerte Betrüger rutschte schuldbewusst auf seinem stuhl herum, er rang sich schließlich ein paar worte ab, die seine gattin besänftigen sollten: Er liebe sie irgendwie immer noch. All die jahre, und das sei alles wirklich... es täte ihm so leid... NEIN, es habe nichts mit ihr zu tun... Er sei so dankbar für alles...
Kleine Inkonsequenz
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