Knocked out

16 45-69 Minuten 1 Kommentar
Knocked out

Knocked out

Yupag Chinasky

Mühsam rappelte er sich hoch und stand, wenn auch leicht schwankend, auf seinen Füßen. Erst jetzt merkte er, dass diese Ärsche ihm die Schuhe weggenommen hatten. Er fasste in seine Hosentasche. Leer! Hastig klopfte er alle Taschen nacheinander ab. Alle leer, alles war weg. Sein Geldbeutel mit Bargeld, Kreditkarten, Führerschein, Ausweis. Sein teures Handy, seine Rolex und natürlich alle Schlüssel, der Haustürschlüssel, der Hotelschlüssel und auch der für den Mercedes mit dem in Silber gefassten Glückspfennig am Schlüsselring. Er gab sich wegen des Autos keinen Illusionen hin, das war bestimmt auch weg. Ärgerlich war, dass mit dem Auto auch der Laptop und die wichtigen Geschäftsunterlagen weg waren. Nichts war mehr da, nur noch die Klamotten, die er an hatte und das bisschen Handgepäck im Hotel, nicht viel mehr als eine Zahnbürste und ein Rasierapparat.

Er fluchte und überlegte, wo er eigentlich war. Kein Haus weit und breit. Er war irgendwo auf freiem Feld. Die beiden Gauner hatten ihn hier her gekarrt, wahrscheinlich mit seinem eigenen Auto und ihn einfach in den Straßengraben geworfen, wie einen Sack in den Graben gekippt. Er ging los, aufs Geratewohl. Seine Sohlen schmerzten bereits nach kurzer Zeit. Kein Mensch begegnete ihm zu der frühen Stunde, kein Auto, nichts. Instinktiv war er aber in die richtige Richtung gegangen, denn nach einiger Zeit sah er im Dämmerlicht des aufkommenden Morgens das Panorama der Altstadt, das sich gegen den nachtdunklen Himmel abhob. Er war wieder an der Stelle, von wo aus er die Stadt zum ersten Mal gesehen hatte. Dann kamen bald die ersten Häuser und als die Straße anstieg, wusste er, dass er auf dem richtigen Weg war. Er überlegte, ob er versuchen sollte die Bar ausfindig zu machen. Vielleicht stand da doch noch sein Auto. Aber nein, das brachte nichts. In welche Richtung hätte er gehen müssen? Der Weg war ihm doch so kompliziert und lang vorgekommen. Er ging weiter, den Berg hoch und endlich hatte er es geschafft. Er stand vor dem Aigle noir. Das Hotel war so dunkel, wie sein Name. Um diese Zeit war es natürlich noch verschlossen. Er war mittlerweile völlig durchnässt. Der Regen, der ihn auf seinem Weg begleitet hatte, war nicht heftig, aber stetig gewesen. Er fror und nieste und schnupfte. Um wenigsten etwas Schutz zu finden, setzte er sich in einen Hauseingang.

In seinem Kopf rotierten die Gedanken. Die schmähliche Situation, die grandiose Verarschung, der Verlust all der Dinge, die er brauchte, all das trieben ihn um. Erst das Frühstück und ein doppelter Cognac brachten ihn dazu, wieder klar zu denken und zu handeln. Nach einigen Telefonaten mit seiner Firma, der er erklärte, dass er noch etwas länger bleiben müsse, mit seiner Bank, die ihm telegrafisch Geld schicken und die Kreditkarten sperren sollte und mit seiner Frau, der er die Sachlage richtig, die Ursache aber an der Wahrheit vorbei schilderte – er sprach von einem Überfall und von Raub auf offener Straße. Er bat sie, vorsichtshalber das Haustürschloss austauschen zu lassen, man wisse ja, wie schnell international agierende Banden auftauchen könnten, schließlich hatten die Räuber sowohl seine Adresse als auch seinen Haustürschlüssel. Dann rief er den Kunden an, den er am Nachmittag treffen sollte. Wegen eines Missgeschicks mit dem Wagen, einer dummen Panne, die ihn zwänge eine Werkstatt aufzusuchen, könne er erst am nächsten Tag kommen. Als letztes galt es noch, einen Mietwagen zu ordern, was nicht so ganz einfach war, weil ihm die Kreditkarte fehlte, aber ausnahmsweise würde Hertz auch Bargeld akzeptieren. Bevor er sich auf den Weg in das Polizeirevier machte, musste er abwarten, bis die Bestätigung der Geldüberweisung im Hotel eintraf und Madame ihm etwas Bargeld lieh, damit er sich neue, trockene Kleidungsstücke kaufen konnte.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 6221

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Knocked out

schreibt Huldreich

Lieber Yupag Chinasky! Ihre Geschichte hat mir gefallen, samt dem Hinweis auf Stig Larrson's Lisbeth Salander, Danke sehr gut erzählt und spannend bis zum Schluß. Ich freu mich auf die nächste und grüsse Sie herzlich, Ulrich Hermann aus München

Gedichte auf den Leib geschrieben