Die Kollegin

Geschichten vom Anfang der Sehnsucht

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Die Kollegin

Die Kollegin

Stayhungry

Mein hitziges Ringen um Fassung und eine respektvolle, nicht-chauvinistische Haltung dieser jungen Frau gegenüber kam zu keinem Ergebnis. Ich konnte mich nicht wehren und nicht bekennen. Ich sagte, ich weiß nicht, und mit sicherlich hochrotem Kopf verließ ich das Büro.

Du kannst es dir ja überlegen, ich werde auf dich warten, sagte sie sanft. Ihre sonst übliche unbefangene Fröhlichkeit hätte mich meine Bedenken vielleicht vergessen lassen. Aber sie war ernster als sonst, irgendwie hatte ich den Eindruck, auch sie habe Herzklopfen.

Auf dem Gang stieß ich mit meiner verschollenen Gattin zusammen, die bedauerte, dass ich schon wieder los müsse und mir schnell noch mit auf den Weg gab, dass sie Abends wegfahre zu Franziska, ihrer in die Ferne verzogenen Freundin.

*

Meine Liebste merkte in der Aufbruchshektik anläßlich ihres spontan vereinbarten Besuches nicht wirklich, wie gedrückt ich war, schob es vielleicht auf den einsamen Abend, den ich verbringen musste bis zu ihrer Rückkehr am morgigen späten Nachmittag. Sie verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuß, für einen Quickie war wie üblich keine Zeit mehr und für mehr schon gar nicht und dann fuhr sie fröhlich davon.

Als Mann wollte sie mich nicht mehr allzu oft, nicht so, wie es lange Jahre so wunderschön, traumhaft, Kraft spendend, unvergleichlich gewesen war, das war seit langem deutlich. Sie hatte nicht mehr diese Sehnsucht, die sie zu mir zog, nur um meine Haut zu spüren. Nur gelegentlich überkam sie das Verlangen, aber da bevorzugte sie die schnelle, erregte, wilde Abwicklung, um sich oft unverzüglich danach wieder einem Buch oder sonstiger Kurzweil zu widmen. Dafür musste sie keinen Aufwand betreiben, dies war meine einzige Chance, es war gewissermaßen nur nötig, mit dem Finger zu schnippen, ich wusste dann, was ich zu tun hatte. Zum Trotz war ich nicht fähig, ich wollte nicht noch mehr Verletzung in diesen Teil unserer Liebe bringen. Es glich hier ohnehin alles einem Tanz auf einem Minenfeld.

Natürlich bin ich ungerecht, sie tat, was ihr möglich war, ohne sich zu verbiegen. Aber ich fühlte mich mit jedem Mal mehr wie ein Hausmeister in Sachen erotischer Soforthilfe, notwendig, praktisch, geschätzt, nach getaner Arbeit fehl am Platze.

Dass sie sich strikt weigerte, in irgendeiner Form auf mich zuzugehen, Verständnis für ihre Not verlangte, ohne sie zu erklären, mein Leid als Missachtung ihrer Sorgen betrachtete, machte es immer schwieriger, dass wir dann und wann doch wieder unbeschwerte Verliebtheit verspüren konnten. In ihrem Vorwurf war ich ein durch und durch egozentrischer und egoistischer Kerl und den Gegenbeweis kann ich nicht antreten, so lange mein eigenes Wünschen und Sehnen noch existiert. Den im wahrsten Sinne des Wortes selbst-losen Mann bräuchte sie.

Irgendwann hatten sie mich alle so gewollt. Eine schlimme Ahnung lag seit geraumer Zeit bleiern in meinem Innern.

*

Ich hing noch elend herum, kämpfte gegen die Einflüsterungen der widerstreitenden Geister auf meiner linken und meiner rechten Schulter, zu gehen und zu bleiben. Schließlich verließ ich das Haus und blickte bedrückt zurück auf das wunderschöne Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Arbeit, dann trat ich auf die Strasse. Anders als sonst an solchen Abenden lenkte ich meine Schritte nicht in Richtung der Videothek mit den deprimierenden Angeboten für erotisch vernachlässigte männliche Wesen, sondern zur Wohnung der Kollegin meiner Frau. Das Herz schlug bis zum Hals, ich zögerte mehrmals, drehte um, kehrte zurück, dann klingelte ich.

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