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Er befreite sie von der nun etwas drückenden Last seines Körpers und kuschelte sich hinter sie auf das Sofa, auf dem sie eng aneinander liegend gut Platz hatten. Seinen rechten Arm hatte er unten ihrem hindurch geschlungen, seine Hand streichelte sanft ihre linke Brust. Auf seinem linken Arm ruhte ihr Nacken und sein Mund spielte in ihrem Haar.
Figgt Jimmy dich nicht mehr gut genug? fragte er schließlich nach.
Ach, Jimmy, seufzte sie resigniert, dem ist sein Bier meist wichtiger als eine heiße Nummer, drehte sich zu ihm und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich.
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Jimmy.
Klassenkamerad, Schulfreund, Alpha-Typ, Anführer.
Hätte es sich bei ihrer Clique in der Jugend um eine primitive Rockerbande gehandelt, er wäre der Präsident gewesen und niemand hätte das in Frage gestellt.
Aber sie waren eine chaotische Truppe pfiffiger Jugendlicher, die ihren Platz im Leben suchten, Nächte durchwachten in ihren Diskussionen um Sinn und Unsinn vergangener wie neuer Lebensformen. Sie waren innovativ und bodenständig zugleich, hatten eine für Lehrer schwer verdauliche Lust am skurrilen Humor, für den der ungeeignete Moment stets der beste war und wurden ob ihrer sprühenden Kreativität auch in echter Mitarbeit im Unterricht dann doch geliebt.
Paradiesische Zustände fast, hätte Jimmy nicht ein unstillbares Verlangen danach gehabt, eine Führungsrolle einzunehmen. Die suchte er nicht in plumper Platzhirschattitüde zu erlangen, er wäre schnell aufgelaufen. Nein, er war charmant, nachdenklich, einfühlsam, dazu sehr gut aussehend, athletisch, ein herausragender Sportler, Trinker und Raucher. Was er nicht ertragen konnte, waren Menschen, die nicht so toll waren wie Menschen in seinen Augen zu sein hatten. Die mussten darauf hingewiesen werden, die brauchten das, war seine abschließende Begründung, wenn er sich entschieden hatte, jemanden zu quälen.
Dem ging meist voraus, dass er sich angefreundet hatte mit ihnen, ihr Vertrauen, ihr Interesse, ihre Zuneigung erworben hatte. Dann war der Prozess der Bloßstellung ihrer Mängel, der Verspottung vor der Gruppe und der Öffentlichkeit allgemein umso schmerzvoller. Erbärmlich hatte K. schon damals gefunden, wie wenig die Clique diese miese Hackordnung hinterfragte, geschweige denn Einhalt gebot. Lachend nahmen die meisten zur Kenntnis, was anderen widerfuhr, solange sie nicht selbst an der Reihe waren. Natürlich bekam Jimmy in Lena die attraktivste Tanzpartnerin und schnell konnte er sie an sich binden als Freundin. Ihre überbordende Sexualität lebten sie gern während der Freizeittreffen der Clique aus, denn als Schülerin eines Klosterinternats hatte sie strenge Vorgaben zu beachten und des Wochenendes war sie weit entfernt auf dem Hof ihrer Eltern, die für Lüste von Teenagern schlicht keinerlei Verständnis hatten.
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Lena mochte K.
Das verblüffte ihn über die Jahre hinweg stets von Neuem, denn sie passte so gut zu Jimmys überheblichem Führungsanspruch und allzu viel Kritik für seine Mobbingeskapaden war von ihr nicht zu erwarten. Schwache und Benachteiligte wurden auch von ihr nur nach dem bemessen, ob sie ihr sympathisch waren, ob sie ihr als angemessene Freunde willkommen wären. Das ging so weit, dass sie K. durchaus in ihre Lästereien über Streber, Weichlinge, Zarte und Verlierer einbeziehen wollte, als wüsste sie gar nicht, wie sehr ihn dies abstieß.
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