Lena

Agnes' Haus der sündigen Engel

24 27-42 Minuten 0 Kommentare

K. schien Jimmy auf den ersten Blick sehr ähnlich, kein Sportler zwar, aber Musiker und was weit schwerer wog, der erste in der Clique, der eine richtige Freundin hatte: lsabella, ein ganzes Jahr älter, blond, groß und Beine bis zum Hals. Dazu war er jedes Jahr Klassenprimus, der mit seinen langen Haaren, seiner lärmenden Rockband und seinem damaligen Hang zum Kettenrauchen so gar nicht in das Schema der strebsamen Hassobjekte passen wollte. Das lag vielleicht auch daran, dass K. stets darauf achtete, dass jeder abschreiben konnte und ein Jahr lang hatten er und sein schulisch vergleichbar erfolgreicher Banknachbar den Vordermännern in den Prüfungen um die Wette eingesagt. Gewonnen hatte, wessen Zögling die bessere Note bekam. Bei einer Klassenstärke von 40 Schülern aufwärts war eine Lehrkraft hier aufgeschmissen mit Überwachungsaufgaben.
K. war von Jimmy einst genauso umworben gewesen, eine tiefe Freundschaft hatte sie verbunden und Jimmy hatte wohl auch ein ehrliches Interesse an seinem Denken, seinem Esprit. Am meisten bewunderte Jimmy aber, dass K. sich seinen Vorstellungen und der von ihm betriebenen Strukturierung der Gruppe nicht fügte.
K. entfernte sich von ihm, kritisierte ihn zunehmend und stellte sich öffentlich schützend vor dessen Opfer - denen schweigsames Erdulden oft lieber gewesen wäre als direkte Konfrontation. In der Clique bröckelte es nur langsam, zu vielewaren es als Mitläufer zufrieden, nicht zu den Opfern zu gehören – eine Fehleinschätzung, denn mit der schwinden Anzahl der Fans gerieten auch sie in die Schussbahn. Irgendwann war Jimmy so isoliert, dass nur einige seiner Freunde, auch sie mehr auf seiner Rangstufe, ihn noch retten wollten. K. plädierte offen dagegen und beim Showdown mit Jimmy allein auf dem Parkplatz der Schule schlug ihm das Herz bis zum Hals. Würde Jimmy gewalttätig werden, er hätte keine Chance gehabt.
Jimmy hingegen, so wurde K. später berichtet, erinnerte sich nur zu gut an eine Auseinandersetzung ein Jahr zuvor, in der K. in einem seiner wenigen volltrunkenen Zustände eine Provokation zum Anlass nahm, die Sache abschließend zu regeln. Die Mitglieder seiner Band hatten ihn wohl noch vor dem Schlimmsten bewahrt und von Jimmy runtergezerrt. Der trug an Hals und Schulter noch einige Zeit die Blutergüsse von den Bissen mit sich rum, mit denen K. ihn in seiner Raserei erledigen wollte. K. konnte sich nicht an den Vorfall erinnern, Filmriss in Reinkultur.
Die Wege trennten sich nach dem Abitur und wie gelegentlich zu vernehmen war, hatten er und Lena auch ihre Krisen, bis sie ihn vor die Tür setzte, ihre Erfahrungen mit anderen Männern machte, um ihn schließlich doch zu heiraten, ungeachtet aller beruflichen Fehlschläge und seiner rekordverdächtigen Erfolge als Kampftrinker. Er hatte ja auch gute Seiten, konnte sehr gut mit seinen Kindern, arbeitete wie ein Stier und ihr Haus, auf dessen Baustelle er zahllose Stunden Eigenarbeit verrichtet hatte, war schon ein Kleinod im Großformat.
K. traf die beiden alle paar Jahre auf den Klassentreffen und hörte manchmal von Dritten, die - zögerlich - wieder intensiveren Kontakt aufgenommen hatten, nicht durchgängig mit guten Erfahrungen. Ein Pläuschchen suchte Lena immer mit K. Da kam es erkennbar nicht so sehr auf den Inhalt an. Sie flirtete mit angezogener Handbremse sozusagen, entbrannt war sie nie.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 34293

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben