Ich habe ihn nicht gefragt, wie es bei ihm dazu kam, noch habe ich ihm von meiner persönlichen Geschichte erzählt. Wir haben nicht einmal begonnen, uns zu duzen, obwohl ich ihm inzwischen körperlich doch recht nahe gekommen bin, vor allem aber haben sich unsere Seelen berührt. Jetzt steht er in hellen Flammen, ich sitze vor dem Ofen und sehe ihm zu und bin glücklich.
Aber nun eins nach dem anderen. Ich möchte resümieren, wie der heutige Abend verlief, möchte keine Sekunde davon vergessen und spreche es daher leise ins Diktaphon, und das Knistern der Flammen, die ihn gerade verzehren und mich zugleich innerlich wie äußerlich erwärmen, wird dazu wie sinnlich-berauschende Hintergrundmusik mit aufgezeichnet. Was ich aufspreche, ist eine Liebeshymne, ist Ausdruck von tiefer innerer Ruhe und großem Dank. Jetzt duze ich ihn, während ich die Story unser kurzen, aber perfekten Liebe, aufspreche, obwohl er es nicht mehr hören kann.
Geliebter Brennender, brennender Geliebter - so aufgeregt vorfreudig wie heute nachmittag war ich noch nie zuvor in meinem Leben. Ich hoffte so sehr, du würdest vereinbarungsgemäß nach Feierabend wie besprochen zu mir kommen, um mein persönliches Brandopfer zu werden und dein eigenes Feuerschicksal zu besiegeln. Aber der Plan hätte vereitelt werden können durch eine Reiseplan-Änderung meines Mannes oder durch bei dir aufkommende Zweifel. Du hättest den Mut verlieren können, und ich bin so froh, daß dein Feuerwunsch doch genauso groß wie meiner war, daß du dieselbe Konsequenz wie ich verspürt hast und “das Projekt” durchzuziehen bereit warst. Nie warst du ein besonders guter Angestellter, nun aber bist du ein besonders guter Brennender. Nach deiner Entlassung hätte ich dich sicherlich rasch vergessen, nun aber werde ich stattdessen deine Asche hüten wie ein kostbares Gut.
Bevor du bei mir eingetroffen bist, habe ich mich auf unsere Begegnung sinnlich vorbereitet, habe mich mit einer wohlduftenden Bodylotion eingecremt und dann mein schwarzes Seidenkleid gewählt, daß ich nur zu den ganz besonderen Anlässen trage. Einen Teil deiner Asche werde ich, zur Erinnerung an diesen Abend, in meine Bodylotion einrühren, und ich werde nur sparsam damit umgehen, damit du möglichst lange hälst…..
Während du mich bei der Planung “des Projekts” durch deine eigene zielstrebige Forschheit im Hinblick auf die Ofen-Verbrennung wieder und wieder überrascht hast und mein Zögern so in einen konkreten Plan umwandeln konntest, wirktest du in dem Moment, als du bei mir dann in deiner üblichen schlichten, unauffälligen Kleidung im Türrahmen standest und mich in meiner seidigen Gala-Garderobe sahst, selber eingeschüchtert. Du hast mich angeschaut mit Augen, in denen ich Begehren, Hoffnung und Unsicherheit zugleich lesen konnte, nicht Unsicherheit im Hinblick auf das Brennen, aber auf mich als deine Verbrennerin. Vielleicht hast du dich gefragt, wie nahe du mir kommen dürftest, denn du bewegtest dich dann gar nicht weiter auf mich zu und hast mich nur ganz unterwürfig angesehen. Erwartungsvoll, und mir die dominante Führung überlassen. Gerade deine offenkundige Devotion machte mich stark, und ich reagierte so souverän, wie ich es auch als Chefin gewohnt bin, obwohl auch in mir die Gefühle explodierten.
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