Lisa wollte schon immer hoch hinaus – bereits als kleines Mädchen. Am liebsten hielt sie sich in ihrem Boskop-Apfelbaum auf, zwischen schützenden Blättern, gut versteckt und gleichzeitig alles sehend. Lisas Schwester Julie war das absolute Gegenteil. Hätte sich im Haus, in dem die beiden aufgewachsen waren, die Gelegenheit ergeben, Julie wäre gewiss in den Leseraum im Keller entschwunden, hätte sich verschanzt und sich unentwegt, bei Neonlicht, in Schmöker vertieft. Das unentwegte Lesen war es wohl, dass ihr bereits im zarten Alter von 16 Jahren die erste Brille eingetragen hatte.
Später, als gut gebaute, sportliche junge Frau, gab es für Lisa nur noch ein einziges Streben: Sie wollte Dachdeckerin werden. „Ach Gottchen, da kann man ja runterfallen“. Solche Bemerkungen, von ihrer hochbetagten Grossmutter etwa, tat Lisa mit einem liebevollen, aber entschiedenen Winken ab. „Wir sind gesichert, wie Bergsteigerinnen“. „Wir“. Von allem Anfang an fühlte Lisa sich der Dachdeckerinnenzunft zugehörig.
Auf steilen Dächern wie eine Bergsteigerin.
Geneigte Dächer deckend.
Ton- Metall- Naturschiefer. Faserzementziegel. Was für ein Wort, was für eine Lust. Faserzementziegel.
Dampfsperren bauend. Wärmedämmung.
Draussen soll die Wärme bleiben – im Sommer.
Drinnen soll die Wärme bleiben – im Winter.
Was sich hier wie Poetry Slam liest, waren die Begriffe, die ständig in Lisas Kopf umherkullerten. Endlich war es so weit, und Lisa trat die anspruchsvolle Ausbildung an, die sie unentbehrlich machen würde. Nun war Lisa eine Frau, die gerne sehr enge Kleidung trug. „Noch in nacktem Zustand würdest Du weniger zeigen von Dir“, sagte ihr Freund Timo immer wieder. Dabei spielte er auf Lisas gut sichtbaren Camel Toe an, der ihr in den grauen Leggings, die sie meistens trug, in ihrer Mitte zur Zierde gereichte. Hätte Lisa Orangenhaut gehabt in jenen jungen Jahren, bestimmt hätte sich auch diese auf dem dünnen, eng umspannenden, zumeist hellgrauen Stoff abgezeichnet. Nebst der engen Kleidung verfügte Lisa aber noch über ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Sie hatte dichtes, dunkelblondes Haar, das sie immer zu einem kräftigen Zopf flocht. Damit wirkte sie unwiderstehlich, und es gibt wohl kaum einen Mann auf dieser Welt, den es nicht gelüstet hätte, ein Mal, ein einziges Mal im Leben nur, über Lisas Zopf zu streichen.
Was den Männern um Lisa herum ebenfalls den Rest gab, war Lisas Dialekt. Sie sprach astreines Walliserdeutsch. Das Wallis ist ein Schweizer Kanton, der allen, die ihn jemals betreten, den Atem raubt. Nirgends auf der Welt gibt es nämlich derart schöne und begehrenswerte Frauen wie im Wallis, mit meist dunkelbraunen Zauberaugen, schönen, ausdrucksstarken Händen und, es sei hier gesagt, mit den geheimnisvollsten, attraktivsten Brüsten auf diesem Planeten. Lisa war eine von ihnen, und sie verfügte über all die erwähnten Attribute in grosszügigem Mass, auch, was ihre Brüste betraf. Sie waren grosszügig bemessen – so grosszügig, dass sich Lisa, während eines Sekundenbruchteils überlegte, ob sie ihr bei all den gefährlichen Klettermanövern, die ihr in ihrem windigen Beruf bevorstanden, nicht auch hinderlich sein könnten. Aber Lisa bewegte sich geschickt, eidechsengleich, und der Grund für ihre enge Kleidung war nicht etwa, dass sie sich auf Tiktok zeigen und Männer in Schnappatmung versetzen wollte. Der Grund, dass Lisa derart enge Kleidung trug, war, dass sie dem Wind ein Schnippchen schlagen wollte. Er sollte an ihr vorbei schlüpfen, der Windschlüpfrige. Sie genoss den Wind auf ihrer eng bemessenen Körperhülle, und der Wind geht im Wallis oft.
Eines schönen Tages stand Lisa gut gelaunt und gut gesichert auf einem Dach – mit einem neuen Auftrag. Sie hatte sich Fachwissen zur Montage von Sonnenkollektoren angeeignet, und sie wusste, dass sie damit den goldenen Schnitt machte. Sonnenkollektoren gingen weg wie geschnitten Brot, und das Walliser Brot war gut. Sehr gut. Die Firma, bei der Lisa arbeitete, kam kaum nach mit all den Aufträgen. Mit einem Mal wollten alle diese Glitzerdächer, die erst noch Strom und Wärme in die guten Stuben liefern. Der Familienvater, den sie gut kannte und der ihr den Auftrag gegeben hatte, eröffnete Lisa, dass es einen Folgeauftrag gäbe. Der direkt unter dem Dach liegende Dachstock sollte ebenfalls ausgebaut werden. Solche Folgeaufträge durch begüterte Walliser waren an der Tagesordnung, und Lisa liebte es, ihr Werk im Haus selbst fortführen zu können.
Staubbedeckt, wie sie nun mal war, kletterte sie über die Leiter in den Garten, entsicherte sich und klingelte an der Haustür. Der Hausherr öffnete ihr und betrachtete sie von oben bis unten. „Bist ein bisschen staubig, Liebe, komm rein, schau, es gibt ein Bierchen und dazu Walliser Bergkäse“. Lisa liess sich das nicht zwei Mal sagen, war sich aber sehr wohl bewusst, dass der Blick von Samir Abgottspon, dem Hausherrn, wohlwollend auf ihr ruhte. Hungrig griff unsere Dachdeckerin zu und gab ein weiteres höchst attraktives Attribut preis. Die essende Dachdeckerin. Arbeitende Dachdeckerinnen sind noch das eine, wenn sie sich da in die Lüfte schwingen. Auch Dachdeckerinnen, die sich bücken – und das tun sie Berufes halber ständig, sind nicht zu verachten und werden auch von Frauen als höchst attraktiv wahrgenommen. Essende Dachdeckerinnen aber sind das ultimative Elysium. Sie bringen die Welt zum Stehen, man könnte nur noch schweigen, staunen und schauen. Genau das tat Samir Abgottspon nun. Er schwieg, staunte und schaute, wie Lisa hungrig das gesamte Stück Bergkäse vertilgte. „Kann ich Dir anschliessend den Dachstock zeigen?“, bot Samir Abgottspon an. „Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen“. Lisa, staubig, wie sie war, folgte dem Hausherrn über die gewundene Treppe in den dritten Stock, direkt unters Dach. „Hier soll es sein“, sagte Abgottspon sibyllinisch. „Hier benötigen wir zwei Fenster, einen neuen Boden und weiss getünchte Wände. Auf Fenster bist Du doch spezialisiert, oder?“. In der Tat bot die Firma, bei der Lisa ihre Dachdeckerinnen-Ausbildung absolvierte, auch einen Fenster-Ausbauservice, aus Existenzgründen. Die Firma spezialisierte sich zunehmend in der Breite. Andererseits waren die Aufträge mehr als nur gesichert, weil sich ja alle um Sonnenkollektoren rissen. Lisa lächelte schelmisch ihr unwiderstehliches Lachen und liess ihre Perlenzähne blitzen. Samir Abgottspon fasste sie an der Hüfte, als wollte er mit ihr tanzen, und zog sie zu sich. Lisa, die über und über staubbedeckte Lisa. Diese liess keine Gegenwehr erfolgen, so überrascht war sie – gleichzeitig kitzelte sie der Walliser Teufel. Es ist nämlich so, dass in den Walliser Frauen unaufhörlich Leidenschaft brodelt. Sie wirken zum Teil etwas herb, aber jede hat eine glühende Libido, die es nur im richtigen Moment zu einem Flächenbrand zu entfachen gilt. Und irgendwie will es die Natur, dass Samir Abgottspon genau diesen Moment erwischt hatte. Lisa drängte ihr Becken an ihn und gab sich ihm hin, wissend, dass es da noch Aldrina, Samir Abgottspons Frau, und die beiden Zwillinge, Yoli und Ilra gab.
Es war wohl die Geborgenheit des Dachstocks. Die Tatsache, dass Aldrina mit den Zwillingen bei einer Freundin war, was auch Lisa wusste. Samir Abgottspon war nicht nur ein guter Bekannter, sondern auch ein Nachbar. Lisa wohnte nicht weit entfernt in einer Zweiraumwohnung. Es dauerte nicht lange, und es gab kein Halten mehr. Lisa schälte sich aus ihren hautengen Klamotten, und ihr zarter Duft nach Body Lotion und frischem Schweiss liess Samir Abgottspons Sinne beinahe schwinden. Walliser sind und waren schon immer ein wehrhaftes Volk, entsprechend imposant sind ihre Lanzen. Samir Abgottspon befreite die Seine und hiess Lisa, sich hinzuknien und daran zu lutschen, was diese, als wäre sie hypnotisiert, auch tat. Wonne durchströmte sie, Lust und urige Geilheit – was auch mit dem Adrenalinschub zu tun hat, der jede Dachdeckerin und jeden Dachdecker erreicht, wenn sie oder er konzentriert Ziegel um Ziegel bearbeitet, in luftiger Höhe, trotz Schwindelfreiheit hoffend, mal wieder den festen Boden zu erreichen.
Die splitternackte Lisa mit ihrem güldenen Zopf und den weit offenen, braunen Augen versetzte Samir Abgottspon mitten in die unerreichte Schönheit eines Walliser Seitentals. Er liess die Dachdeckerin ihr Werk tun,
bis er es nicht mehr aushielt, sich aus ihrem Mund zurückzog und ihr ins Haar spritzte. „Irrrrggghhh“, sagte Lisa, und Samir Abgottspon wusste nun doch nicht so genau, wie er den kryptischen Ausruf zu deuten hatte.
Ekel wegen des Spermas in Lisas güldenem Zauberhaar? Erregung? Erstaunen?
„Ich mües go düsche“. „Ich muss duschen gehen“. Da war er. Dieser Wahnsinnsdialekt, der an urwüchsiger Schönheit durch nichts und niemanden auf diesem Planeten übertroffen wird.
Samir Abgottspon nahm Lisa an der Hand, führte sie aus dem Raum und direkt ins frisch installierte und gereinigte Bad, das sich auf demselben Stock befand. Ohne sich zu schämen, drehte und wand Lisa sich unter dem wärmenden Duschstrahl. Wie sie dieses Prickeln genoss! Samir Abgottspon konnte sich an der Dachdeckerin kaum sattsehen – noch nie zuvor in seinem Leben hatte er eine nackte Dachdeckerin gesehen. Allen Männern sei es empfohlen: Eine nackte Dachdeckerin sehen und sterben. Zur Welt kommen. Nackte Dachdeckerin anschauen. Und wieder gehen. So in etwa. Geübt warf sich Lisa in Pose, und sie wusste, dass sie bei Samir Abgottspon nun alles erreichen konnte. Es war 17:10 Uhr, und Aldrina würde mit den beiden Töchtern erst um 18:00 Uhr zuhause sein, um ihrer Familie ein leckeres Abendessen zu kochen und eine gute Mutter und Ehefrau zu sein.
Noch während Lisa sich abtrocknete und ihren wilden, verstrubbelten Haarschopf ausschüttelte, führte Samir Abgottspon sie wortlos zu einer kleinen Holztreppe. Es war die Treppe, die über den Dachstock hinaus aufs Dach führte. Es war ein warmer Frühlingsabend. Zu Lisas Überraschung lagen zwei Sicherungsseile mit entsprechenden Festigungshaken bereit. „Steig ein“, sagte Samir Abgottspon zärtlich. Lisa tat, wie ihr geheissen. Etwas unsicher, weil nackt, trat sie hinaus in den Abend. Mit Wohlwollen betrachtete Samir Abgottspon den kräftigen, wohlgeformten Hintern der Dachdeckerin, stieg seinerseits ins Sicherungsseil und folgte der jungen Frau.
Eidechsengleich kroch Lisa über das Schrägdach nach oben und gewährte Samir Abgottspon, der ihr nachkroch, einen formidablen Blick auf ihre zart behaarte Pflaume. Er konnte sich kaum beherrschen, wollte aber noch eine Weile an sich halten. Wusste die Dachdeckerin, was sie da tat? Als sie sich weiterhin derart verlockend, reptiliengleich, zur Dachmitte hinbewegte, vergass Samir Abgottspon alles um sich herum. Schwindelfrei war er nicht wirklich – aber was nimmt man nicht alles auf sich für einen einzigartigen jungen Dachdeckerinnenkörper?
Kräftig, wie Samir Abgottspon war, holte er Lisa ein. Krallte sich in ihrem Hintern fest. Lisa schrie, aber Samir liess sich nicht abhalten. Einem Raubtier gleich schob er sich über diese Schönste aller Walliserinnen. Lisa hielt sich an zwei Ziegeln fest, presste sich ihrem geilen Lover entgegen und liess es geschehen. Sie liess Samir Abgottspon in sich eindringen, beobachtet von einem käsebleichen Walliser Mond. Er nahm sie mit kräftigen, rhythmischen Stössen, dachdecker-like, und mit jedem Stoss verliebte er sich ein klein wenig mehr in Lisa. Samir Abgottspon, der Familienvater. Lisas güldener Zopf diente ihm als eine Art Halteleine, und Lisa schrie und stöhnte, während sie mitten auf dem Dach des Einfamilienhauses gevögelt wurde.
„Faserzementziegel“, keuchte Lisa.
„“Naturschiefer“, echote Samir Abgottspon.
Dass sich unten im Garten eine Menschentraube bildete, merkten die beiden nicht. Dass jemand eine Drohne zu ihnen hoch sandte, die das kopulierende Pärchen aus sämtlichen Perspektiven filmte, auch nicht. Das Paar war ein Herz und eine Seele, und hätten sie um das Interesse der Menschen unter ihnen gewusst, bei Gott, sie hätten wohl trotzdem weiter gemacht. Dann lösten sich drei Ziegel. Nun schrie auch Samir Abgottspon. Bis zur Dachrinne stürzten die beiden, und jetzt sahen sie die vielen Leute unten im Garten. Lisa meinte sogar, die eine oder andere Kamera, das eine oder andere Fernrohr zu orten. Die meisten Walliser sind Gemsenjäger, darum hat jeder von ihnen in seinem Besenschank ein Fernrohr stehen.
Lisa verlor nach diesem aufregenden, etwas aus dem Gleichgewicht geratenen Event ihren Ausbildungsplatz nicht, im Gegenteil. Ganze Legionen von Kunden projizierten ihre Fantasien auf sie, aber, #metoo entsprechend, verzichteten sie auf anzügliche Sprüche. Lisas nicht unfreiwillige Berühmtheit führte dazu, dass ihr Betrieb von noch mehr Aufträgen überschüttet wurde.
Und Samir Abgottspon? Seine Frau verliess ihn umgehend, was in derartigen Fällen nicht weiter erstaunt. Aber der arme Kerl musste sein Haus verpfänden, weil die grosse Schweizer Bank, bei der er arbeitete, kein Nachsehen hatte. „Reputation“, sagte man ihm. „Reputation“.
Als ob ein hilfloser, nackt in einer Dachrinne hängender Mann die ohnehin kaum vorhandene Reputation einer Schweizer Bank mindern könnte.
Auf steilen Dächern wie eine Bergsteigerin.
Geneigte Dächer deckend.
Ton- Metall- Naturschiefer. Faserzementziegel. Was für ein Wort, was für eine Lust. Faserzementziegel.
Dampfsperren bauend. Wärmedämmung.
Draussen soll die Wärme bleiben – im Sommer.
Lisa, die Dachdeckerin
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