Löwe

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Löwe

Löwe

Zina Straudt

Judith schloss die Tür des Appartements hinter sich und begann noch im Laufen, ihre Sachen auszuziehen. Sie hatte sich früher aus dem Büro gestohlen und wollte noch schnell duschen, bevor ihr Löwe kam. Seit einigen Monaten war sie seine Geliebte und er hatte ihr ganz in der Nähe ihrer Arbeit ein entzückendes Appartement gemietet, damit sie so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen konnten.
Es bestand eigentlich nur aus einem großen Zimmer, einem exklusiven Bad und einer kleinen Terrasse, aber für Judith war es wie ein Palast.
Die Einrichtung hatte sie selbst ausgesucht. Nun thronte ein riesiges Messingbett samt Baldachin in der Mitte des Zimmers und vor einem künstlichen Kamin lag ein kuscheliges Fell welches von zwei wunderschönen, ledernen Ohrensesseln flankiert wurde. Es gab eine kleine, immer gut gefüllte Bar und einen wuchtigen Schrank, der allerdings fast nur Handtücher und Bettwäsche enthielt. Und natürlich ein paar Sachen zum Wechseln für Notfälle sowie die hübschen Dinge, die er ihr zum Geschenk gemacht hatte.
Judith warf einen prüfenden Blick auf das Bett und stellte anerkennend fest, dass ihre Putzfrau alles frisch mit der roten Satinwäsche bezogen hatte.
Sie legte ihre Sachen beiseite und schlüpfte ins Badezimmer. Schade, dachte sie, für ein Bad in der riesigen Marmorwanne war keine Zeit mehr. Nachdem sie geduscht hatte, bürstete sie sorgfältig ihre Haare und entschied sich dann für ein langes, schwarzes Negligé. Es war seitlich bis zu den Hüften geschlitzt und der tiefe Ausschnitt wurde mit vielen Bändern und Schleifen geschlossen.
Sie ließ die Rollläden herunter und entzündete ein Meer von Kerzen. Dann stellte sie seinen Lieblingswein zurecht und warf sich ungeduldig aufs Bett.
Wo blieb er nur? Normalerweise ließ er nie lange auf sich warten.
Sie nahm ein Buch von dem Tischchen neben dem Bett und begann lustlos zu lesen. Nach kurzer Zeit und einigen Schlucken Wein auf leeren Magen fielen ihre Augen zu.

Sie erwachte von einem unangenehmen Druck auf ihrem Mund und riss die Augen auf. Es war fast dunkel im Zimmer, nur eine Kerze brannte noch. Auf dem Rand des Bettes saß eine dunkle Gestalt, deren Mund und Nase durch ein schwarzes Tuch verdeckt wurde und drückte ihr seine behandschuhte Hand auf die Lippen.

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