Der Lustbeamer - Teil I

Im Café

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Der Lustbeamer - Teil I

Der Lustbeamer - Teil I

Yupag Chinasky

Abgesehen von den beiden „Augen“, sieht das Handy völlig normal und harmlos aus, genauso harmlos wie der Mann, der jetzt konzentriert das Display betrachtet. Ein Mann, der nichts anderes zu tun scheint, als seine e-Mails zu lesen, im Netz zu surfen, sich die Zeit mit Spielchen zu vertreiben oder Bilder anzuschauen. Letzteres tut er auch, er betrachtet das Bild der Frau, die ab und zu einen kleinen Schluck trinkt, ansonsten aber gelangweilt in die Runde schaut. Wahrscheinlich bemerkt sie auch den Mann mit dem Handy, aber sie beachtet ihn nicht weiter. Dieser Mann ist nicht gerade attraktiv und außerdem findet sie Männer, die immer mit ihrem Handy spielen höchst langweilig. Sie bevorzugt Männer, die darauf aus waren, mit ihr zu spielen. Der uninteressante Mann zoomte nun das Bild der gelangweilten Frau heran, bis ihr Gesicht das Display ausfüllt und ihre Nasenwurzel genau in einem grünen Kreis liegt, dann schaltet er den Stabilisator ein. Seine Hände zittern kaum noch, er kann, wenn es darauf ankam, seine physische Aufregung ganz gut unterdrücken. Seine Gedanken kann er jedoch nicht zügeln, diese rasen weiter durch sein Gehirn. Noch war es Zeit, das Experiment abzubrechen, immerhin ist das, was er vorhat, ein massiver Eingriff in das Gehirn eines anderen Menschen, das konnte medizinische und psychologische Folgen haben. Der Laser konnte bei falscher Anwendung irreparable Schäden hervorrufen, das Lustzentrum zerstören. Das Experiment könnte aber auch für ihn unabsehbare Folgen haben, juristische Verfahren, Forderungen nach Schmerzensgeld und er müsste mit der seelischen Last leben, aus egoistischen Motiven ein Leben zerstört zu haben. Doch er unterdrückt auch diese Gedanken und wählt stattdessen erst einmal die richtige Musik aus. Es muss eine ziemlich laute, turbulente Musik sein, die man natürlich nicht hören würde, es sei denn, es wäre zufällig ein Lautsprecher in der Nähe, der auf derselben Frequenz arbeitet, aber das war höchst unwahrscheinlich. Wichtig war nur, dass die richtigen Mikrowellen von dem Handy ausgesendet wurden. Er hatte noch keine Erfahrung, welche Musik für eine Frau geeignet wäre, vielleicht hing es sogar von der Persönlichkeit ab, er wollte sicher gehen und wählte eine laute, tobende Technomusik, die er persönlich verabscheute, die aber bestimmt in der Lage war, im Gehirn der Frau Turbulenzen zu erzeugen. Dann drückt sein Zeigefinger die Lust-App, genauer gesagt, deren Symbol auf dem Display, ein Strichmännchen mit erigiertem Glied. Nicht nur das Handy, auch die Lust-App hatte er selbst entwickelt, auch die Software ist ein Unikat, das Ergebnis jahrelanger Forschung. Auf dem Display erscheinen nun ein grüner Balken und ein schwarzer Kreis. In diesem blinken langsam die Buchstaben „go“. Jetzt muss er nur noch auf diesen Kreis drücken, dann sendet das Handy die Laserstrahlen aus und kurz darauf würde eine hoch erregte Frau zu ihm kommen.

Eine Frau, die nur einen dringenden, unaufschiebbaren Wunsch hat. Sie will mit ihm und nur mit ihm, dem Magier, dem Hypnotiseur ficken, weil nur er sie von ihrem Druck erlösen kann. Ein Lustleiden, das aus völlig unerklärlichen Gründen wie ein Tsunami über sie hereingebrochen war. Für ihn allerdings ist das keine Überraschung, denn er weiß genau, was sich in ihr abspielt. Diese Frau ist ja nichts anderes, als ein Säugetier, ein zugegeben, hoch entwickeltes Säugetier, aber sie wird dieselben elementaren Reaktionen zeigen, wie seine Versuchstiere im Labor, an denen er den Lustbeamer unzählige Male ausprobiert hatte, an Ratten, Mäusen und Kaninchen. Sogar Hunde und Katzen auf der Straße hatten reagiert, obwohl es schwierig war, deren Hypophyse zu treffen und eine gewisse Zeit zu bestrahlen. Deswegen waren die meisten dieser Freilandversuche nicht erfolgreich gewesen. Alle Tiere, Männchen wie Weibchen, waren schlichtweg liebestoll geworden, wenn er sie zielsicher angebeamt hatte. Einmal, als er an einem frühen Morgen Wildschweine in einem Gehege, die im Schlamm lagen und dösten, angepeilt hatte, musste er regelrecht die Flucht ergreifen, weil die aufgegeilten Sauen auszubrechen drohten. Er sieht noch einmal zu der Frau hin, die immer noch nichts Böses ahnt. Ein letztes Zögern. Sollte er das Experiment wirklich wagen, hier, im öffentlichen Raum, in Anwesenheit zahlreicher Zeugen? Sollte er eine unbekannte Frau massiv belästigen, in höchste Verlegenheit bringen, sie für seine egoistischen Ziele ausnützen? Er legt das Handy wieder auf den Tisch, winkt die Bedienung herbei und bestellt ein weiteres Bier und noch einen Cognac. Erst noch einmal klar nachdenken, noch einmal abwägen und die Hände beruhigen, die jetzt wieder stärker zitterten.

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