Eines Tages geschah dann etwas Merkwürdiges. Ein Ereignis, das Ähnlichkeit mit der Entdeckung der Wirkung von Viagra aufwies. Damals hatten herzkranke Männer auf Besserung gehofft, stattdessen bekamen sie einen gewaltigen, sexuellen Appetit und die Firma Pfizer, die die blauen Romben verhökert, wurde steinreich. Auch seine Versuchstiere verhielten sich immer dann sehr seltsam, wenn er Musik hörte, während er ihre Hypophyse mit seinen sanften Laserstrahlen stimulierte. Dann entstand in den Tieren eine spontane, unbändige Lust auf Sex, die sie sofort zu befriedigen suchten. Er kam zu dem Schluss, dass die sexuelle Erregung, die sich im Körper normalerweise langsam aufbaute, von der Sichtung eines geeigneten Partners bis zum Orgasmus, zur Ejakulation und gegebenenfalls zur Empfängnis, dass dieser Mechanismus, der für alle Säugetiere absolut notwendig und deshalb so mächtig ist, bei den stimulierten Ratten sofort und deutlich verstärkt einsetzte. Die Tiere, ob männlich oder weiblich, befanden sich sofort in einem orgiastischen Zustand, vergaßen alles andere um sich herum und wollte nur noch diesem immensen Trieb nachgehen und die ersehnte Erlösung finden. Er gewann zudem den Eindruck, dass sie es am liebsten mit ihm, dem Experimentator, getrieben hätten. Ratten, die auf einen Menschen scharf sind. Ein seltsames Verhalten und eine komische Vorstellung, die ihn aber nachdenklich machte. Warum reagierten sie überhaupt auf den Laser und warum so spezifisch, wenn er Musik hörte? Ja, es war noch bizarrer, nur wenn er eine bestimmte Art von Musik hörte, wurden sie richtig geil, bei einer anderen Musik blieben sie ziemlich cool. So erregte zum Beispiel der Walkürenritt von Wagner die Ratten bis zum Wahnsinn, dagegen empfanden sie beim Liebestod offenbar gar nichts. Wie konnten Ratten Musik von einem Komponisten unterscheiden und warum rief nur die eine diese elementaren Reaktionen in ihren Körpern hervor? Er wusste natürlich, dass die Stimmung von Menschen durch Musik stark beeinflusst werden konnte. Aber dass Ratten so spezifisch reagieren sollten, war neu, das hatte noch niemand beobachtet. Er fand schließlich den Grund heraus und war stolz darauf. Die Erregung seiner Ratten erfolgte nur dann, wenn er beim lasern gleichzeitig Musik hörte. Besser gesagt, wenn die Musik von seinem Handy über Bluetooth auf eine kleine Stereoanlage übertragen wurde. Es war, so fand er weiter heraus, nicht wichtig, ob er Walkürenritt oder Liebestod hörte, wichtig war, dass ganz bestimmte Frequenzen zeitgleich mit seinem Laser auf die Hypophyse der Versuchstiere einwirkten. Dann konnte er auf Kommando und sehr zuverlässig Lust erzeugen, eine unbändige Lust auf Sex und nur auf Sex und möglichst nur mit ihm.
Er hatte die Tragweite seiner Entdeckung sofort erkannt, wenn er auch für die Erforschung der Einzelheiten und die Optimierung der Technik noch viel Zeit brauchte. Er hatte sofort gewusst, dass er nicht mehr legal weiterforschen dürfte, wenn er seine Versuche auf Menschen übertrug, und genau das wollte er vom ersten Moment der Entdeckung an. Er wäre rasch in Konflikt mit der Ethikkommission gekommen, die Versuche wären verboten worden und er wäre am Schluss der Dumme gewesen, der trotz seiner Genialität mit leeren Händen dagestanden hätte. Und wenn er gar Versuchsreihen mit Frauen geplant hätte, für ihn war von Anfang an klar, dass er zunächst nur die Lust von Frauen erregen wollte, wäre er spätestens jetzt, angesichts der sensibilisierten öffentlichen Meinung zum Thema Sexismus, in eine Sackgasse geraten, hätte alle weitere Betätigung einstellen müssen und wäre trotzdem noch als Sexist und perverser Lüstling in Verruf geraten. Deshalb hatte er beschlossen, im Geheimen weiterzuarbeiten und niemanden einzuweihen, bis er sich der Wirkung seines Lustbeamers völlig sicher war. Das war ihm nicht schwergefallen, er verbrachte seine Freizeit ohnehin größtenteils im Labor und alles, was er an Einrichtungen, Versuchstieren, Geräten und Programmen brauchte, stand ihm entweder ohnehin zur Verfügung oder er hatte es selbst geplant, beschafft und hergestellt. Er hatte zum Beispiel lange nach einem geeigneten Handy gesucht und nach Bauteilen, um es zu modifizieren. Denn er wollte diesen sensationellen Effekt später in der Praxis unauffällig anwenden und was ist heute unauffälliger, als ein Handy, das man stundenlang in der Hand hält und anstarrt. Er hatte auch nächtelang im Internet nach einer geeigneten Software für seine Lust-App recherchiert. Eines Tages war es dann soweit und er hielt den Prototyp eines Lustbeamer in seinen Händen und die Betaversion einer Lust-App war installiert. In den folgenden Monaten hatte er die Hard- und Software unermüdlich verbessert und konnte schließlich sehr zuverlässig vorhersehbare, sexuelle Reaktionen auf Knopfdruck hervorrufen. Selbst wenn die Tiere schliefen, erwachten sie, sobald er sie anbeamte und kopulierten umgehend wie die Weltmeister. Bei einer ganzen Reihe von Selbstversuchen hatte er auch an seinem eigenen Körper festgestellt, wie unglaublich dieser Effekt wirkte. Er konnte bei sich selbst die intensivsten Lustgefühle erzeugen, die er jemals empfunden hatte. Aber der letzte Beweis, dass sein Lustbeamer auch bei einer nichtsahnenden Frau funktionieren würde, der fehlte ihm noch. Er hatte sich lange überlegt, eine Mitarbeiterin zu bitten, sich für die notwendigen Experimente zur Verfügung zu stellen, er hatte auch eine Art von Casting erwogen, sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Prostituierte ordentlich zu bezahlen. Aber es gab immer gute Gründe, die dagegen sprachen, so hatte er sich schließlich entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen und den entscheidenden Beweis in einem Feldversuch mit einer zufälligen, unvoreingenommenen Testperson durchzuführen. Nun war es soweit, es fehlte nur noch dieser wichtige Beweis, dann könnte er mit seinen potentiellen Partnern, sei es in der Pharmaindustrie oder die Elektronikbranche, in Verhandlungen einsteigen.
Der Lustbeamer - Teil I
Im Café
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