Über die Liebe ist selbst ein Lustmolch nicht erhaben, wohin sie bei ihm fällt, ist bei ihm ebenso eine Frage der Chemie, wie bei jedem von uns. Doch wie man sich dazu bettet, ist vorrangig ein Frage des Geschmackes und der Vernunft. Jedenfalls für den Lustmolch, egal ob Lebemann oder Lustliese. Wobei unbestritten die Sinnlichkeit des Geldes so manchen körperlichen und charakterlichen Mangel überdeckt. Doch da Geld allein die Sinne nicht zu kitzeln vermag, insbesondere angeheiratetes und per Ehevertrag in mörderische Ferne gerücktes, bleibt sich der Lustmolch lieber treu und wählt nach seinem Geschmack.
Spätestens mit dieser Entscheidung aber hat er ein Problem, ist doch sein Schönheitssinn derart überzüchtet, daß ihm selbst eine Marilyn Monroe ein schweinsnäsiges pummeliges graues Mäuschen wäre. Dementsprechend eng ist der Kreis, in dem diese überkandidelten Geschmäckler mögliche Kandidaten für eine andauernde Paarung finden. Doch die betörende Sirene, die dem Adonis in die Arme fliegt, gibt es leider nur im Dreigroschenroman. Die Wirklichkeit sieht nun einmal so aus, daß sich die Sirene für gewöhnlich einen tumben Geldsack schnappt, während sich der Adonis von einem kuhäugigen Trampel betören läßt. Die Ausnahme von dieser Regel zu schaffen, dafür steigt der Lustmolch in den Ring. Auch wenn er weiß, daß die äußere Erscheinung schlichtweg gottgegeben ist, während die Entwicklung hin zu dem, was er darstellt, eine ungewöhnliche zivilisatorische Leistung ist. Will heißen, es schließt sich keinesfalls aus, daß ein Lustmolch in seiner Statur eher dem Zwerg Nase ähnelt als einem bezaubernden Narziß.
Wie also rankommen, an die süßen Kirschen? Nun, bevor sich der Lustmolch von einem Schönheitschirurgen womöglich noch weiter entstellen läßt, setzt er auf das Motto "Frechheit siegt". Schließlich weiß er, daß die Erscheinung, die ihm genügte, ob ihrer Außergewöhnlichkeit meist ein einsamer Mensch ist. Sie wird von Ferne angeschmachtet, doch sich ihr zu nähern, wagen nur die wenigstens. Bekanntlich machen im direkten Vis a vis mit einer selten schönen Frau die meisten Männer schlapp, und den Mädchen geht es nicht anders, sobald sie einem Adonis gegenüberstehen. Da mutieren sie blitzschnell zum Mauerblümchen, werden linkisch, stolpern über ihre eigenen Füße, gicksen und kichern, und sind froh, wenn sich ihr Idol rasch wieder von ihnen abwendet und sie es auf den Altar ihrer fernen Anschmachtung heben können.
Hier also liegt die Chance des schönsinnigen Aficionados. Deshalb ran an die heiße Kartoffel und dabei absolut cool bleiben, sonst verbrennt man sich noch die Finger. Denn nichts ist den Makellosen mehr verhaßt als ein sabbelnder Tor, der sie unterwürfig anschmachtet, ihren Liebreiz rühmt und sich anschickt, ihnen die Stiefel zu lecken. Wissen doch diese Halbgötter zum einen selbst, daß sie Sterne unter der Sonne sind, gleichzeitig aber sind sie von abgrundtiefen Zweifeln über ihre Göttlichkeit geplagt, schließlich sehen sie sich jeden Morgen selbst im Spiegel mit sezierendem Blick. So erleben sie auch die kriecherischen Schmachtfetzen zu ihren Füßen als leere Gockel und Hennen, die sie in ihrer eigentlichen, selbst empfundenen Halbheit nicht erkennen. Das bedingungs-lose Schmachten mag daher für die Eroberung und den Genuß einer durchschnittlichen und dementsprechend verblendeten Dorfschönheit das richtige Rezept sein, ein Stern läßt sich damit jedoch nicht pflücken. Denn, und dies ist das andere an solch falscher Strategie, ziehen diese Halbgötter eine Heerschar von Speichellecker hinter sich her. Für sie, die Strahlenden, sind sie gleich Mücken, die ins Licht fliegen, nur lästiges Geschmeiß. Ja, sie sind ihnen widerlich. Solche Kreaturen dürfen ihnen zwar zu Diensten sein und ihnen bei Bedarf feinsten Zucker in den Hintern blasen, ansonsten aber sind sie für sie so bedeutend wie ein Häufchen Hundekot auf dem Trottoire. Man achtet darauf, um sich nicht damit zu besudeln.
Cool bleiben, heißt also die Devise für den Lustmolch, der seinen Stern, mit dem er sich schmücken möchte, entdeckt hat. Dem wahren Genüßling dürfte das ohnehin nicht schwer fallen. Denn er nähert sich der Schönheit nicht, um sie anzuschmachten, sondern um sie mit gewohnter Selbstverständlichkeit zu genießen. Die schönen Dinge des Lebens wurden ausschließlich für ihn geschaffen, und sie werden in seinen Korb fallen. Und wie Fallobst werden sie sich ihm, selbst wenn er ein Quasimodo ist, in die offenen Arme werfen. Er ist das Subjekt, die zu erobernde göttliche Erscheinung aber wird in seinen Augen zum Objekt, das ebenso einzig dazu geschaffen wurde, sein Leben zu bereichern. Mit dieser Haltung aber erobert er die Schönsten der Schönen im Sturm. Denn für sie wird er wiederum zu einer echten Herausforderung.
Was ist das für ein Zwerg, mögen sie sich zornig denken, der es wagt, sich mir wie einem jedermann zu nähern, der nicht speichelt, buckelt und wie Wachs vor meinem Blick zerfließt. Und mit dieser Frage schon ist er verzaubert, interessant. Das Rad hat sich gedreht. Die Schönheit selbst buhlt nun um seine Aufmerksamkeit, eifert darum, ihm ein gleichwertiges Gegenüber zu sein. Und da solches Werben die Schönheit wiederum adelt, ihren Liebreiz ins Unermeßliche erhöht, wird sie die Distanz zu ihm nie über-winden. Steigert doch der ihr zufliegende Adel für den Lustmolch nur den Genuß ins astronomische. Und so bleibt er der sich am himmlischen Nektar labende Genießer, während ihre Göttlichkeit endlich ihrem eigentlichen Zweck entgegenstrebt, als Schönheit auch mit Sinnen und Verstand genossen zu werden. Dies mag dann der Moment des Erkennens sein, in dem die Prinzessin den unverschämten Frosch küßt. Doch da wir nicht im Märchen sind, muß sie ihn immer wieder küssen, um in ihm den Prinzen wach zu halten, der die irrwitzige Größe besitzt, einem Halbgott einen Platz an seiner Seite frei zu halten.
So mag es sich abspielen, wenn der Lustmolch auf Freiersfüßen tappt, doch da er andererseits in allem was seine Sinne berauschen könnte einem Ideal entgegenstrebt, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, daß er eine solche Begegnung nicht erleben wird. Also bleiben ihm die Halbheiten und Kompromisse. Und hier öffnet sich für ihn ein weites Feld. Hier geht es nicht mehr um die Liebe zum Schönsten, um die Sinfonie der Seele und der Sinne, um in vollendet himmlischen Genüssen zu schwelgen, jenen Gottesdienst an die Schönheit möglicher Gottesebenbildlichkeit, sondern hier dreht sich alles um die pure Sinnlichkeit, die Klaviatur des Liebesspiels in all ihrer die Wollust stimulierenden Facetten. Wobei sich hier Fülle und Genuß, anders als beim guten Essen, nicht gegenseitig ausschließen. Andererseits spricht aber auch die Menge verschlissener Begegnungen nicht zwingend für die feine Nase unseres Connaisseurs, viel eher dürfte dies ein Beleg seiner noch nicht sublimierten Triebhaftigkeit sein. Womit er sich freilich aus dem Kreise wahrer Lustmolche aussondert. Schließlich müssen wir uns nur entsprechend umhören, um stets aufs neue von beiderlei Geschlecht zugeflüstert zu bekommen, daß mit der Menge der erwählten Beischläfer auch das Lot der Nieten überproportional ansteigt.
Der erfahrene Lüstling indes geht schon allein wegen der grundsätzlichen Halbheit solcher Vermischungen im Fall des möglichen Falles keine Kompromisse ein. Im Grunde sagt ihm schon der erste Kuß, ob es Zeit ist, sich schleunigst zu verabschieden. Und mag ihn die eigene Lüsternheit hier noch einen unverzeihlichen Streich spielen, spätestens dann, wenn die Kleider gefallen sind, zeigt sich, zu welchem Kind der Liebe er sich legte. Im Zweifelsfalle bläst er dann elegant zum Rückzug. Steckt sich die Zigarette danach schon vorher an, serviert den Kaffee und bittet vom Bett. Bei Widerborstigen indes ist schnöde Kaltherzigkeit angesagt, hier verspricht der Interruptus mit dem nach-folgenden Packen Gemeinheit seinerseits zu einem eigenen Genuß zu werden. Doch ebenso wie er ein mißratenes Gericht nach der ersten Kostung in die Küche zurückgibt, wird sich der Lustmolch auch die Sinne nicht an einer trögen Nummer wund reiben.
Da mag es die Sirene etwas einfacher haben als der Don Juan, schon am Wurf der Hose erkennt sie, was sie zu erwarten hat. Dann heißt es, den Ritter von der traurigen Gestalt kalt lächelnd abzuservieren. Womöglich sieht sie ihm mit eisigem Blick noch zu, wie er sich bis auf die Socken aus seinem Feinripp schält, Hemd und Hose säuberlich gefaltet zur Seite legt, um ihm endlich zuzusäuseln: "Und jetzt darfst du dich wieder anziehen und verpissen!". Welch ein Pläsier ist es ihr darauf, ihm zuzusehen, wie sich seine halbgare Männlichkeit zurückzieht, und er beschämt, verstört von dannen trottet. Und sollte es sich wie so oft erweisen, daß er zwar ein stürmischer Liebhaber ist, es ihm aber letztlich dafür am erforderlichen Format mangelt, so genügt meist eine schnippische Bemerkung über Maß und Formung seiner Lanze und der Abend ist in ihrem Sinne gerettet.
Mancher mag solche Konsequenz als Unmenschlichkeit verdammen, doch ein Lustmolch sieht das selbstverständlich anders. Er ist kein Samariter, der sein Talent um des lieben Frieden willen an einen kalten Fisch oder einen stumpfsinnigen Rammler vergeudet. Der brutale Abgesang ist ihm hingegen eine Ode seiner Menschliebe, schließlich soll die gebotene Sinnlichkeit beide aufs äußerste beglücken und in einen Taumel reißen, der den fehlenden Liebreiz als hinnehmbaren Mangel überdeckt. Hat sich jedoch ein passendes und seinen Ansprüchen genügendes Temperament ihm zugesellt, wird er es bis zur Neige kosten und sich an ihm ein ums andere Mal in aller Herrlichkeit berauschen. Wie lange diese Weile währt, bis sich sein Geschmack am gebotenen Spiel verliert, bleibt unbestimmt. Haben sich in einer gut beschienenen Stunde gar zwei Lustmolche auf dieser Ebene getroffen, mag daraus sogar ein Bund fürs Leben werden. Denn dann verstehen es beide, sich den Appetit aufeinander zu erhalten und in der Kreation immer neuer Spielchen und Schleckereien die bindenden Säfte am köcheln zu belassen.
Andernfalls, wenn der Spaß nachläßt, sich der Geschmack verliert und sich Sattheit einstellt, dann wird es Zeit für den Lüdrian, den harschen Schnitt zu führen und sich ein neues Früchtchen in sein Körbchen zu legen. Jedenfalls ist er nicht der Typ, noch zuzusehen, wie sich eine ausgebrannte Affäre allmählich abkühlt. Nein, das wäre ebenso, als wollte er ein erkaltetes Soufflé löffeln: schrecklich, zum Würgen und Frösteln. Eher neigt er dazu, die Verabschiedung als groteske Szene zu inszenieren, an der er sich still vergnügt delektiert.
Je nach Temperament der ausgebrannten Flamme, schlüpft er dabei in die Rolle des brausenden Wüterichs, des schluchzenden Zurückgelassenen oder des aalglatten Zynikers. Sein angelerntes Repertoire hierfür, aus Erfahrung gespeist und solchermaßen stets verfeinert, würde wahrscheinlich selbst einen Staatsschauspieler überfordern. Er indes genießt dieses Rollenspiel, ist sich Akteur und Publikum zugleich und bleibt der Regisseur der Schmiere. Denn so manches Mal heizt der sich auftuende Spalt der Trennung die Flamme nochmals an, auf daß sie gewaltig auflodert und einen Reigen köstlichster aus-gefallener Lustbarkeiten verspricht. Darauf schlägt er kühn und flugs den Bogen zu einem Neubeginn und stürzt sich in den rauschigen Taumel des Versöhnungsrituals. Weshalb so mancher Lustmolch diesem vor Leidenschaft kochenden Ritual der Wiedervereinigung so verfallen ist, daß er grundsätzlich mehrere Affären gleichzeitig unterhält. Wobei es sein Prinzip ist, hierbei konsequent mit offenen Karten zu spielen. Hierdurch stachelt er den Eifer seiner Partner zu Höchstleistungen an und erfreut sich zugleich an seinem Stand als Hahn im Korb beziehungsweise dem Ruch der Femme fatal.
Doch was ist es eigentlich, mag sich der angehende Lüstling mit roten Backen fragen, was einen guten Liebhaber oder die perfekte Liebhaberin ausmacht. Und hat dabei nicht nur jene Gespielinnen oder Gespielen im Sinn, die sich ein Lustmolch erwählt, sondern auch dessen eigene Verführungskünste, die ihn als Connaisseur ausweisen, als jenen unwiderstehlichen Galan oder Sirene, für die er sich ausgibt. Muß er doch selbstverständlich seinen Bettgenossen ein entsprechendes Gegenüber sein, will er nicht eben das Schicksal erleiden, das er den müden Stöpslern vorbedachte, die sein Gelüst nicht ins Unermeßliche zu kitzeln verstehen.
Ja, da soll des Sängers Höflichkeit nicht schweigen. Runter mit der Hose und den nackten Tatsachen ins Angesicht geblickt. Wer auf die Zwischentöne achtet, sobald darüber andeutungsweise aus dem Nähkästchen geplaudert wird, der hat es längst heraus bekommen, wann sowohl die Damen- wie die Männerwelt vom guten Liebhaber spricht. Ein Kerl, der es versteht, eine saftig süße Feige mit dem Mund zu öffnen und genüßlich zu verspeisen, der hat die erste Hürde ebenso genommen wie das Weib, das das Flötenspiel mit all seinen Trillern von der höchsten bis zur tiefsten Oktave beherrscht. Danach aber teilen sich bereits die Gemeinsamkeiten und zerperlen wie Scherben im Kaleidoskop zu einem bunten Bild sinnenfroher Spiele. Vielleicht mag man sich soweit noch einig sein, das einerseits die aktive Gespielin, die sich im rechten Moment sinnlich weiblich hingibt, und andererseits der sanfte Verführer, der sich seinerseits im rechten Augenblick zum maskulinen Nehmer wandelt, mehrheitlich gefragt sind. Doch bereits beim Begriff der allgemein gewünschten Ausdauer beginnen die Mißverständnisse. Gewiß der Connaisseur hat Zeit, alle Zeit der Welt, die Sinnlichkeit zu steigern und wieder abflauen zu lassen, um sie gleich darauf erneut zu ungeahnten Gipfeln zu treiben. Doch was währt zu kurz und was zu lang? Ein gutes Mahl dauert Stunden, ein Pralinee hingegen schmilzt binnen Augenblicken im Mund und kann doch noch über eine lange Weile die Sinne mit seinem Nachgeschmack betören. Hingegen ist der Stellungswechsler, der sein Kamasutra bis zur Stellung 1.001 präsentiert, sofern er einem mal unter die Decke schlüpfte unbestritten eine interessante aber doch eher belustigende Erfahrung. Danach wird sie der Lustmolch freilich schleunigst als getan abhaken. Verärgert ihn doch solche Akrobatik ebenso rasch, wie etwa ein überkandidelter Service in einer Luxusherberge, in der sich das schnöselige Personal bemüht, feiner zu sein als der edelste Gast.
Der unüberschaubare Rest möglicher Paarungsspiele indes bleibt den persönlichen Neigungen und Wechselfällen des Lebens unterworfen. Mag einen heute noch jenes bizarre Spiel restlos begeistern, entwickelt sich morgen schon eine andere absonderliche Vorliebe, die womöglich zwischendurch wieder vom Verlangen nach einer ordentlichen Hausmannskost abgelöst wird. Zu werten gibt es da wenig. Von Bedeutung bleibt allein, daß der Lustmolch jede Art dieser Sinnenfreuden zu einem Hochgenuß steigert und jedes Beisammensein als einmaliges Fest zu zelebrieren weiß. Ist ihm diese Möglichkeit allerdings nicht gegeben, verzichtet er lieber, anstatt hineinzuschlingen, was nachher nur schwer im Magen liegt. Denn Hunger mag für jedermann gewiß der beste Koch sein, dem Genießer aber bleibt auch bei knurrendem Magen schon der erste Bissen eines Fraßes im Halse stecken. Hunger zu haben, ist daher dem wahren Aficionado ebenso eine Form schätzenswerter Sinnlichkeit, deren forderndes Verlangen allerdings nur er zu würdigen versteht. Dies gilt insbesondere für seinen erotischen Appetit, ist er doch die eigentliche Krönung seiner Kreatürlichkeit, seine Sättigung hingegen von jener angenehm matten Tristesse, die ihn vor einem Relief de Tafel anwandelt, wenn die Kerzen im Tischleuchter erlöschen und der letzte Schluck des Digestifs seinen Magen wärmt. Nicht daß er dieses Gefühl nicht schätzt, gehört es doch unabdingbar zum Ausklang eines vollendeten Liebesspiels. Freilich stellt es sich nur ein, wenn das Spiel auch im wahren Sinne des Wortes vollendet war. Nur dann entfaltet sich nach dem Petit morte jene süße die Ewigkeit durchmessende Traurigkeit, die wie ein herzzerreißender Tango gleichermaßen ein Versprechen ist.
Der Lustmolch in der Horizontalen
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