Madhuri

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Ralf Thomas

„Thomas, kommen Sie doch bitte mal in mein Büro” forderte ihn die Stimme am Telefon auf. Er absolvierte gerade ein Praktikum in einem schwäbischen Mittelstandsbetrieb und es war nicht ungewöhnlich, dass ihn sein Mentor zu sich rief. Schröder wartete allerdings schon im Gang auf ihn, kaum das er aus dem Büro trat. „Der Boss will sie sprechen”, offenbarte er ihm, „gehen wir hoch.” „Um was geht's denn?” wollte Thomas wissen. „Das wird er ihnen selber sagen”, erwiderte Schröder geheimnissvoll. „Hatte er einen Bock geschossen, irgend einen blöden Fehler gemacht?”fragte er sich, „Warum bloß wollte Herr Gärtner ihn persönlich sprechen?” Er war sich keiner Schuld bewusst und so folgte er unbedarft in die Chefetage. „Gehen Sie gleich rein”, flötete die Chefsektretärin, „sie werden schon erwartet.”

Herr Gärtner saß hinter seinem alten Schreibtisch, kaute auf einer Zigarre herum, die er allerdings nicht angesteckt hatte. „So, sie sind also unser Praktikant!” stellte er ohne weitere Begrüssung fest. „Sie kommen aus Berlin?” wollte er sich vergewissern, blätterte in der noch recht dünnen Personalakte. „Ja, Herr Gärtner”, antwortete Thomas knapp in etwas unterwürfigem Ton. „Können sie Englisch?” schaute Gärtner ihn prüfend an. Thomas legte los: „Yes, Sir. Not perfectly, but I guess it's enough to ...” „Excellent”, unterbrach er ihn postwendend. Er quälte seinen fülligen Leib aus dem dunklen Ledersessel, ging um den breiten Tisch herum und schritt direkt auf ihn zu. „Junger Mann”, begann er ihm zu erklären, während er väterlich seinen Arm um seine Schultern legte, „sie können mir helfen ein kleines Problem zu lösen.” Verdutzt schaute Thomas ihn an. Mit so etwas hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

Es ging um einen wichtigen Auftrag aus Indien. Die Verhandlungen standen kurz vor dem Ende und es sah ganz gut für seine Firma aus. Mr. Rancharti wollte nach Deutschland kommen, die Prokutionsanlagen besichtigen und dann den Vertrag unterschreiben. Das Problem dabei war – seine Tochter. Sie wollte unbedingt mit nach Deutschland und hatte ihren Daddy wohl auch überredet einen Abstecher nach Berlin zu machen. Und Thomas sollte sich nun um die junge Dame kümmern. Sie durch die Stadt führen, ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten. „Aber die Inder sind sehr traditionsbewusst, er wird seine Tochter kaum mit einem jungen, fremden Mann losziehen lassen”, gab er zu bedenken. „Keine Sorge. Ihre Großmutter wird als Anstandswauwau dabei sein”, meinte Gärtner etwas respektlos.

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