Mariangela war nun wirklich reif, um nicht zu sagen, überreif für die Ehe. Zu ihrer Zeit wurden Frauen, was Heiraten angeht, nur selten, wenn überhaupt, nach ihren Bedürfnissen gefragt. Ehen wurden durch Eltern und Verwandte arrangiert und hatten gerade in der Mittel- und Oberschicht nur ein Ziel: Vermehrung von Gütern, Ländereien und sonstigem Vermögen sowie das Erlangen eines höheren Titels durch den Gemahl und die hoffentlich aus der Ehe hervorgehenden Söhne.
Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum Mariangelas Vater Ritter Kuno derart zugetan war. Seine Zuwendung machte er auch offenkundig, indem er dem Ritter die eine oder andere Weinrunde spendierte. Daneben wirkte Mariangelas zweiter Liebhaber, der Küchenjunge Stefano, wie eine welkende Blume. Die Eifersucht war für ihn nahezu unerträglich. Schliesslich war er es, der der Tavernenfamilie zur Hand ging, und das seit vielen Jahren und ohne jemals krankheitshalber abwesend zu sein. Aber er war mittellos und von geringem Stand – in diesem Leben würde ihm kein Glück mehr vergönnt sein. Sein einziger Schatz, die schwarzgelockte Mariangela, drohte ihm in den nächsten Tagen endgültig zu entgleiten. Pater d’Ambrosio, dem Beichtvater, und dem Sakristan, der ein Leben dafür gegeben hätte, seinen Kopf ein einziges Mal zwischen Mariangelas Brüste zu betten, ging es nicht viel besser. Sie verbrachten ihre Tage mit Beten und Trinken, und d’Ambrosio graute vor dem Tag, an dem er den Bund der Ehe zwischen Mariangela und dem Ritter aus deutschen Landen würde schliessen müssen.
Derweil konnte Ritter Kuno sein Glück kaum fassen. Nichts nahm in seinem Herzen derart viel Platz ein wie Mariangela, die Tavernentochter, und er freute sich unbändig darauf, sie nach deutscher Sitte und Tugend ehelichen zu dürfen. Ritter Kuno war im Fränkischen an vielen Hochzeiten zugegen gewesen. Zumeist hatten die Rituale sich geähnelt. Es gab ein ausladendes Trinkfest, Schweine wurden auf offenem Feuer gebraten, und es konnte gut sein, dass gegen Mitternacht, kurz vor dem Höhepunkt der Burghochzeit, Schweinsköpfe durch den Saal geschleudert wurden. Derart barbarisch, das ahnte er bereits, würde es bei der Hochzeit von Mariangela und ihm nicht zugehen. Das prickelnde Momentum teutonischer Hochzeiten stand aber erst noch bevor. Nachdem die Schweinsköpfe geschleudert und unter dem Johlen der Gäste Weinkaraffen zum Spritzen gebracht hatten, entfernten sich die Frauen mit der Braut, von der grölenden männlichen Horde nahezu unbemerkt. Sie steckten die Haare der vor Aufregung errötenden Bräute hoch und verzierten sie mit zumeist weissen Blüten, um die Jungfräulichkeit hervorzuheben. Dann geleiteten sie die Braut ins Schlafgemach, wo das künftige Ehebett mit weissen Laken bereitstand. Dort wurde das Mädchen entkleidet und aufs Bett gelegt. Die Rolle der Bräute war zu jener Zeit ausgesprochen passiv; wie Wachspuppen liessen sie die Mütter, Schwestern, Freundinnen und Nachbarinnen an sich arbeiten. In vermögenden Familien wurde den künftigen Gattinnen edler Schmuck um den Hals gelegt, Schmuck, der mit geheimnisvollem Leuchten die kecken jungen Brüste noch besser zur Geltung brachte. Ganz selten wurden auch Blüten ins Schamhaar geflochten. Die so entstandene Augenweide war aber nicht nur für den künftigen Ehemann gedacht. Alle geladenen Männer sollten sich an der Nackten ergötzen dürfen, es war dies der kurze, aber intensive Höhepunkt, der dazu führte, dass die Hochzeitsgäste so zahlreich waren, dass Speis und Trank kaum ausreichten, um alle zu verköstigen. Eifersüchtig waren die Eheweiber kaum – ihre Männer durften die nackten jungen Gemahlinnen ja nur anschauen, und dies für vergleichsweise kurze Zeit, bevor dann der glückliche Gemahl nahm, was ihm gehörte und sein Bräutchen nach der ersten Ehenacht kaum mehr aus den Augen liess.
Italiens Kultur war in dieser Hinsicht eine andere – das war Ritter Kuno bewusst. Dennoch wollte er, bei aller Liebe zu Mariangela, nicht auf den Spass verzichten, den es ihm bereiten würde, wenn hungrige Männeraugen seine nackte Braut anstarrten.
Die Hochzeitsvorbereitungen waren in vollem Gange. Die kratzbürstige Mariangela, die sich eigentlich eine Welt ohne Männer wünschte, wurde im Sog der Aufregung mitgerissen. Sie war eine ausgeprochen lebenslustige junge Frau, und opulente Feste in Trastevere waren alles andere als an der Tagesordnung. Mindestens eine Stunde lang beugte sie sich über ihren Waschbehälter, wusch sich an besonderen Stellen ganz besonders gründlich und netzte ihr Haar, auf dass es besser und vor allem gründlicher frisiert werden konnte. Sie wollte, dass ihre Lockenpracht in hellstem Glanz erstrahlte – Mariangelas Haar war auch deren schönster Schmuck. So eifrig widmete sich die Tavernentochter ihrer persönlichen Toilette, dass sie nicht mehr an die noch immer vorhandene Spalte in der Holzwand dachte. Stefano klebte förmlich an dieser Spalte – er liess sich kein Detail von Mariangelas Körper und ihren Bewegungen entgehen. Mit den Augen verschlang er sie ganz und gar, denn schon in der folgenden Nacht würde sie im mit Steingemäuern umfassten Schlafgemach der ehelichen Pflicht mit diesem deutschen Edelmann nachkommen. Dort gab es keine Ritzen in der Mauer, lediglich das dumpfe Geräusch lustvollen Stöhnens würde dann und wann an Stefanos hochrote Ohren dringen.
Dann geschah etwas nicht ganz Unerwartetes, aber alle hatten die Tatsache verdrängt: Mariangelas schwerkranke Mutter rief mit matter Stimme nach ihrer Tochter. „Ragazzella“, sagte sie zärtlich und öffnete ihre verschleierten Augen. „Fatti sposare – e una bella vita“. „Lass Dich heiraten – ein schönes Leben noch“. Dann schloss Mariangelas Mutter für immer die Augen. Die Braut war derart erschüttert, dass sie den süsslich-fauligen Geruch nicht wahrnahm, der die Bettstatt umwebte. Mit zwei Mägden schälte sie die tote Frau aus ihrem Hemd und zuckte erschreckt zurück, als sie die Beulen unter deren Achseln und an deren Hals sah. Zum Teil waren sie geplatzt, andere hatten schwärzliche Ränder. Mariangela war zwischen Tränen um ihre Mutter und Ekel vor ihrer Mutter hin- und hergerissen. Und am Abend sollte ihre Hochzeit stattfinden! Sie hatte sich von ihrer Mutter immer eingeengt gefühlt, merkte aber erst jetzt, als die Frau vor ihr lag, dass sie sie im tiefsten Grund ihres Herzens geliebt hatte. Sorgfältig wusch sie die Leiche, hüllte sie in kräuterdurchtränkte Tücher, die ihre Freundin, eine alte Hebamme, präpariert hatte um den Gestank zu lindern. Dann wickelten die anwesenden Frauen Mariangelas Mutter, einer Mumie gleich, in leinene Tücher.
Länger hielt es Mariangela nicht aus. Der Tod war ihre Sache nicht, und sie verdrängte das Ableben ihrer Mamma, so gut es ging. Nach drei Schlucken mit Wasser verdünnten Weins fühlte sie sich kräftig genug, um den weiteren Hochzeitsvorbereitungen zu folgen. Im Nebenraum ihrer Schlafkammer legte Stefano derweil Hand an sich und brachte sich zum Höhepunkt, indem er sich Mariangela vorstellte, nackt, über ihre Waschschüssel gebeugt. Welch ein Gemälde das abgegeben hätte! Welch herrlicher Arsch! Welch wundervolle… aber Stefano kannte nicht einmal den expliziten Ausdruck für die Stelle, wo die weiblichen Oberschenkel zusammentreffen.
So rasch als möglich wurde Mariangelas Mutter aus dem Haus geschafft, und alle waren im Grunde froh, dass sie nun der Pflegepflicht enthoben waren. Der Seitenraum, in dem Mariangelas Mutter ihre letzten Tage verbracht hatte, verfügte nur über ein kleines Fenster und würde wohl über Monate hinweg gelüftet werden müssen.
Es kam der Abend, und Mariangela wirkte engelsgleich blass, mit hochgestecktem schwarzglänzendem Haar und offenen braunen Augen. Sie war das Herzbegehr sämtlicher Bewohner von Trastevere, und es gab keinen, der nicht heimlich, des Nachts, an sich gearbeitet hätte, tief in Gedanken an die nackte Mariangela, während die Moglie, die Ehefrau, nebenan ahnungslos schnarchte. Hätte man all die Gedankenbilder nebeneinander-gelegt, wäre dies einer Gesamtstudie des weiblichen Körpers nahegekommen, so unterschiedlich waren die Vorstellungen, die sich die Bewohner von Trastevere von Mariangelas nacktem Körper genehmigten. Schwere, eher formlose Euter kreuzten sich mit pittoresken Jungfrauenbrüstchen, feste, pralle Schamlippen überlagerten Gedanken an ein hübsches, tiefschwarzes Wäldchen. Mariangelas Hintern war für alle der heilige Gral weiblicher Lustbarkeit.
Nun wurde gezecht und gebechert, dass es eine Freude war – mit einer Ausnahme: Mariangelas Vater stand etwas abseits, mit Schweissperlen auf der Stirn, denn die Scharen von Menschen, die in die kleine Taverne strömten, würden sein Einkommen schmälern. Zumindest hatte er das Glück, dass sein Vermögen zu wesentlichen Teilen aus Naturalien bestand: Er besass den schönsten Weinkeller von Trastevere mit erlesenen Tropfen, die Vorratsräume waren prall gefüllt mit Schinken, gesalzenem Pökelfleisch und getrocknetem Fisch. Stefano eilte unermüdlich in den Keller und zurück auf die von der Abendsonne beschienene Terrasse, um die Hochzeitsgäste zu bedienen, die schamlos zugriffen. Alle wollten Melonenspiesschen, gebratenes Huhn und eine Scheibe Schweinefleisch ergattern – auch die Menschen, die draussen vor der Taverne in einer grossen Traube darauf warteten, eingelassen zu werden. Alle liessen Mariangela hochleben, und bei jedem Zuprosten wurde das Herz von Mariangelas Vater schwerer. Auch wenn die Ehe mit seiner Frau nicht immer einfach gewesen war: Er hatte sie geliebt, und er erinnerte sich noch sehr oft an den Tag, an dem sie ihm die gemeinsame Tochter geschenkt hatte.
Nun war sie tot, eingewickelt in weisses Leinen, und in dieser Nacht würde Ritter Kuno ihm auch Mariangela entreissen. Er fühlte sich alt und einsam. Gleichzeitig war er ein lebenslustiger und neugieriger Mann, und sein künftiger Schwiegersohn aus dem fernen Teutonenland interessierte ihn. Dann wurde es still. Pater d’Ambrosio bahnte sich seinen Weg durch die Menge, und er steuerte trotz der vielen Menschen zielgerade auf Mariangela und Ritter Kuno zu, nicht ohne sich auch nach dem Vater umzusehen. Als würde er von einem Magneten angezogen, kam Leben in Mariangelas Vater, er folgte d’Ambrosio, und endlich standen die beiden vor dem glücklichen Paar.
Ritter Kunos Herz klopfte, als Mariangela der Ehe errötend zustimmte – und ihr ging es nicht anders. Sie fand Gefallen an dem leidenschaftlichen deutschen Ritter, und trotz Sprachbarrieren fanden die beiden immer besser zueinander. Was dem Paar zum Vorteil gereichte, waren des Ritters deutsche Freunde, fünf an der Zahl, die auch des Italienischen mächtig waren.
Nun, da die beiden auf den Weg der Ehe geleitet worden waren, fühlte sich auch Mariangelas Vater besser, ganz im Gegensatz zu Pater d‘Ambrosio und Stefano, dem Küchenjungen sowie dem ebenfalls anwesenden Sakristan, die alle sichtlich in sich zusammenfielen.
Er umarmte seine Tochter und setzte sich mit den Rittern an den grössten Tisch auf der rebenüberwachsenen Veranda. Der Hass in den Augen der eifersüchtigen Dorfbewohner verglomm allmählich, je später die Stunde schlug, und die zahlreichen geleerten Bier- und Weinkrüge taten Kunde davon, wieviel all die Männer mittlerweile getrunken hatten. Daher rührte der milde, verschleierte, mesmerisierende Blick der meisten. Sie warteten wohl nur noch darauf, Mariangela und ihren Gatten ins Ehebett zu führen.
Allerdings gab es da, wie bereits beschrieben, diese kleine, aber wesentliche kulturelle Differenz: In Rom war es undenkbar, dass männliche Hochzeitsgäste die nackte Braut bewundern durften – ganz anders als im Teutonenland, wo dieses „in-Augenschein-Nehmen“ im Grunde der Kern jedes Hochzeitsfests war. Die meisten Frauen schämten sich zu Tode, aber im Gefühlsüberschwang der bevorstehenden Hochzeitsnacht zeigten sie den Männern tatsächlich ihre Brüste und das hübsche, kleine Dreieck zwischen den Schenkeln.
Nun begleiteten Ritter Kunos deutsche Freunde das Paar in die Taverne, gefolgt von einer dichten Menge an Männern. Diese wurden von mehreren korpulenten, schwarz gekleideten Frauen energisch vom Schlafgemach ferngehalten. War die Tür erst einmal zu, entkleideten sie die hübsche, feingliedrige Mariangela eher unsanft. Als sie deren Riesenbrüste gewahr wurden, bekamen sie Augen, gross wie Teller. „Guarda questo seno“, murmelten sie und befingerten Mariangelas Lustdrüsen, was dieser die Schamröte ins Gesicht trieb. Sie wuschen die nackte Frau flüchtig und legten sie ins Ehebett. Dann krachte die Tür in den Angeln, und die sechs deutschen Ritter stürmten den Raum, so, wie sie es von zuhause kannten. Als stünden sie unter Strom, blieben sie vor der Schlafstatt stehen und bewunderten andächtig die blasse, zarte Schönheit, wobei sich ihre Augen an Mariangelas Brüsten festsaugten. Es war unschwer zu erahnen, woran die Männer dachten – aber es würde nun an Ritter Kuno sein, Mariangeals Pförtchen zu durchschreiten. Drei der Männer griffen sich ans Gemächt und liessen keine Zweifel offen, wie sehr sie das nackte Bräutchen erregte. Viel Zeit blieb ihnen nicht, denn hinter ihnen stürmten weitere männliche Hochzeitsgäste das Schlafgemach, wohl ahnend, was es da zu sehen gab. „Perdonami dio“, stöhnten sie. Sie würden problemlos damit klarkommen, dass ein Blick auf Mariangelas Körper mehrere Jahre in der Vorhölle nach sich ziehen würden. „Guardate… queste gambe…“ „Schaut mal diese Beine…“. Wie schon damals, als zuerst Stefano, der Küchenjunge, dann Ritter Kuno, dann Pater d’Ambrosio an ihr zugange gewesen waren, kitzelte Mariangela noch einmal das Teufelchen. Sie drehte sich auf den Bauch, ging in den Vierfüsslerstand und drückte das Kreuz durch. Sie zeigte all den Männern etwas, das die meisten von ihnen noch nie zu Gesicht bekommen hatten. Wie gerne sie das Gesicht in Mariangelas Hintern vergraben hätten, lässt sich hier kaum in Worten wiedergeben.
Dann fasste sich Ritter Kuno ein Herz und schickte die Männer hinaus. Seine deutschen Freunde waren ihm dabei behilflich. Sie hatten ihre sexuelle Neugier gestillt, wenn auch nur visuell, und das Schlafgemach leerte sich rasch.
Lustvoll rieb sich Ritter Kuno, mittlerweile selber entkleidet, an seiner Moglie, seiner Ehefrau. Er betastete ihren Körper, liess keine Falte, keine Ritze aus und küsste die Begehrte innig. Kurz bevor er in sie eindrang, bedeckte er Mariangelas Hals mit kleinen Küssen. Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um sich ihm ganz hingeben zu können.
Da sah Ritter Kuno die Lymphknotenschwellungen. Mariangela hatte ihre an der Beulenpest verstorbene Mutter zu hingebungsvoll gepflegt.
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