Marionnahs Zeit

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Marionnahs Zeit

Marionnahs Zeit

Anita Isiris

Nach dieser Rede war es eine Weile lang still – die andern vier kleinen Männer starrten betreten vor sich hin. Der Professor trat ans Bett, an das Marionnah noch immer gefesselt war, und band sie los. „Du sollst haben, was Du benötigst, mein kleines Retortenwunder“, richtete er eine kleine Ansprache an Lille Per. Schau Dir die junge Frau hier gut an. Gefällt sie Dir? Magst Du ihre Birnentitten? Appetitlich, nicht? Jaaah, und das Fötzchen erst. Es ist noch nicht lange her, dass ich sie gebumst habe, an einem offenen Fenster, halböffentlich sozusagen... ihre enge Muschi ist ein wahrer Traum. Sie ihre seelenvollen Augen, Lille Per, seht ihren langen, feinen Hals, ihr andern, bewundert ihre Schlüsselbeine! Vor Euch liegt das Ultrafiltrat einer Frau, das Wesen aller Wesen, Marionnah, das Biotop der kollektiven männlichen Lust!
Ich werde sie jetzt leiden lassen, so, dass die Seele aus ihr herauskullert wie eine Murmel, Marionnahs leuchtende Seele zu Füssen von Euch fünf kleinwüchsigen Retortenmännchen!

Marionnah verstand vermutlich kein Wort. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht und sah mich mit verträumtem Lächeln an. Offenbar befand sie sich in einer Phase, in der einem alles egal ist. Es ist die Phase, nach der Frau geliebt wurde, heiß geliebt, möglicherweise duch die leckende Zunge, den kühlenden Speichel einer andern Frau.

Benommen setzte sie sich an den Bettrand. Dann erst fiel mir auf, dass ausser mir nur noch Lille Per und der Professor im Raum waren. Dafür stand eine Seitentür offen, die mir bisher noch gar nicht aufgefallen war. Durch diese Tür rollten die vier kleinen Männer, Lille Pers Freunde, einen blau bezogenen Untersuchungstisch herein. An dessen Seite befand sich an einem Metallarm ein komplexes Gerät mit ein paar Potentiometern, Digital- und Analoganzeigen. Vier Kabel machten mir schlagartig klar, worum es ging. Am Ende eines jeden Kabels, das wiederum mit dem Gerät verbunden war, befand sich eine Elektrode, blau und rot markiert, wie sich das gehört.

Mir fiel auf, dass der Professor zitterte. War er noch bei Sinnen? Was ging da ab? „Ihr werdet doch nicht...“, protestierte ich. Ein kurzes Kopfnicken des Professors genügte, und die vier kleinen Männer stürzten sich auf mich. Lille Per hielt sich im Hintergrund. Die Kleinen waren schwerer als angenommen, und ich ging in die Knie. Blitzschnell befestigten sie Metallklammern an meinen Hand- und Fussgelenken, Metallklammern, an denen Ketten befestigt waren. Die Ketten waren in die Wand hinter mir eingelassen; es hatte keinen Sinn, wenn ich mich wehrte. Die Klammern schnitten nur tiefer in mein Fleisch ein. Zu allem Überfluss steckten sie mir noch ein Stofftuch in den Mund – vermutlich, um mir beim Protestieren nicht zuhören zu müssen. Meine Schläfen pulsierten, meine anfängliche Erregung wich unsäglichem Zorn. Noch immer war ich nackt, und sie konnten mich nach Lust und Laune betrachten, die Schweine um mich herum. Ein Zwerg war gar so frech, mich an der Muschi zu kitzeln, trotz der Zornesröte in meinem Gesicht.

Nein, das hatte Marionnah nicht verdient, keinesfalls. Ein Elektroschock würde bei ihr möglicherweise bleibende Schäden hinterlassen, und das alles nur, damit sich die fünf Zwerge und ihr Professor einen weiteren Thrill besorgen konnten. Wie weit war diese Situation doch entfernt vom harmlosen Boules-Spiel, dem wir am frühen Abend noch verfallen gewesen waren! Meine zeitliche Orientierung hatte sich nun vollkommen im Nichts verloren – der Raum war in uniformem Orange-gelb beleuchtet; keine einzigen Anzeichen auf Tages- oder Nachtzeit fanden sich.

Marionnas Körper, der doch eigentlich nichts als zärtliche Liebe verdient hatte! Wie eine Pflanze kam sie mir vor, eine Lotusblüte, der man nichts, gar nichts anhaben durfte! Ihre Wangen waren leicht gerötet; links und rechts von ihr sass einer der Kleinwüchsigen, und sie streichelten andächtig Marionnahs Knie und ihre Oberschenkel. Hatten die Typen denn noch nie eine Frau gesehen?

Der Professor streckte ihr die Hand entgegen, mit höflicher Geste, und einmal mehr war Marionnah hypnotisiert von ihm und folgte ihm zum Untersuchungstisch. Sie legte sich hin, zog die Beine an. Aus meiner Perspektive war sie wunderschön. Das Seitenprofil ihres Gesichts; das dichte schwarze Haar! Marionnahs Riesenbusen, der sich hob und senkte, im selben Rhythmus wie ihr Bauch. Marionnahs Venushügel... ihre Füsse... sie tat mir so unendlich leid.

„Ihr macht das jetzt einfach so, wie ich es Euch an der Silikonpuppe gezeigt habe“, befahl der Professor. Einer der kleinen Männer goss Flüssigkeit in ein Metallgefäss und stellte dieses auf den Bunsenbrenner, der sich auf einem Schiebetisch befand. Mit einem Pinselchen rührte der Kleine in der Flüssigkeit und bestrich damit Marionnahs Geschlecht. Sie bäumte sich auf. „Ihr müsst sie festmachen“, sagte der Professor. Marionnahs Extremitäten wurden an dafür vorgesehenen Halterungen fixiert. Nun lag sie also da, mit weit gespreizten Beinen, und harrte der Dinge, die da auf sie zu kommen sollten. Der Kleinwüchsige, der soeben noch den Pinsel in der Hand gehalten hatte, träufelte Öl auf Marionnahs Muschi. „Ich will eine ganz saubere Rasur“, sagte Professor Brenner. „Lille Per soll das machen.“

Das liess sich dieser nicht zwei Mal sagen. Er erklomm die kleine Holztreppe, die seitlich am Untersuchungstisch stand, und liess sich von einem seiner Kollegen einen Rasierer reichen. Sorgfältig schabte er Marionnahs Intimbereich blitzsauber; da war nur noch feuchtes Glänzen und die eleganten Konturen der Schamlippen meiner Freundin. „So macht es Spass“, lobte der Professor. „Die Elektroden bringe ich aber selber an.“ Da waren zwei feine, mit Stoff umhüllte Klammern. Der Professor fixierte sie an Marionnahs Labien und lächelte den Zwergen befriedigt zu. Die andern beiden Kabel befestigte er an Marionnahs Nippeln, die er zuvor ausgiebig mit einer Leitpaste massierte.

Die Wölbung in seiner Hose war nicht zu übersehen. Marionnah schwante jetzt auch, was sie mit ihr vorhatten, und sie sah flehend, wie mir schien, zu mir herüber. Ich aber war vollkommen wehrlos. „Arschlöcher!“, schrie ich, aber zu hören war nur ein „mmmmpfh!“.

Der Professor rückte sein Hemd zurecht. „Nehmt nun Platz, Ihr Kleinen!“, sagte er und legte eine schwarze Latexbinde um Marionnahs Augen. Ich kam mir vor wie im allerdüstersten Sado-Maso-Streifen – als unfreiwillige Statistin. Die fünf kleinen Männer sassen jetzt auf einer Art Barhockern, die mir vorher auch nicht aufgefallen waren. Man konnte sie über ein Gewinde hochschrauben – je nachdem, was man alles sehen wollte. „Marionnah wird jetzt einen sehr starken Stromstoss bekommen“, sagte der Professor mit rauer Stimme. „Sie wird sich aufbäumen und danach in sich zusammensinken. Mehr nicht. Auch ein Urinabgang ist möglich.“

Emotionslos, so, als handelte es sich um eine Vorlesung, dozierte der Mann und genoss sichtlich seine uneingeschränkte Macht über Marionnahs Körper. Die fünf Zwerge sassen und glotzen – ab und an starrte einer zu mir herüber. Die konnten wohl wirklich nicht genug bekommen von zwei nackten Frauenkörpern – und ich wagte mir gar nicht auszumalen, was mir noch alles bevorstand.

„Bevor es losgeht, dafrst Du sie noch ein wenig kitzeln, Lille Per.“ So, als handle es sich dabei um ein Szepter, überreichte er Lille Per einen feinen Pinsel. Lille Per stellte sich ans Fussende, dorthin, wo er einen perfekten Blick zwischen Marionnahs Schenkel hatte, und kitzelte ihre Fusssohlen. „Ah nein, bitte nicht“, kicherte Marionnah, aber der Kleine liess nicht von ihr ab. Marionnah wand sich und vergass für eine gute Weile sogar, was ihr als nächstes bevorstand.

Der Professor legte den Stromschalter auf „on“ um und machte sich an den Drehreglern zu schaffen. Nichts tat sich. Marionnah lag entspannt auf dem Schragen, nachdem Lille Per mit dem Kitzeln inne gehalten hatte.

Dann stürzte Brenner zu Boden, als sei er vom Blitz getroffen worden. Seine Augen traten fast aus den Höhlen. Der Krampf dauerte nicht lange. Der Mann bäumte sich auf und schnellte mit aller Wucht gegen das Bett, auf dem Marionnah von mir geleckt worden war.

Wie Schuppen fiel es mir vor den Augen. Brenners Tochter Rahel hatte mir beim Kaffee einmal von der Temporallappenepilepsie ihres Vaters erzählt. Erst einmal war es bei ihm zu einem Grand-Mal-Anfall gekommen; damals war er Anfang zwanzig und hatte gerade sein Medizinstudium aufgenommen.

Die Zwerge starrten, als gefriere ihnen das Blut in den Adern. Sie verharrten regungslos; alle Farbe war aus ihren Gesichtern gewichen. „Was ist denn nur los?“, fragte Marionnah leise.

„Es sieht aus, als wärst Du soeben vor etwas ganz Schlimmem bewahrt geblieben“, sagte ich – unterdessen hatte ich dank beachtlicher Zungenakrobatik den Stofffetzen aus meinem Mund schieben können.

An des Professors Hose zeigte sich ein grosser dunkler Fleck.

„Auch ein Urinabgang ist möglich“, sagte ich tonlos und zerrte an meinen Fesseln.

Dann geschah etwas Bizarres. Die beiden Kleinwüchsigen, die links von Lille Per und die zwei, die rechts von ihm sassen, wirkten als wären sie aus Wachs. Endlich wusste ich, warum die Kerle so seltsam anmuteten. Es war nicht ihre Körpergrösse, die mich irritierte, nein, keineswegs, ich kann mir auch Sex mit einem Kleinwüchsigen durchaus vorstellen. Die kleinen Männer glichen sich aufs Haar. Ich schaltete blitzschnell. Es waren Klone. Professor Brenner hatte Lille Per geklont!

Der Mann hatte sich damit eines Verbrechens schuldig gemacht, das möglicherweise grössere Ausmasse hatte, als ich im Moment annehmen konnte. Das nährte meine Wut auf ihn. Er experimentierte in seinem Keller mit Menschen – oder zumindest mit menschenähnlichen Kreaturen.

Dann stockte mir der Atem. Die vier kleinen Männer fielen auseinander. Bei einem löste sich eine Hand, beim andern schrumpfte die Nase. Bei einem weiteren fiel ein Bein zu Boden – es war, als seien die Kleinen nicht aus Wachs gefertigt, sondern aus sprödem Gips, der die Form nicht mehr halten konnte. Nur Lille Per blieb, wie er war, regungslos zwar, aber intakt.

Noch etwas beurteilte ich aus meiner Warte, noch immer gefesselt: Professor Brenner war entweder bewusstlos oder tot. Ich hoffte auf Letzteres – gleichzeitig durchfuhr mich ein neuer Schock: Wie würden wir ohne ihn aus dem Keller herausfinden – gesetzt den Fall, dass Marionnah und ich uns befreien konnten? Wir waren auf Gedeih und Verderb Lille Per ausgeliefert! Hatte er einen Schlüssel? Hatte dieser Mann jemals ausserhalb des Kellers gelebt, in dem wir uns im Moment befanden? War er wirklich der Fleisch gewordene Protagonist einer meiner Erzählungen – oder jemand ganz anderes?

Dann kam Bewegung in den Raum. Marionnah hatte es geschafft, ihre linke Hand zu befreien, und sie löste mit entsprechenden Verrenkungen auch ihre andern Extremitäten aus den Klammern. Lille Per verfolgte fasziniert jede ihrer Bewegungen. Er geilte sich an der glattrasierten Marionnah mit ihren wegen der Leitpaste glänzenden Nippeln auf – ungeachtet der Umstände. Ungeachtet seines sterbenden Chefs. Ungeachtet seiner zu nichts zerfallenden Komplizen. Mich würdigte er keines Blickes, was mich allerdings nicht störte, sondern eher erleichterte. Sexuell war er ausschliesslich auf Marionnah fixiert, wie es schien. Mich hatte er ja bereits gehabt. Ich konnte mir bereits nicht mehr vorstellen, dass ich mich bereitwillig von ihm hatte befummeln lassen – und mehr.
Dann marterte ein weiterer Gedanke mein Hirn. Professor Brenners Familie! War seine Frau wirklich im Jura? Sogleich stellte sich bei mir ein schlechtes Gewissen ein, weil ich sie in Gedanken diesen imaginären Freunden ausgeliefert hatte. Wo, um Gottes Willen, befand sich Rahel, die Tochter? Oder steckte die Familie gar unter einer Decke? War die Party nur inszeniert worden, damit Papa Brenner sich mit ein paar hübschen jungen Frauen in seinen Gruselkeller zurückziehen konnte? Was war mit der Silikonpuppe, die Professor Brenner den Kleinwüchsigen gegenüber erwähnt hatte? Was genau hatten sie an ihr geübt?

Intuitiv wusste ich: Da gab es ein schreckliches Geheimnis – ganz in der Nähe. Wollte ich aus dem Keller fliehen, musste ich mich diesem Geheimnis stellen – und Marionnah mit mir. Mittlerweile sass sie am Rand des Untersuchungstisches und liess die Beine baumeln. Ihre Nacktheit schien sie nicht zu stören – Marionnah spielte verträumt an ihren Brustwarzen! Hatte man einem der Drinks, die sie im Laufe des Abends zu sich genommen hatte, Drogen beigemischt?

Dann vernahm ich ein Röcheln. Professor Brenner wiederholte stets ein und denselben Satz. Ich verstand ihn nicht. Marionnah beachtete ihn nicht, die blöde Kuh! „Wrnöchstür“, gurgelte er. „Wrnöchstür“. Dann sah ich den Satz scharf vor mir. „Die nächste Tür!“ Das war alles. Das Gurgeln wurde leiser, und Professor Brenner verschied.

Es kam, wie es kommen musste. Lille Per kletterte zu Marionnah auf den Untersuchungstisch und machte sich über sie her. Marionnah liess sich alles gefallen. Lille Per knetete ihre Brüste, tätschelte ihren Bauch, als sei sie ein Stück Vieh, und massierte ihre Schamlippen. Mir wurde schlecht vor Wut. Was war denn bloss mit meiner Freundin los? Da gab die Fixation in der Wand hinter mir nach; mein rechtes Bein war frei! Ich stiess mich an der Wand ab. Egal wie sehr das schmerzte: Ich musste hier einfach loskommen. Lille Per war durch Marionnah abgelenkt, Professor Brenner war mausetot, die vier Kleinwüchsigen - oder was von ihnen übrig war - lag verstreut am Boden.

Die nächste Tür! Nackt, wie ich war, stürzte ich aus dem Raum. Hinter mir vernahm ich lustvolles Grunzen und Marionnahs korrespondierendes rhythmisches Stöhnen und Keuchen. Er hatte es geschafft, der kleine Kerl. Er vögelte Marionnah. Sollte er doch, das Arschloch!

Ich erinnerte mich sofort an den gespenstischen Korridor. Mit der „nächsten Tür“ konnte aber nur eine einzige gemeint sein: Es war die dicke Betontür eines Luftschutzkellers, die mit drei Metallhebeln versehen war. Die Tür war aber nur angelehnt. Vor Aufregung verliessen mich beinahe die Kräfte. Ich wollte einfach raus – egal, wer mich nackt antraf, egal, zu welchen Verhören ich beigezogen werden würde – ich wollte nur eins: LEBEN!

Dann griff eine eisige Hand an mein Herz. Ich betrat einen kleinen Raum, der spärlich beleuchtet war. Das erste, was mir auffiel, war ein flammend roter Schamhaarbusch. Die Labien selbst waren sorgfältig rasiert; die Vulva dicht behaart. Dieser Busch gehörte Rahels Mutter und Professor Brenners Gattin! Sie lag auf einem mit grüner Seide ausgelegten Bett und wirkte, als ob sie schliefe. Julia aber war tot. Was mich erstaunte, war, dass mir kein Verwesungsgeruch in die Nase stach. Die Leiche musste frisch sein. Ihr Haar war gekämmt, ihre Lippen waren geschminkt. Julias wundervoll geschwungenen Brüste wirkten frisch wie kleine Brötchen. Ich war zwischen Ekel und Faszination hin- und her gerissen. Dann sah ich den dicken Ordner. Ich blätterte mich durch Reihen von chemischen Formeln, Biochemie, von Succinatsemialdehyddehydrogenase war da die Rede, von Alkenen und Alkanen, und von Silikon. Darunter konnte ich mir etwas vorstellen. Silikon wurde seit Jahren als der Werkstoff der Zukunft gepriesen. Silikon wurde in der Wirbelsäulenchirurgie genau so erfolgreich eingesetzt wie in der plastischen Chirurgie und bei industriellen Fertigungen. Silikon würde es also auch ermöglichen, schöne Frauen zu konservieren und nach Belieben für sexuelle Praktiken zu verwenden - ein potenzielles Milliardengeschäft.

Ein Blick auf eine feine, kaum sichtbare Narbe an Julias Bauch bestätigte meine Gedanken. Ich kombinierte. Ein Wort flammte in meinem Gehirn auf, ein Wort, das der Professor an die Kleinwüchsigen gerichtet hatte. „Ihr macht das jetzt einfach so, wie ich es Euch an der Silikonpuppe gezeigt habe.“

Es war ungeheuerlich, aber nicht von der Hand zu weisen. Der Professor benutzte den Körper seiner Frau als Modell, um seine Klone in sexueller Hinsicht zu konditionieren! Er hatte Julia vor den Augen der kleinen Männer rasiert – und auch sonst noch alles Mögliche mit ihr getan! Ich wollte nicht darüber nachdenken. Hatte Brenner seine Gattin ausgeweidet und den Körper mit Silikon gefüllt? Waren ihm dabei seine fundierten Kenntnisse der menschlichen Anatomie entgegen gekommen? War es wegen der Silikonfüllung zur Narbe gekommen? Hatte man ihr gezielt Organe entnommen und diese weitergegeben, nach Katar, Abu Dhabi oder so? Hatte Professor Brenner Julias Haut so präpariert, dass sie dauerhaft erhalten blieb? Julias schöne, milchigweisse Haut, die sie auch Tochter Rahel weiter gegeben hatte?

Mein Blick fiel auf einen Schlüssel, der auf einem metallenen Beistelltisch lag. Es handelte sich um einen grossen Schlüssel, eine Schlüssel, der nach Freiheit roch. Ich hörte lautes Schreien. Es war die Stimme von Lille Per! Ich war hin- und her gerissen. Sollte ich mich vom Fluchtgedanken leiten lassen oder noch einmal zurückkehren und auch Marionnah retten?

Ich entschied mich für Letzteres. Ich kehrte zurück in den Keller, raffte meine Kleider zusammen und traute meinen Augen nicht. Marionnah war in der Zwischenzeit zu sich gekommen; die Drogen hatten ihre Halbwertszeit erreicht. Marionnah hatte Lille Per am Untersuchungstisch fixiert, auf dem sie selbst gerade noch gelegen hatte, und an Lille Pers senkrecht aufgerichtetem Schwanz waren die vier Elektroden befestigt, mit deren Hilfe Marionnah hätte gepeinigt werden sollen.

„Ich habe die Drehregler bis zum Anschlag aufgedreht“, rief mir Marionnah triumphierend zu. Lille Pers Körper wurde von einem Krampf zum nächsten geworfen, so, als wäre er vom Exorzisten besessen.

„Nichts wie weg hier“, sagte ich und zog Marionnah hinter mir her aus dem Keller. Beinahe wäre sie über den Kadaver des Herrn Professor Julius Martin Brenner gestolpert.

„Ich bin nackt“, sagte sie. „Egal – es geht um unser Leben.“

Ich wusste ja nicht, wer sonst noch alles ins dubiose Silikonbusiness involviert war – und ich wollte bloss noch raus hier! Ohne Zwischenfälle gelangten wir zur Kellertreppe, ich schloss die Tür auf und wir traten ins Freie.

Die Sonne schien, der Park schlummerte vor sich hin und nichts deutete darauf hin, dass hier vor kurzem noch eine Party stattgefunden hatte... mit einer Ausnahme. Der Pool war mit orange-weissen Folien abgesperrt. Sie hatten Rahel gefunden. Vermutlich hatte sie das Wissen um die Aktivitäten ihres Vaters nicht länger ertragen.

Was mir endgültig den Rest gab und meine Freude an der neu gewonnenen Freiheit in Nichts auflöste, war aber Folgendes: Marionnah neben mir hatte um Jahre gealtert. Ihr ehemals glänzendes, dichtes schwarzes Haar hatte graue Strähnen und war dünner geworden. Ihre von Leben sprühenden Birnenbrüste hatten deutlich an Volumen verloren. Marionnahs Unterschenkel wiesen Krampfadern auf.

Als ich sie vor Jahren kennenlgelernt hatte, war sie eine hübsche, aufgeschlossene, intelligente, warmherzige und vor allem lebenslustige Frau gewesen

Nun war alles Leben aus ihr gewichen. Die Erlebnisse im Keller hatten sie stark mitgenommen. Marionnah erholte sich nie mehr. Sie legte an Gewicht zu, litt später an einem Burnout-Syndrom und hatte jeden Sinn für geschmackvolle Kleidung verloren. Sie trug den ganzen Tag Pijama, und wenn sie sich bückte,sah man ihre Pospalte. Sie war TV-süchtig, hatte schon am Morgen Ringe unter den Augen.

Wer aber ganz genau hinsah, erkannte es noch immer: Das geheimnisvolle Leuchten in diesen umringten Augen, ein Leuchten wie das eines Fixsterns, ein Leuchten, das sagen wollte: Es ist noch nicht vorbei, Baby. Es ist nie vorbei.


ENDE

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