Massenschlägerei

2 3-6 Minuten 0 Kommentare
Massenschlägerei

Massenschlägerei

HARO

Mindestens ein Dutzend gebrochene Nasen, eine nicht verifizierbare Zahl ausgeschlagener Zähne und Veilchen, zwei Kinnfrakturen, ein Schädel-Hirn-Trauma und eine ausgehängte Schulter. Das ist die vorläufige Bilanz der HEEL-PARADE. Die Polizei hat 10 Personen festgenommen, neun Strafuntersuchungen wegen schwerer Körperverletzung eröffnet und ermittelt in einem Fall wegen versuchter Tötung. Die Trucker-Bar „Gib ihm“ ist vorübergehend geschlossen worden. Der Wirt ist noch immer flüchtig. Dabei hat alles so harmlos begonnen. Schweini, Rüsselnase und Hammerklavier spielten wie jeden Abend Dart in der Bar vis-à-vis dem Städtischen Schlachthof. Ihre Achtundvierzigtönner, jeder ein schrill bemalter Brontosaurus der Landstrasse, standen mit noch warmen Motoren draussen und wiederkäuten mit genüsslichem Ächzen die Kilometertagesleistung. Schweini hatte sich zuerst darüber aufgeregt: Die Wurfpfeile blieben nicht stecken in der Dartscheibe; stattdessen prallten sie ab wie Pfannkuchen. – „Die Dinger sind nicht mehr scharf, die sind stumpf wie der Schlitz meiner Grossmutter“, lamentierte Schweini. „Wirt, bring neue Harpunen.“ – „Hab keine“, grummelte der Angesprochene. „Gibt’s doch nicht“, grölte Hammerklavier, und die wortkarge Rüsselnase warf zur Unterstreichung des Gesagten einen Barhocker Richtung Dartscheibe, der aber auch nicht stecken blieb und einfach in mehrere Teile zerbrach. Wegen des Krachs, den der jetzt unter ihrem Hintern fehlende Barhocker verursacht hatte, wachte Girlie, die Nutte, aus ihren ereignislosen Zweikommafünf-Promille-Träumen auf, hob den Kopf vom Tresen und sagte mit noch geschlossenen Augen: „Pimmel reinhängen 100 Euro, mit Extra nochmals 100. Klar Baby!“ Dann fiel Girlie zu Boden und entschwand wieder ins Zweikommafünf-Promille-Dreamland. Das Geklirre von Girlies unzähligen Arm- und Knöchelreifen erregte die Aufmerksamkeit von Schweini. „Halt, ich hab’s“, warf er in die Dart-Runde. Schweini zog Girlie grunzend die Highheels aus und brach die Metallic-Absätze ab als wär’s Zwieback. „So, das geht“, sagte Schweini und warf den ersten Heel. Er blieb stecken in der Dartscheibe. Die wortkarge Rüsselnase brach ganz ungewohnt ihr Schweigen und erst noch mit einem Fremdwort: „Genial!“ Hammerklavier warf den zweiten Heel. Auch er blieb stecken. Das Heelwerfen ging weiter und die Ruhe kehrte wieder ein in der „Gib ihm“-Bar. Sie dauerte aber nur so lange, bis Girlie an die Zehen fror und mit den Worten aufwachte: „Pimmel reinhängen 100 Euro, mit Extra nochmals 100. Klar Baby!“ Girlie klappte ihre Teppichfransen-Wimpern auseinander wie ein Nachtfalter seine Flügel und rastete mit Blick auf ihre nackten Füsse aus: „Welcher Perverse hat meine Schuhe geklaut. In mich sollt ihr euere Pimmel reinstecken, nicht in meine Latschen, ihr Konfirmanten-Schnösel. Girlie krallte sich den schwulen Barkeeper und zeterte weiter: „Was, mit Schuhen von anständigen Damen treibst du’s auch noch. Hundert Euro und die Kosten für die nachträgliche Imprägnierung extra, du Schwuchtel.“ Girlie stieg in ihre hackenlosen Schuhe und balancierte zur Dart-Runde. „Ihr versauten, impotenten LKW-Bubis, gebt mir meine Hacken wieder oder ich mach euch zu Hackfleisch.“ – „Beruhige dich, Girlie, wir kaufen dir neue, noch viel schönere Schuhchen“, säuselte Schweini. „Ich will aber zwei Paar“, beharrte Girlie. „Kriegst zwei Paar, versprochen“, maulte Hammerklavier dazwischen und dachte an die Ladung Hongkong-Highheels, die er draussen in seinem Lastkahn hatte. Ob da zwei Paar fehlen, merkt doch keiner. „Ich kauf sie dir Morgen. Und dann machen wir ein Fest hier, eine HEEL-PARADE“, röhrte Hammerklavier. „Ihr wisst nicht, wie das geht? Ich sag’s euch.“ Hammerklavier begann zu dozieren. Viele Tussis müssten auf den Platz, alle in Highheels natürlich. Dann würde über den Tresen ein Tuch gehängt. Ein Spalt bleibe offen, so dass man nur die Heels der Tussis sähe, die über den Tresen defilierten. Das sei eine HEEL-PARADE made USA. Die Damen würden einzeln eine Kür laufen und könnten danach ein freies Trippelprogramm gestalten. Auf die Schuhe jeder Tussi klebe man eine Nummer und die Saufköpfe in der Bar würden die Auftritte entsprechend den Nummern jurieren. „Mach ich mit, gewinne ich sowieso“, grölte Girlie dazwischen, „auch mit zweikommafünf Promillen in der Birne bin ich die HEEL-PARADE-Queen! Aber die neuen Heels müssen her, Hammerklavier, sonst kapp ich dir alle Saiten einzeln.“ – „Claro, aber bring auch deine ganzen versifften Wachteln mit und alle auf super hohen Stöckeln. Soll ich’s dir aufschreiben oder kannst du es dir auch so merken?“ – Aus so geringem Anlass ist schliesslich die wüste Massenschlägerei entbrannt. Das kam so: Girlie hat neun Kolleginnen mitgebracht und von Hammerklavier auch die zwei neuen Paare Heels erhalten. Ein Paar hatte sogar illuminierbare Hacken. Das andere gab Töne von sich. Die Trägerin musste etwas aufstampfen, dann klang es aus einer Mini-Spieldose: „Sexy, sexy, sexy...“ Aber so harmlos war die HEEL-PARADE in der „Gib ihm“-Bar denn doch nicht. Schweini, Hammerklavier und die wortkarge Rüsselnase hatten sich da etwas ausgedacht, das ins Auge gehen musste. Mit Girlie und ihren neun Wachteln wurden zehn Stöckeldamen ins Rennen geschickt. Ohne dass es den Damen zur Kenntnis gebracht worden wäre, mixte das verruchte Dart-Trio den schwulen Barkeeper mit der Nummer sechs in die Parade. Die Saufköpfe in der „Gib ihm“-Bar hatten dann klammheimlich untereinander abgesprochen, dass Nummer Sechs Champion werde. So kam es auch. Girlie und ihre Kolleginnen drehten augenblicklich durch. Sie stürzten sich auf die hinterhältigen Trucker und vermöbelten sie nach allen Regeln der Kunst. Girlie nahm sich durch das Zweikommafünf-Promille-Level besonders motiviert den HEEL-PARADE-Champion, den schwulen Barkeeper, vor. Der liegt jetzt mit einem Schädel-Hirn-Trauma auf der Intensivstation im Komma. Die Ärzte sind besorgt um seinen Zustand. Zum Wirt der „Gib ihm“-Bar ist zu sagen, dass er die Veranstaltung hätte behördlich anmelden und genehmigen lassen müssen, wegen der Vergnügungssteuer. Er ist getürmt, weil er nun ein Steuerverfahren am Hals hat.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2358

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben