In ihrer Villa angekommen, wies Megan Matilda ihr Zimmer zu und sie in das Haus ein, in dem sie nun ihre Dienste versehen sollte. Das tat sie gut und bald wesentlich weniger von Ängsten vor einem Missgeschick geplagt, nachdem Megan sich als nachhaltig freundlich erwies. Die war bald offen und direkt zu Matilda. Sie suche eine Gesellschaftsdame und Sekretärin, eine, die ihr in ihren persönlichen und geschäftlichen Dingen zur Hand ginge, eine, auf die sie sich verlassen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Matilda in dem neuen großen Haus gerade in ihre Rolle als Dienstmädchen eingefunden und erschrak angesichts solcher Herausforderungen. „Das kann ich nicht!“, protestierte sie sofort. „Unsinn!“, wischte Megan ihre Bedenken beiseite. „Du bist klug! Probiere einfach aus, was ich dir übertrage, dann sehen wir weiter.“ Matilda hatte Angst vor diesen neuen Aufgaben und gleichzeitig fühlte sie sich stärker als je zuvor, weil Megan ihr das einfach zutraute. Megan, die sie ansprach wie eine Kollegin, nein, mehr und mehr unverblümt wie eine Freundin! Und Matilda nannte sie nach wie vor Mrs oder Madam, wiewohl Megan ihr schon mehrmals angeboten hatte, sie beim Vornamen zu nennen. Das alles lag trotz des formellen Unterordnungsverhältnisses weitab jeglicher Form von Bedrängung oder Zumutung. Megan hatte Matilda ermutigt, ihre Sehnsüchte als etwas anzunehmen, das ihr auch zustand, fernab von gesellschaftlichem Stand und ... ja, ihrem Geschlecht. Megan war ein Vorbild, sie lebte ein Leben, in dem sie eine Beschränkung aufgrund ihrer Weiblichkeit nicht akzeptierte. Das war natürlich einfach, weil sie über beträchtliche finanzielle Mittel verfügte. Aber Matilda war sich sicher, Megan wäre nicht viel anders, wäre sie nur eine Wäscherin oder Putzfrau.
Megan gehörte seit jeher zu den besseren Kreisen, nur war ihre engere Familie zunächst nicht allzu vermögend. Das hatte Megan nie belastet, sie neigte mehr dem lebenslustigen kulturellen Treiben im Umfeld von Theater, Musik und natürlichen guten Restaurants zu. Es waren die wilden 1920er Jahre nach dem entsetzlichen Weltkrieg, in dem sie als junge Frau als Krankenschwester in Frankreich unzählige Menschen hatte sterben sehen. So manchen in ihren Armen. Und auch sie selbst wurde verletzt, verwundet an Leib und Seele. Gegen die Depression wehrte sich ihre junge Seele mit einem wilden Mut in der Gefahr und der ungebändigten Lebensfreude nach ihrer Genesung und dem Ende des Tötens. Da kam ihr zugute, dass überraschende Todesfälle in der weiteren Verwandtschaft ihr plötzlich große finanzielle Mittel verschafften. Ihre Anteile an den Ländereien und Betrieben gedachte sie nicht aktiv zu nutzen, sondern überließ den Haupteignern freie Hand, was deren Entsetzten nach einer Phase des Misstrauens besänftigte.
Megan wurde also keine verkniffene, erfolgsorientierte Managerin, sondern eine Lebedame im wilden Taumel von Charleston und Jitterbug.
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Diese Geschichte ist gewidmet Kerry Greenwood. Für ihre grandiose Geschichte über selbstbestimmte Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts, gleichermaßen humorvoll wie tiefgründig, und Essie Davies und Ashleigh Cummings für ihre kongeniale Verkörperung dieser Figuren
Megan und Matilda – Erwachen
Geschichten vom Anfang der Sinnlichkeit
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Schöne Gefühle
schreibt Lulu