Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 13

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Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 13

Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 13

Gero Hard

Kapitel 13

Am kommenden Wochenende kommt uns Fips besuchen. Als es an der Haustür klingelt, geht Svea zum Öffnen hin. Mit weiten Augen starrt er auf den prallen Bauch meiner Verlobten – bald Frau, die lachend vor ihm steht, ihre Hände schützend um ihren Bauch gelegt. Aus dem Stauen kommt er nicht mehr heraus, als ich ohne Rollstuhl auf den Flur komme und er mich auf meinen eigenen Beinen stehen sieht.

„Das habe ich alles meiner wunderbaren Svea zu verdanken“, sage ich ihm, als wir uns zur Begrüßung herzen.

„Ich sehe schon, es gibt viel zu erzählen“, antwortet er.

Etwas hinter Fips steht eine junge Frau in Fips‘ Alter. Er hat seine wirklich süße, zierliche Freundin mitgebracht. Jasmin heißt die Kleine, die er in der Uni kennen- und lieben gelernt hat. Wir begrüßen sie, als würden wir sie schon ewig kennen. Schnell einigen wir uns auf ein vertrautes „Du“. Jasmin zu beschreiben ist leicht.

Liebe Leser, stellt euch einfach eine zierlich schlanke, etwa 1,65m große Frau vor, die einen verdammt kleinen Hintern, kleine feste Brüste, schmale Schultern, ein zierliches Gesicht und schulterlange brünette Haare hat. Fast etwas zerbrechlich wirkt sie, aber durchtrainiert und sportlich.

All diese Attribute bedeckt sie mit einem kurzen Jeansrock und einem lässigen Poloshirt, unter dem sich kein BH abzeichnet, wie ihre hervorstehenden Spitzen verraten. (Kopfkino aus!)

Klar, wir hatten zwischendurch immer mal wieder telefoniert oder uns WhatsApp-Nachrichten geschickt. Er wusste also, dass Svea und ich mittlerweile ein Paar sind. Das wir beide bald Eltern sein würden, davon wusste er allerdings nichts. Und er? Der Schlingel hat uns vorher nichts von seiner Jasmin verraten. 1 zu 1 unentschieden.

Bei Kaffee und Kuchen bringen wir uns gegenseitig auf den neusten Stand. Seit 6 Monaten ist Fips mit der süßen Maus zusammen, die den gleichen Studiengang wie Fips gewählt hat. Ihr Studium ist anspruchsvoll, läuft aber soweit ganz passabel. Schließlich ergänzen sich die beiden großartig. Dass sie sich lieben sieht man deutlich. Händchenhaltend sitzen sie dicht nebeneinander auf der Couch und werfen sich oft verliebte Blicke zu.

Natürlich mussten wir erzählen, seit wann ich wieder gehen kann, wie wir das geschafft haben, unsere Besuche in Schweden und unser Urlaub. Es war ein kurzweiliger Nachmittag. Fröhlich und ausgelassen, an dem wir viel gelacht haben. Jasmin wollte alles von Svea bezüglich der Schwangerschaft wissen. Von wegen Morgenübelkeit, wie sich das alles anfühlt, und und und. Auch das Thema Sex kam zur Sprache. Heutzutage ist das längst kein Tabuthema mehr und geht damit geht damit viel lockerer um, als noch vor 10 Jahren. Svea und ich sind da sehr entspannt und aufgeschlossen. Es ist uns auch nicht sonderlich peinlich, bereitwillig Auskunft zu erteilen. Das Video der Ultraschalluntersuchungen ist das Highlight des Tages.

Wie die meisten kurzweiligen Tage, fliegt auch dieser an uns allen vorüber. Fips und Jasmin haben abends noch eine Einladung zu einer Geburtstagsparty, so dass von vornherein klar ist, dass sie uns spätestens gegen 19 Uhr verlassen werden. Deshalb nutzten Svea und ich während des Abendessens die Gelegenheit, um unsere Hochzeit anzusprechen. Es ist mir ein Herzenswunsch.

„Fips, würdest du mir die Freude machen und bei unserer Hochzeit, mein Trauzeuge zu sein?“ fragte ich ihn, „bei Svea wird das ihre beste Freundin aus Schweden übernehmen, die sie seit ihrer Schulzeit kennt.“

„Finn mein Bester, es ist mir eine besondere Ehre. Gern übernehme ich den Job“, grinst er mich mit einem

Schulterklopfen an.

„Vielen Dank, die Einladungen kommen in den nächsten Tagen.“, erkläre ich.

Hinweis von Finn: Vielleicht wundert ihr euch, warum ich in meiner Geschichte nichts von meiner Familie, meinen Eltern oder eventuellen Geschwistern erzähle. Warum all diese Personen keine Rolle in meinem Leben zu spielen scheinen. Es ist schnell erklärt:

Meine Mutter hatte mich nach der Entbindung zur Adoption freigegeben, weil mein Erzeuger nichts mit ihr und einem Kind zu tun haben wollte. Ich habe also meine leiblichen Eltern nie wirklich kennengelernt. 

Und meine Adoptiveltern waren die liebevollsten Eltern, die man sich wünschen konnte. Mit grenzenloser Liebe zogen sie mich wie ihr eigenes Kind behütet auf und boten mir alle Chancen auf ein selbstständiges Leben. 

Leibliche Kinder konnte meine Adoptivmutter leider nicht bekommen, weshalb sie sich für die Adoption entschieden. Ich selbst hätte es nirgends besser treffen können. 

Doch leider wurden beide durch einen fürchterlichen Unfall aus dem Leben gerissen. Mein Vater war begeisterter Sportflieger. Eines Tages stürzten die beiden wegen eines Motorschadens über bewaldetem Gebiet ab. Ohne den Hauch einer Chance waren beide sofort tot. So zumindest hatte der Arzt versucht, mir den Verlust und meine tief empfundene Trauer etwas zu erleichtern.

Ich erzähle das auch in der Runde nach dem Essen. Auch Svea kennt diesen Teil meines Lebens noch nicht. Bisher hatte ich mich immer herausgewunden, wenn sie mich nach meinen Eltern gefragt hatte.

„Ist eine lange Geschichte, erzähle ich bei Gelegenheit mal“, war meistens meine bevorzugte Ausrede. Doch nun war es raus und ich blicke in drei betroffen dreinblickende Gesichter.

„Keine Sorge, ich bin drüber hinweg. Mein Psychologe und eine Trauergruppe haben ganze Arbeit geleistet.“ Die Stimmung ist dennoch gedrückt.

In den nächsten drei Wochen gibt es viel zu erledigen, zu organisieren und zu planen. Wir versuchen einen Hochzeitstermin innerhalb der nächsten vier Wochen bei den schwedischen Behörden zu bekommen. Dann wäre Svea am Ende des siebten, beziehungsweise am Anfang des achten Monats. Die Alternative wäre natürlich, die Hochzeit auf einen Termin nach der Geburt zu verschieben. Wir sind uns aber beide sehr einig darüber, dass wir unsere Kinder als verheiratete Eltern auf dieser Erde herzlich willkommen heißen wollen.

Alle nötigen Unterlagen hatte ich zusammen und waren bereits per Post vorab zum Amt nach Osby geschickt. Wir haben uns den 10.10.20 (weil: 10+10=20) ausgesucht und auch bekommen.

Jetzt können die Einladungen verschickt werden. Ein kleiner Kreis von Menschen, die uns besonders am Herzen liegen, sollen die Hochzeitsgesellschaft bilden. Mit meinem engen Freundeskreis, Sveas Familie und ihren Freunden, kommen wir auf 36 Personen. Lia und Lars organisieren nach unseren Wünschen und Vorgaben alles Nötige in Schweden. Und vorab: Sie haben das perfekt umgesetzt. Vielen Dank, ihr seid die besten Schwiegereltern der Welt.

Eine Woche vorher reisen wir bereits in Schweden an und werden überschwänglich begrüßt. Sveas Bauch ist DIE Attraktion. Alle wollen mal anfassen, streicheln und sehen, wie die kleinen Kinderfüßchen von innen kleine Beulen nach außen drücken. Besonders ihre kleinen Neffen und Nichten lassen sich das eindrucksvolle Schauspiel nicht entgehen.

In den Tagen vor der Hochzeit ist auch in Schweden noch viel zu tun. Ihre Familie unterstützt uns nach allen Kräften. In dieser Zeit besonders, aber auch schon bei den Besuchen vorher, lerne ich zu schätzen, was es bedeutet, eine Familie zu haben. Wertvolle Menschen, die einem die Meinung sagen, aber im Umkehrschluss auch alles für einen tun werden, ohne nach dem Hintergrund zu fragen. Familie, das ist ein unbeschreiblich starkes Band, das Menschen miteinander verbindet. Und diese Menschen will ich ständig um mich haben. Sicher auch, weil ich dieses Gefühl neu kennengelernt habe und nie wieder missen möchte. Sozusagen als Ausgleich dafür, dass ich selbst keine Familie mehr habe.

In dieser Zeit fasste ich übrigens den endgültigen Entschluss, wenn möglich für immer in diesem Land zu leben. Zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern. Die vielen Vorteile Schwedens genießen. Nach dem politischen Leitbild, „Wohlstand für alle und Gerechtigkeit für jeden“, leben. Die Seen mit ihren über 24.000 Inseln, durch schwedische Tradition des Jedermannsrecht für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, erleben. Das Sozialrecht und die schulische Ausbildung der Kinder sind beispiellos gut im europäischen Vergleich. Aber diese Idee, die für mich schon weit mehr als das war, behalte ich vorerst für mich.

Es wird die schönste Hochzeit. Genauso hatte ich mir den Tag für mein Eheversprechen immer vorgestellt. Eine weiße vierspännige Kutsche mit einem Kutscher in Frack und Zylinder, klappernde Dosen an einem Band hinterher geschliffen, aufsteigende Friedenstauben und nur die liebsten Menschen um einen herum. Ein Meer von Blumen im Standesamt und in der Kirche. Der Festsaal verdient seinen Namen. Wundervoller Tischschmuck ziert die festlich gedeckte Tafel, die auf urgemütlicher Einrichtung angerichtet ist.

Mit weit offenem Mund und völlig sprachlos beobachte ich Svea, als sie mit ihrem Brautkleid, von ihrer Mutter begleitet, die Treppe ihres Elternhauses hinabschreitet und langsam auf mich zukommt. Sie geht nicht, sie schwebt förmlich auf mich zu. Ihre Augen schimmern feucht, ihr Lächeln zeigt, wie verliebt sie ist. Ihre Haare sind hochgesteckt, an denen ein bodenlanger Schleier befestigt ist. Ihr weißes Kleid, mit Stickereien und Steinen verziert, ist ansonsten schlicht gehalten. Dieser Traum aus Stoff umschmeichelt ihren so wunderschönen straffen Bauch und ihre geschwollenen Brüste, in die bereits Milch eingeschossen ist, was besondere Einlagen erforderlich macht. Ab ihrer Hüfte fällt es wie eine große Glocke in Richtung Boden, wo es nahezu bodengleich endet. In ihren Händen hält sie

einen Brautstrauß aus verschiedenen Gräsern, so will es der schwedische Brauch.

Nach der Zeremonie kommen alle Gäste nacheinander zu uns und küssen sowohl Svea als auch mich, wie es ein weiterer schwedische Hochzeitsbrauch vorsieht. Svea und ich hatten uns im Vorfeld überlegt, dass jeder von uns eine kleine Rede vorbereiten sollte. Aber keiner durfte vorher wissen, was der jeweils andere sagen würde.

Ich beginne: „Svea, mein wunderschöner Engel. Unser Anfang war holperig. Aber am heutigen Tag bekräftigen wir unsere Liebe, die wir bisher genießen durften. Ich blicke voller Freude und Zuversicht in unsere gemeinsame Zukunft als Eheleute. 

Ich verspreche, immer für dich und die Kinder da zu sein. In Wohlstand und Armut, in Gesundheit und Krankheit, im Erfolg und auch im Scheitern. Zusammen werden wir träumen, stolpern und uns gegenseitig aufhelfen. 

Ich werde dich wertschätzen, dich respektieren, dich trösten und ermutigen, werde immer ehrlich zu dir und an deiner Seite sein, solange ich lebe – verbunden durch unsere Liebe.“

Während ich das sage, stehen wir uns zugewandt gegenüber und sehen uns fest in die Augen. Svea laufen die Tränen vor Rührung und auch ich kann meine Emotionen nicht ganz verstecken. Meine Stimme klingt belegt, aber ich bringe es fest und für alle laut vernehmlich zu Ende.

„Ich Svea Elisabeth Andersson-Schmidt stehe hier vor dir, meinem Ehemann, mit dem Wissen im Herzen, dass du mein ewiger Freund und meine große Liebe bist.

An diesem wundervollen Tag gebe ich dir vor Gott, unseren Familien, Freunden und unseren ungeborenen Kindern mein heiliges Versprechen, als deine Vertraute, deine Partnerin und Geliebte, in guten wie in schlechten Zeiten an deiner Seite und zu dir zu stehen.

Ich verspreche, dich bedingungslos zu lieben, dir Trost zu spenden in Zeiten der Not, dich zu stärken, zu motivieren und zu ermutigen Ziele zu erreichen, dich zu wertschätzen und zu ehren, solange ich lebe.

Mit dir im Team möchte ich meine ganze Kraft in unsere Ehe und die Erziehung unserer beiden Kinder, Silja und Rune, geben.“ 

Ein leises Raunen geht durch die Reihen. Mit Tränen in den Augen sehe ich meine Svea an. Längst hatten meine Hände nach ihren gesucht und festgedrückt, nachdem sie sie gefunden hatten.

„Ja mein Schatz, es wird ein Pärchen“, flüstert sie mir zu.

Unsere Lippen suchen und finden sich zu einem tiefen Kuss, in den wir unsere ganze Liebe und Zärtlichkeit hineinlegen. Langer Beifall hämmert auf unsere Trommelfelle, wonach eine endlose Welle von Glückwünschen, gepaart mit Umarmungen, Schulterklopfen und jeder Menge gutgemeinter Ratschläge, folgt.

Meine immer noch leicht eingeschränkte Bewegungsfähigkeit in den Beinen und Sveas voluminöse Kugel, hindern uns am wilden Tanzen. Dennoch schaffen wir es, an diesem Abend mit fast allen Gästen wenigstens einmal über das glatte Parkett zu schweben. Die langsamen Lieder genießen Svea und ich zusammen. Eng umschlungen, soweit die Arme noch herumreichen, wiegen wir uns im Takt der Musik. Ich mit meinem Kopf auf ihrer Schulter, sie mit ihrem Gesicht tief in meiner Halsbeuge vergraben.

Den Mitternachtstanz müssen wir beide in einem großen Herz, geformt mit brennenden Teelichtern, tanzen. Eine ausgelassene fröhliche Stimmung rundet diesen wunderschönen Tag ab.

Bis morgens um vier, müssen wir mit schmerzenden Füßen aushalten und die letzten Gäste förmlich aus dem Saal fegen. Ein wunderschönes, (be)rauschendes Fest, das wir so schnell (wahrscheinlich niemals) vergessen werden.

Todmüde fallen wir in unser Bett. Aber kennen sie das, wenn ihr Tag aufregend und lang, weit über den toten Punkt hinaus endet? Dann weigert sich der Körper in den dringend benötigten und erholsamen Schlaf zu fallen. Nicht so bei uns. Noch nicht ganz zugedeckt, sind wir eng umschlungen in das Land der Träume gefallen, aus dem wir erst am nächsten Tag weit nach Mittag erwachen.

Zusammen mit unserer Familie genießen wir weitere drei wunderschöne Tage in Schweden.

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