Kapitel 14
Zurück in Deutschland, mit einem Koffer voller beeindruckender Erinnerungen, holt uns der Alltag schnell wieder ein. Als erstes zum Rathaus, unsere Ehe auch in Deutschland beglaubigen lassen.
Dann Krankenhäuser und Kreißsäle besichtigen, Hebammen befragen, häusliche Nachsorge klären…
Stress pur.
In den letzten Wochen haben unsere erotischen Aktivitäten an Häufigkeit und Intensität deutlich nachgelassen. Svea hat immer häufiger Unterleibsschmerzen. Immer wieder sagt sie mir traurig, dass sie Lust auf mich hat, geil ist und am liebsten den ganzen Tag gefickt werden würde, aber ihre körperliche Verfassung das einfach nicht zulässt.
Ich nehme sie dann noch zärtlicher in die Arme, gebe ihr so das Gefühl nichts falsch zu machen. Nehme ihr das schlechte Gewissen, das sie hat, weil ich mich vielleicht vernachlässigt fühlen könnte.
Aber ganz ehrlich? Ich bewundere meine Frau mehr denn je. Ich bin mir sicher, kein Mann dieser Welt würde klaglos ertragen, was Frauen vor, während und nach der Geburt durchmachen. Mit ehrlichem, ehrfürchtigem Respekt unterstützte ich sie nach besten Kräften. Außerdem gibt es deutlich mehr Möglichkeiten als das befriedigende rein-raus, um sich gegenseitig Erleichterung zu verschaffen.
Am Sonntagmorgen um 04.21Uhr weckt mich meine Frau mit starken Unterleibsschmerzen. Die Senkwehen haben eingesetzt und kommen bereits regelmäßig alle 3 Minuten. Wieder ein Beweis dafür, wieviel Rücksicht meine Frau auf mich nimmt. Stunden vorher muss sie schon Schmerzen ertragen haben, lässt mich aber schlafen, während sie wach liegt und leidet. Ich weiß nicht, woher sie ihre innere Ruhe nimmt, aber nachdem ich wach bin, nimmt sie erst eine kurze Dusche, um sich dann anzuziehen.
Ich selbst bin wie von Sinnen, kaum fähig einen klaren Gedanken zu fassen und meine Tätigkeiten in geordnete Abläufe zu sortieren. Mit einem Lächeln steht Svea in der Tür, mit ihrer Notfalltasche in der Hand und sieht mir zu, wie ich versuche mein Chaos zu bewältigen.
„Liebling, ich will ja nicht drängeln, aber wir müssen los“, ermahnt sie mich zur Eile.
„Ääämm… ja… was? .... ach so, na klar… Autoschlüssel…“, springe ich wie aufgezogen aufgeregt im Haus hin und her!
Wie ferngesteuert bewege ich meinen Audi durch die Straßen. Im Nachhinein kann ich mich nicht erinnern, wie ich vor den Eingang der Notaufnahme gelangt bin.
Sofort wird mein Engel von Schwestern aufgenommen und in die Gynäkologie verfrachtet. Der herbeigerufene Arzt und die Hebamme verschaffen sich einen aktuellen Sachstand. Der Muttermund ist bereits gut 3 cm geöffnet.
„Ihre Kinder werden heute noch geboren“, stellt der Arzt sachlich und fast emotionslos fest. Es folgen 5 Stunden Treppenstufengehen und Spaziergänge, um den Geburtsvorgang einzuleiten, der dann in einer Wanne mit warmem Wasser seinen Höhepunkt finden soll. Auf eine PDA will Svea bewusst verzichten. Alles soll so natürlich wie möglich ablaufen.
Ich knie neben meiner Frau am Wannenrand und halte ihre Hand, spreche ihr Trost zu, während eine schmerzhafte Wehe ihren Körper krampfen lässt und ihr das Atmen schwer macht. Ich tupfe ihr den Schweiß von der Stirn, küsse ihr liebevoll die Tränen weg. „Danke das du da bist“, flüstert sie mir zu, kurz bevor sie von einer neue Schmerzwelle erfasst wird. Tapfer erträgt sie Wehe für Wehe, die immer heftiger werdenden Schmerzen.
Es ist 11.31Uhr, als mir der Arzt eine Schere hinhält, mit der ich die bereits abgeklemmte Nabelschnur meiner Tochter durchtrennen soll, die als Erste das Licht der Welt erblickt hat. „Ihr Schnitt ins Leben“, sagt er zu mir.
Unerwartet zäh gibt der lebensspendende Schlauch nach. Sofort wird das kleine blutverschmierte Mädchen in eine vorgewärmte Decke gehüllt. Das Badewasser ist ebenfalls blutrot gefärbt.
Nur zwei Wehen später zeigt sich das Köpfchen des Jungen, der unter größten Anstrengungen durch den engen Geburtskanal gepresst wird. Auch diese Nabelschnur muss ich durchschneiden, bevor auch der kräftige Stammhalter in einem Tuch verschwindet. Svea ist völlig fertig. Die Kraftanstrengung hat sie voll ausgezehrt. Liebevoll lächle ich sie an. Ich bin so unglaublich stolz auf diese Frau. Wie sie die Stärke und Kraft aufgebracht hatte, erschließt sich mir nicht. Es musste das Adrenalin gewesen sein, dass sie diese Schmerzen ertragen ließ.
Mit einem tief empfundenen „Ich liebe dich du stolze Mutter“, nehme ich sie fest in die Arme. Kraftlos legen sich ihre Arne um meinen Hals.
Aus dem Nebenraum hören wir das laute Weinen unserer Kinder. Es stört uns nicht. Im Gegenteil, es ist wie Musik in unseren Ohren, ist das für uns doch ein Zeichen dafür, dass alles in bester Ordnung zu sein scheint.
Silja - 2.833g - 50cm, Rune - 3126g – 52cm, steht in den kleinen blauen Heftchen, die uns von der Hebamme zugereicht werden. „Beide wunderschön und kerngesund“, strahlt sie uns an. Ich umarme sie und gebe ihr ein Küsschen auf die Wange. „Vielen Dank“, bringe ich gerade noch raus.
Eine Schwester bringt uns die kleinen Würmchen nach der ersten Untersuchung und legt sie Svea auf die Brust in die warme Wanne.
Die Füßchen der Kleinen sind ganz blau von der Stempelfarbe, mit der sie einen Fußabdruck in den blauen Heftchen hinterlassen mussten. Um ihre Handgelenke sind kleine Armbändchen befestigt. Silja hat ein rosafarbenes mit ihrem Namen drauf und Rune ein hellblaues, auf dem sein Name auf weißen Steinchen zu lesen ist.
Ich lege mich auf eine Liege, die im Bad bereitsteht. Svea möchte aus dem blutigen Wasser raus. Unsere beiden Wonneproppen legt man mir so lange vorsichtig auf die Brust, bis sich Svea in frischem Wasser etwas entspannen, sich aber vor allem waschen kann. Stolz wie ein Spanier, aber übervorsichtig behüte ich die kleinen Körper. Immer darauf bedacht, nichts zu zerbrechen oder ihnen sonst irgendwie weh zu tun.
Eine Weile später liegt Svea schlafend im Wochenbett. Ihr Körper fordert Ruhe ein. Ich habe volles Verständnis und verabschiede mich leise mit einem Kuss auf ihre Stirn.
Auf dem Weg nach Hause habe ich immer noch die beeindruckenden Bilder der Geburt vor meinen Augen. Diese unfassbaren Momente, in denen meine Kinder den schützenden Leib ihrer Mutter verlassen.
Ich nehme die rote Ampel wahr. Halte vorschriftsmäßig an, sehe nach rechts und links. Meine Augen haben gecheckt, dass die Kreuzung frei ist, während mein Gehirn die rote Ampel vollständig ausgeblendet hat. Also fahre ich los und biege nach links ab. „Verdammt, da war doch gerade rot“, realisiere ich kurze Zeit später meine Rotlichtsünde.
Viele Telefonate stehen an. Jeder will ausführlich wissen: ‚Wie groß, wie schwer, wie geht es der Mama, ist alles gesund, wie geht es dir…‘, bereitwillig gebe ich erschöpfend Auskunft.
Lia weint dicke Freudentränen am Telefon und verspricht, schnellstens zu uns zu kommen und die Enkel zu sehen. (Zwei Tage später stehen Lia und Lars tatsächlich bei mir in der Tür).
Nachdem ich meine Telefonate beendet habe und innerlich deutlich ruhiger bin, fahre ich in den nächsten Blumenladen und kaufe der Verkäuferin die ganze Vase mit roten Rosen ab, um dann mit einem Arm voller duftender Blumen am Bett meiner Frau aufzutauchen.
Schon Tage vorher hatte ich einen Ring mit einem kleinen Diamanten gekauft, den ich ihr zur Geburt unserer Kinder schenken wollte. Aufgeklappt steht das Schächtelchen auf ihrem Nachttisch, unter einem Schirm rot leuchtender Blumenköpfe. Geduldig sitze ich am Bett und sehe meinem Schatz beim Schlafen zu. „Erhole dich meine Schöne, du hast es dir mehr als verdient“, flüstere ich zärtlich.
Eine Stunde später werden die Kids ins Krankenzimmer geschoben.
„Zeit für die erste Mutterbrust“, meint die Schwester. Vorsichtig wecke ich Svea, indem ich mit den Fingerspitzen über ihre Wangen streiche.
„Raubtierfütterung“, necke ich sie, als sie verschlafen die Augen öffnet. Zur Begrüßung bekommt sie einen innigen Kuss. Sie sieht die große Vase mit den Blumen.
„Wow, die sind aber schön, vielen Dank“, strahlt sie mich an. Ich nehme das Schächtelchen in die Hand und halte es ihr entgegen.
„Ich danke dir, dass du mir zwei so wunderschöne Kinder geschenkt hast.“
Mit offenem Mund und feuchten Augen schiebt sie sich den Schmuck auf den linken Ringfinger und bewundert an der ausgestreckten Hand den Ring mit dem fein geschliffenen Stein.
Nun drängelt die Schwester und legt Svea die Zwillinge auf die Brust. Die ersten Versuche, die triefenden Nippel in die Münder der Kinder zu stecken, misslingen kläglich. Aber nachdem erste Tropfen der Muttermilch auf den zarten Lippen verteilt sind, gewinnen die Urinstinkte der Säuglinge die Oberhand und die Natur nimmt ihren Lauf. Bereits wenige Augenblicke später haben die zwei den Bogen raus und saugen wie wild an den nahrhaften Warzen. Die Erschöpfung ist Svea immer noch anzusehen. Aber geduldig hält sie still und erträgt die stark saugenden Lippen der kleinen Mäuse. So ist sie auch froh, als die Kleinen satt sind und zufrieden fest schlafen. Nun werden die Krankenschwestern die nächste Schicht übernehmen.
Lange sitze ich noch am Bett meiner Frau. Händchenhaltend und stolz wie Bolle. Aber auch ich muss irgendwann ins Bett und Svea braucht ihre wohlverdiente Ruhe. In wenigen Stunden muss sie wieder fit sein, um die kleinen Racker zu füttern.
Zu Hause holen mich meine Gedanken ein. Wie leer mir das Haus plötzlich vorkommt. Die Stille, vom laufenden Fernseher mal abgesehen. Wie einsam ich mich ohne meine bessere Hälfte fühle. Gern hätte ich ihr die Kinder zum Stillen abgenommen, aber dieses Vorrecht ist nun mal nur den weiblichen Erdenbürgern vorbehalten. Ich selbst falle viel später in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Tag bastele ich weiter an meinen Plänen, in Schweden ein neues Leben aufzubauen. Prüfe Voraussetzungen, die ich zu erfüllen habe. Suche mögliche Häuser, die zum Verkauf stehen und als neues Heim für uns in Frage kommen. Alle Informationen, Fotos, Rechercheergebnisse, wichtige Notizen sowie eigene Gedanken, sammele ich in einem Ordner. „Unser neues Leben“ steht in dicken Lettern auf dem Rücken.
Es ist bereits kurz vor Mittag, als ich im Krankenhaus eintreffe. Svea liegt im Bett und liest ein Buch, die beiden Kinder liegen friedlich schlafend in einem kleinen Bettchen. Müde, aber glücklich sieht sie mich an, als ich durch die breite Tür eintrete.
„Hallo meine Schönheit, wie geht es dir heute?“, frage ich, als ich sie liebevoll in den Arm nehme.
„Ich habe leichte Unterleibsschmerzen. Alles ist noch sehr empfindlich. Aber sonst geht es mir gut“, entgegnet sie mit gequältem Lächeln.
„Ach das wird sicher bald besser“, versuche ich sie zu trösten. Sofort finden sich unsere Hände, als ich mich neben sie auf den Bettrand setze. Zusammen sehen wir in die Wiege.
„Sind sie nicht wunderschön?“, fragt sie mich liebevoll.
„Die schönsten Babys, die ich je gesehen habe“, küsse ich sie zärtlich auf die Wange. Der Tag plätscherte noch so dahin. Er ist ausgefüllt mit Stillen, Wickeln und Ausruhen. Jede freie Minute nutzt Svea, um mit viel Schlaf neue Kraft zu schöpfen.
Am nächsten Tag treffen ihre Eltern ein. Sofort von der Autobahn sind sie ins Krankenhaus gefahren. Überglücklich und stolz sehen sie sich ihre Enkel an, nachdem sie uns mit einer langen Umarmung begrüßt haben. Natürlich wollen sie die letzten Tage noch mal ausführlich geschildert bekommen. Aus erster Hand ihrer Tochter. Sie bleiben eine ganze Woche, erfüllen mein Haus mit Leben und machen das Warten auf Svea erträglicher. Wenn sie und die Kinder aus dem Krankenhaus kommen, wird viel Trubel auf uns zukommen.
Schnell holt uns der Alltag ein. Die Nächte sind oft kurz. Kürzer für meine Frau als für mich, zugegeben. Aber wenn sie schon das Stillen übernehmen muss, will ich sie wenigstens dadurch entlasten, dass ich für das Wickeln zuständig bin. Auch diese Zeit wird naturgemäß vorbeigehen und dann können wir, genau wie die Zwillinge, durchschlafen.
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