Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 16

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Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 16

Mit dem Rolli ins Glück - Kapitel 16

Gero Hard

Kapitel 16

Bereits 4 Monate später steht ein 40 Fuß Container vor unserem Haus in Deutschland. In ihm ist unser kompletter Hausrat, mit allen Erinnerungen an unser bisheriges Leben, verpackt. Ein Lkw wird ihn zur Verschiffung in einen Hafen bringen.

Ein Makler hat ein Schild in unserem Garten aufgestellt. ‚Zu Verkaufen‘ steht dort in großen Buchstaben auf buntem Hintergrund zu lesen. Komplett wird der Aufdruck mit der Adresse des Maklerbüros, das mit der Vermarktung beauftragt wurde.

Mit etwas Wehmut im Blick stehen wir zwei vor meinem Haus. Viele Jahre war es mein Heim, hat mich vor Wind und Wetter beschützt. Und es hat mir die lästigen Menschen vom Hals gehalten, als ich schwerst depressiv in meinem Rollstuhl gesessen hatte. Es ist ein gutes, solides Haus. Es wird auch den neuen Besitzern ein zuverlässiger Rückzugsort sein, dessen bin ich mir sicher. Mit einem letzten Blick starte ich den Motor unseres Audis, der uns ein letztes Mal zur Fähre nach Travemünde bringen wird.

Natürlich mit der Unterstützung Sveas‘s Familie, finanziell und mit guten Kontakten, ist schnell ein wunderschönes Haus in Osby gefunden, obwohl in Schweden guter Wohnraum knapp ist.

Sogar am gleichen See gelegen, an dem auch Sveas Elternhaus gebaut ist. Auch unser Grundstück ist mit einem langen Steg versehen. Eine Sauna, in einem Blockhaus untergebracht, ist ebenso vorhanden, wie ein offener Kamin, ein Kachelofen und eine wunderschöne Einbauküche in schwedischem Stil. Bis der Container gebracht werden wird, dürfen wir bei ihren Eltern wohnen.

Unsere Kinder werden von der Familie verwöhnt. Egal ob es die Großeltern oder die Familien ihrer Brüder sind. Überall sind unsere Kleinen willkommen. Manchmal habe ich fast Angst, dass sie mehr bei der Familie, als bei uns zu Hause sind. Es ist schön, sie hier aufwachsen zu sehen. So glücklich und unbeschwert.

Die Renovierung unseres Schwedenhauses geht zügig voran. Von überall kommen freiwillige Helfer. Meist sind es Nachbarn, die neben unserer Familie den Umbau tatkräftig unterstützen. So entsteht schnell ein gutes Verhältnis zu den Anwohnern. Die Frauen treffen sich gern zu Kaffee und Kuchen, während wir Männer mit handwerklichem Geschick zur Tat schreiten.

Trotz der Hilfe sind wir noch nicht ganz fertig, als unsere Habseligkeiten ankommen. Aber in dem Container sind alle Sachen wettergeschützt untergebracht. So können wir ohne unnötigen Zeitdruck den Umbau fertigstellen.

Zum Einzug werden alle Nachbarn mit ihren Familien, alle Helfer und natürlich die unsere komplette Familie eingeladen. Mit einem großen Grill, auf dem sich langsam ein Spanferkel dreht, vielen anderen Leckereien, einem kalten Buffet und Musik aus der Box, wird es ein buntes Fest. Ein herzlicheres Willkommen hätte ich mir nicht vorstellen können. Sofort sind wir als ‚die Neuen‘ in die Gemeinschaft der Siedlung aufgenommen.

Schon zwei Wochen später muss ich zu einem Notartermin nach Deutschland. Unser Makler hat schnell Käufer für mein Haus gefunden. Ein junges nettes Pärchen. Der behindertengerechte Umbau gibt den entscheidenden Ausschlag zur Kaufentscheidung, denn durch eine angeborene Behinderung sitzt die junge Frau im Rollstuhl. Ihr Verlobter kümmert sich rührend um sie. Das die beiden unsterblich ineinander verliebt sind, sieht man sofort. Immer wieder treffen sich ihre sehnsüchtigen Blicke und ihre Finger sind die ganze Zeit untrennbar miteinander verflochten.

Ich habe in diesem Haus mein Glück gefunden. Es passt perfekt zu den beiden. Ich wünsche dem Paar alles Gute und viel Glück, als ich mich nach der Unterschrift und einem Glas Sekt von ihnen verabschiede. Ich will unbedingt noch die Fähre erreichen, die spät abends in Travemünde ablegen wird.

Tja, was bleibt zu berichten… Auch in Schweden gibt es Versicherungen. Schnell ist ein Arbeitgeber gefunden, der mich nach einer erfolgreichen Weiterbildung im schwedischen Versicherungsrecht, als Sachverständigen übernommen hat. Mit dem Unterschied, dass man hier in diesem Land deutlich mehr Nettogehalt übrigbehält, weil das Sozialversicherungssystem anders als bei uns aufgebaut ist und stark staatlich unterstützt wird. Dazu gehören gesicherte Kindergartenplätze, so, dass auch meine Frau halbtags arbeiten gehen kann.

Wir selbst können unser Glück kaum fassen. Alles ist perfekt geworden. Schöner und besser, als ich es mir je vorgestellt hatte. Unsere Kinder entwickeln sich prächtig. Kaum sieht man einen Moment nicht hin, haben sie schon wieder einen Schub gemacht und sind aus ihren Schuhen rausgewachsen. So wunderbar unbeschwert genießen sie ihre Kindheit, immer wohl behütet unter den wachsamen Augen ihrer Mutter.

Ziemlich genau ein Jahr später, als ich abends von meiner Tour zurückkomme, erwartet mich Svea in der Küche. Vor ihr steht ein Becher dampfender Kakao, in dem ein Marshmallow schwimmt. Draußen ist es regnerisch und kalt, die Kinder spielen in ihren Zimmern. Vor ihr liegt ein blau-weißer Clear-Blue-Test. Fragend sehe ich sie an und sie nickt nur. Sofort falle ich ihr in die Arme und überdecke ihr Gesicht mit 1000 kleinen Küssen. Ich falle auf einen Küchenstuhl und ziehe meinen blonden Engel mit auf meinen Schoß. Minutenlang liegen wir uns in den Armen und weinen vor Glück und Freude.

Silja ist es, die uns aus unserem Taumel reißt. „Mama…Papa, warum weint ihr. Ist etwas passiert?“, fragt die Motte ängstlich.

„Ja mein Schatz, es ist etwas passiert, ihr werdet bald ein Geschwisterchen bekommen“, sagt Svea unserer Tochter, die sofort aufgeregt ihren Mund und ihre Augen weit aufreißt und die Luft anhält.

„Das muss ich gleich Rune erzählen…“ ruft sie noch, als sie längst die Treppe nach oben fliegt.

Die Schwangerschaft verläuft ohne nennenswerte Komplikationen, wie schon ihre erste. Es ist immer wieder aufregend, das kleine Herz während der Ultraschalluntersuchungen schlagen zu sehen. Schnell, gleichmäßig, kraftvoll und pulsierend.

Noch aufregender ist es, wenn es zwei sind. Ja genau, es sind wieder Zwillinge. Und es ist wieder ein Pärchen, das 34 Wochen später gesund und munter als Saskia und Per das Licht der Welt erblickt.

Ok, Saskia ist nicht unbedingt ein schwedischer Name. Aber er passt perfekt in die Reihe meiner wunderschönen „S“-Frauen. S wie super, S wie schön oder einfach: S wie Svea, Silja und Saskia.

Unser Glück ist vollkommen geworden. Unser Leben ausgefüllt. Wir haben alles erreicht, was man erreichen kann. Gesundheit, Zufriedenheit, Glück, Wohlstand und ein Leben in einem wundervollen Land.

Gibt es ein schöneres Bild, als seine Kinder im See plantschen zu sehen? Seine geliebte Frau auf der Terrasse stehend, fest von hinten in seinem Armen zu halten und die Sonne hinter den Baumwipfeln versinken zu sehen, die scheinbar alle unsere kleinen Sorgen mit sich zieht?

Mit diesen Bildern im Kopf entlasse ich euch aus meiner Welt in Schweden …

Bis demnächst…

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