Myriams Rettung

53 40-61 Minuten 0 Kommentare
Myriams Rettung

Myriams Rettung

Sven Solge

„Geh man wieder nach vorne, ich komme auch gleich nach.“, sagte sie zu Heike gewandt und trocknete sich dabei das Gesicht ab.
Myriam blieb noch eine kleine weile am geöffneten Fenster stehen bis sie sich wieder in der Gewalt hatte.
Als sie den Zeichensaal betrat hatte sie das Gefühl alle starrten sie an. Doch ein vorsichtiger Blick durch ihre langen, dunklen Wimpern zeigte ihr das alle bis auf Heike emsig am Arbeiten waren.

„Fräulein Ahlers kommen sie doch bitte einmal zu mir!“, hörte sie Herrn Runge rufen.
Innerlich sträubte sich zwar alles dagegen, aber was sollte sie machen, sie musste dieser Aufforderung folge leisten.
Das Büro des Abteilungsleiters war wie immer perfekt aufgeräumt und sauber. Ein Fremder konnte denken Herr Runge sei mehr damit beschäftigt seinen Schreibtisch aufzuräumen, als sich mit seiner eigentlichen Arbeit zu beschäftigen.
Er erhob sich halb von seinem Platz und bat sie mit einer Handbewegung Platz zu nehmen.

„Fräulein Ahlers, was ist los mit ihnen? Sie sind doch sonst nicht so empfindlich.
Wenn ich sie irgendwie beleidigt habe, möchte ich mich dafür entschuldigen, aber ich weiß wirklich nicht, was ich gemacht habe.“
Myriam hob die Hände leicht an und sagte dann: „Herr Runge, sie haben mich nicht beleidigt es war nur...“, und dann erzählte sie ihm alles, was ihre Nerven so strapaziert hatte.
Herr Runge hörte sich Myriams Geschichte sehr aufmerksam an und fragte sie dann ob sie ernstlich daran interessiert sei den Auftrag fertig zu bekommen.
Als Myriam das bejahte sagte er zu ihr: „Ich weiß, dass beide Chefs übers Wochenende auf Segeltour sind. Wenn sie mir versprechen keinem etwas davon zu sagen, dann gebe ich ihnen einen Schlüssel und sie können hier am Sonntag ungestört arbeiten. Wollen sie das?“ Dabei schaute er sie über seine Halbbrille ernst an.
Myriam konnte im ersten Moment nur nicken, beeilte sich dann aber mit einem kräftigen
„Ja, Herr Runge.“, ihre Zustimmung zu bekunden.
Damit hatte sie nicht gerechnet. Herr Runge war eigentlich nicht so beliebt bei den Angestellten. Selten hatte er mal ein Lob übrig und schon gar nicht, dass er mal Hilfe anbot.

Mit diesen Gedanken war Myriam in der Lederstraße angekommen. Schwungvoll parkte sie ihren alten Wagen auf dem großen Parkplatz des Seniorchefs. Der Platz war in sofern gut gewählt, weil er von der Straße nicht einzusehen war.
Mit dem Schlüssel von Herrn Runge bewaffnet, ging sie zur Eingangstür und schloss auf. Etwas eigenartig war ihr schon zu Mute, als sie in das Treppenhaus trat. Das wenige Licht, welches durch die kleinen Scheiben der Tür fiel, reichte nur knapp aus, den Flur zu erhellen.
Licht wollte Myriam nicht machen, also tastete sie sich in dem Halbdunkel ins Hochparterre. In dem großen Zeichensaal machte sie sich sofort an die Arbeit. Die letzte Zeichnung war noch auf dem Zeichenbrett und so konnte sie sofort anfangen.
Nachdem sie eine halbe Stunde intensiv gearbeitet hatte, bemerkte sie die schlechte Luft im Raum. Sie öffnete das eine Fenster und machte gleichzeitig das Radio von ihrer Kollegin Heike an. Leise Musik ließ sie die fast schmerzhafte Stille in dem großen Raum vergessen.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 23933

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben