Myriams Rettung

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Myriams Rettung

Myriams Rettung

Sven Solge

Die Arbeit ging gut voran und nach kurzer Zeit hatte sie die Beschriftung und die Maßketten fertig.
Nun fehlte nur noch das Nachziehen der Linien.
In der Zwischenzeit, es war immerhin schon fast zehn Uhr geworden, war die Sonne hinter den Häusern hervorgekommen und schien recht intensiv durch das Fenster.
Die Reflexion auf dem Transparentpapier war so stark, dass auch durch seitliches Kucken die Linien schlecht zu erkennen waren.
Myriam ging zum Fenster, schloss es um es dann auf Klappstellung wieder zu öffnen. Dann zog sie an der Schnur der Jalousie, um sie herunterzulassen. Wie jeden Tag machte die Jalousie nicht das, was sie sollte.
Auf der einen Seite blieben die Lamellen oben, während sie auf der anderen Seite herunter kamen. Myriam hatte schon des Öfteren mit diesem Mangel gekämpft deshalb wusste sie auch was zu tun war. Sie brauchte nur die beiden Schnüre einzeln zu nehmen um dann die entsprechende Seite hoch bzw. runter zu lassen.
Heute ging es komischer weise sehr schwer. Die Seite, die noch oben war, ließ sich überhaupt nicht bewegen, deshalb zog sie die andere Seite erst mal wieder hoch. Aber auch das ging sehr schwer. Erst als sie die Jalousie fasst wieder oben hatte, konnte sie erkennen, weshalb es nicht ging. Dort wo die Schnüre in der Schiene verschwanden, hatte sich ein Knoten gebildet, der sich trotz gegenseitigen Ziehens nicht lösen ließ.
Sportlich wie Myriam nun mal war, fasste sie den Fenstergriff an und zog sich daran auf die Fensterbank. Mit dem linken Fuß stand sie nun auf der Fensterbank und mit dem rechten auf dem alten gusseisernen Rippenheizkörper.
Stark verdreht nach hinten gebeugt stand sie dort oben und versucht den Knoten zu lösen. Sie zerrte daran, versuchte den Knoten mit den Fingernägeln zu lösen, doch der widerstand allen Versuchen. Gerade wollte sie aufgeben, als die Schnur an der sie gerade kräftig zog plötzlich ein Stück nachgab. Der Ruck kam für Myriam so unerwartet, dass sie, um nicht herunterzufallen, noch kräftiger an der Schnur zog, mit der Folge, dass der Knoten sich vollends löste.
Ihres Haltes nun völlig beraubt rutschte sie mit dem linken Fuß von der schmalen Fensterbank ab und geriet mit dem Fuß zwischen Heizkörper und Außenwand. In dem Moment konnte sie den rechten Fuß, mit dem sie auf dem Heizkörper stand auch nicht mehr halten. Mit einem Aufschrei rutschte sie mit ihrem Bein bis zum Oberschenkel hinter den Heizkörper.

- * -

Torsten ertappte sich dabei, dass er den Absatz in seinem Buch nun schon zum dritten Mal las ohne den Text bewusst aufzunehmen. Er war unruhig und eigentlich mit sich und seiner Umwelt nicht zufrieden.
Er hörte seine Frau in der Küche hantieren und ihm wurde klar, dass seine Unzufriedenheit sehr viel mit dem Verhalten seiner Frau zu tun hatte.
Die Ehe, die sie führten, war eigentlich schon seit Jahren keine Ehe mehr. Jeder erfüllte seine Aufgaben die zu dieser - Wirtschaftsgemeinschaft - gehörten, so gut er konnte. Menschliche Beziehungen wahren dabei auf der Strecke geblieben. Außer einem flüchtigen Kuss wenn sie von der Arbeit nach Hause kamen, spielte sich in sexueller Hinsicht nichts mehr ab. Ganz schlimm wurde es seit dem ihre Tochter vor zwei Jahren ausgezogen war. Von da an schliefen sie nicht mehr miteinander.

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