Marion hatte das Träumen aufgegeben. Jeden Morgen wurde sie um 07:00 Uhr von ihren beiden Kindern geweckt – es war, als hätten sie eine innere Uhr, die Lea und der Kalle, und diese Uhr unterschied noch nicht einmal zwischen Sommer- und Winterzeit.
Wenn Marion aus dem Schlaf gerüttelt wurde, war ihr Mann längst am Arbeiten. Er war Motorradmechaniker und hatte sich vor Jahren selbständig gemacht. Marion war den ganzen Tag allein mit den Kiddies, und wer sie im Aldi sah, hätte gesagt, sie wirke ausgelaugt. Marion trug gerne Schlabberpullis, die ihre grossen Brüste verbargen, und ihr gestuftes schwarzes Haar verstärkte die Ringe unter den Augen noch – so schien es zumindest. Sie trug gerne nicht allzu enge Jeans – wozu auch? Wozu Männerblicke auf sich lenken? Sie hatte ja alles, was sie brauchte: Einen liebevollen Ehemann, der nie zuhause war, und Kinder, die sie vergötterten, solange sie sie mit Süssigkeiten und DVDs verwöhnte.
Was Marion nun fehlte, war ein bisschen Substanz, ein wenig Anerkennung. Ihr Mann sagte selten etwas Ermunterndes zu ihr – Schweigen hiess bei ihm einfach, dass alles o.k. war. Norbert hatte keine Ahnung, dass da etwas in seiner Marion brodelte. Dieses Brodeln wurde zwar mit den Jahren schwächer, aber es war da. Stets und ewig.
Das Brodeln galt Marions Saxophon im Kleiderschrank.Sie kam nicht dazu, das Instrument zu reinigen und das Mundstück endlich mal wieder mit ihren Lippen zu umschliessen. Da kam immer etwas dazwischen. Einmal war es die ausgeleerte Schokomilch auf dem Spannteppich. Ein anderes Mal waren es die Pampers, die dringend nachgekauft werden mussten, solange sie noch zum Aktionspreis verkauft wurden.
Das Saxophon blieb im Schrank – und zwar so lange, bis Marion in einer ihrer seltenen Pausen im lokalen Anzeiger blätterte. „Nackte Saxophonistin gesucht“, stand da. „Gute Bezahlung.“ Mehr nicht. Marion seufzte. Ihr war sofort klar, worum es hier ging – in einem Land, in dem sich Swinger Clubs exponentiell verbreiten und Mädchen bereits ab 14 Jahren ihre sexuelle Integrität verlieren.
Das Brodeln in Marions Innerstem wurde aber stärker. „Nackte Saxophonistin.“ Als an jenem Tag die Spaghetti verteilt, Tisch und Boden von der Tomatensauce gereinigt waren und die beiden Kinder ihrem Mittagsschlaf huldigten, legte sich Marion kurz hin – im Wohnzimmer, auf der Couch. Sie zog die gehäkelte rote Decke über sich und ertastete ihren Schritt. Sie hatte es schon lange nicht mehr getan. Es gab da aber ein warmes, inniges Gefühl, wenn sie an ihrer Muschi herumdrückte. Sie war also noch immer da, die Lust, nach all den Jahren. Marion presste mit Daumen und Zeigefinger ihre Schamlippen zusammen. Sie erschauderte. Ob die Kinder wirklich schliefen? Sie wurde forscher, schob ihren Slip zur Seite. Marion war klitschnass. Sie befühlte ihre spiitze Cliti und stellte sich eine kleine Bühne vor. Gedämpftes Licht. Im Foyer sass ein einziger Mann. Er war etwas untersetzt, ein Managertyp. Aus seinen Augen aber leuchteten Gier und Leidenschaft. Er verlangte nach ihr. Marion war noch nie auf gut aussehende, erfolgsgewohnte, relaxte Männer gestanden.
Diese Kleinen, Untersetzten aber machten sie wild, wenn ihre Hände zitterten und sich ihre Stimme veränderte. Marions erster sexueller Kontakt ging auf den Mathelehrer zurück. Er war genau so einer gewesen. „Mach schon, Marion“, hatte er damals in der Mittagspause gesagt. „Ich weiss, dass Du es brauchst. Ich brauche es auch.“ Sie hatte sich ihres blauen Slips entledigt, den Rock hochgezogen und sich ihm dargeboten. Er war in ihr gekommen – Marion erinnerte sich genau, wie der weissliche Schleim herausgeflossen war aus ihr. So hatte Marion ihre Prüfung gerettet, die sie sonst verschlungen hätte. Ohne Wenn und Aber.
Sollte sie? Sollte sie nicht? Sollte sie aufs Inserat antworten? Marion schob drei Finger in sich und masturbierte genussvoll. Dabei stellte sie sich vor, dass sie auf der kleinen Bühne für den Managertyp Saxophon spielte. Nackt, versteht sich.
Danach packte sie das schlechte Gewissen. Sie hatte einen schwachen Orgasmus, aber sie wusste, dass sie aufs Inserat antworten würde. Da führte kein Weg daran vorbei. Marion ging ins Schlafzimmer, packte ihr Saxophon aus und legte es aufs Bett. Wie schön es noch immer glänzte, nach all den Jahren! Das Instrument war sehr gut erhalten. Den schwarzen Lederriemen, der ihr als Halterung diente, hatte sie von ihrem ersten Freund geschenkt bekommen, damals, vor über 10 Jahren. Marion zog sich ganz aus, presste das Instrument zwischen die Brüste. Man sah Marions Brüsten an, dass sie schon zwei Kinder gestillt hatte. Die Nippel drückten aber noch immer geiles Verlangen aus.
Marion stand vor den Spiegel und betrachtete sich. So, wie sie das Saxophon hielt, war ihr Schamhaardreieck verborgen. Das kühle Metall jagte ihr Gänsehaut über den ganzen Körper. Sie legte die Lippen ans Mundstück und blies sachte... ein warmer, tiefer Ton füllte das Schlafzimmer.
Marion wusste, dass sie für den unbekannten Inserenten spielen würde. Sie zog sich an, ging in die Küche, warf die Lavazzo-Maschine an und angelte ihr Handy. Möglicherweise überprüfte ihr Gatte ja den Festnetzanschluss. Man wusste ja nie.
Es meldete sich eine tiefe Männerstimme. Die Stimme kam Marion bekannt vor. „Das Inserat“, war alles, was Marion hervor brachte. „Alles klar, baby. Komm doch einfach morgen Abend um 19:30 Uhr vorbei. Fehrendorfstrasse 4. Bei Aellig klingeln.“ Der Mann hängte auf. Marions Herz schlug bis zum Hals. Die Fehrendorfstrasse grenzte an die Strasse, an der sie wohnte! Ein Katzensprung also... aber wohin mit den Kindern? Ihr Mann kam oft spät nach Hause – und womit sollte sie sich entschuldigen? Marion hatte nur wenige Freundinnen und ging selten aus dem Haus – Abends schon gar nicht.
Sie konnte an nichts Vernünftiges mehr denken, vergass die Nachmittagseinkäufe, liess am Abend die Bohnen anbrennen – aber sie wusste eins. Sie wollte es tun. Sie wollte sich nackt hinstellen, Saxophon spielen und dem Mann in die Augen schauen, so, wie ein Grosswildjäger einem Elefanten in die Augen schaut, bevor er ihm eine Schrotsalve ins Gehirn schiesst.
Es war kurz vor 20:00 Uhr, der Sandmann längst vorüber. Wo auch dieser Bernd die ganze Zeit blieb? Die Kinder waren mit Bilderbüchern beschäftigt. Marion huschte ins Badezimmer, zog sich abermals aus und pflegte ihre Muschi. Sie rasierte sich an den Seiten, stutzte ihr Dreieck. So wollte sie sich dem Mann präsentieren – dem kleinen, untersetzten Lustmolch.
Als Bernd um 22:00 Uhr nach Hause kam, schlief Marion bereits. Er betrachtete sie wohlwollend, duschte kurz und legte sich ins Bett, wo er rasch einem traumlosen Schlaf verfiel.
Als Marion am nächsten Morgen erwachte, war Bernd schon wieder an der Arbeit. Marion weckte die Kinder, machte Frühstück und presste sich einen O'Saft. Sie trug ein einfaches Nachthemd mit einem einzigen Knopf auf Brusthöhe. Bernd hatte es ihr vor Jahren geschenkt. „Damit ich nicht so viel zu tun habe“, hatte er gescherzt. Den Knopf hatte er aber seit Jahren nicht mehr geöffnet.
Der Tag zog sich träge dahin, die Sequenz auf dem Spielplatz wollte nicht enden. Da klingelte ihr Handy. „Hallo Schatz – ich arbeite heute leider schon wieder bis 22:00 Uhr.“ Marion seufzte. Bernd verdiente zwar nicht schlecht – aber die Kinder kannten ihren Vater kaum. An den Wochenenden war er zwar für sie da, aber oft übermannte ihn die Müdigkeit.
Marion hatte gehofft, ihr Mann käme früh nach Hause, damit sie sich dann mit einer Ausrede aus dem Staub machen konnte. Dieses „aus dem Staub machen“ ist aber vielen Hausfrauen verwehrt. Marion hatte schon geplant, das Saxophon in den Keller zu stellen und den Kellerschlüssel in ihre Manteltasche zu legen. So könnte sie die Wohnung verlassen, das Instrument aus dem Keller holen und es sozusagen an Bernd vorbei schmuggeln.
Jetzt aber war sie auf Gaby angewiesen. Gaby war Marions beste Freundin. Was sollte sie ihr sagen? Hüte bitte die Kiddies – ich geh schon mal Saxophon spielen – nackt?
„Heya, meine Liebe“, sagte sie. Wäre es Dir spontan möglich, Kalle und Lea zu hüten? Ich geh schon mal Saxophon spielen“. Gaby stellte nie viele Fragen – und das war das Praktische an ihr. Das mit dem Saxophon interessierte sie aber offenbar. „Ich dachte, das Ding steht bei Dir seit Jahren unberührt im Schrank?“ „Ja, stimmt, aber ich brauch mal wieder nen Ausgleich“, war Marions lapidare Antwort. Dem gab es nichts entgegen zu setzen.
Gaby erschien pünktlich um 19:00 Uhr und übernahm die beiden Kinder, die ihr johlend in die Arme fielen. Sie mochten die Gaby sehr – nicht zuletzt auch, weil sie ihnen immer ein Überraschungsei mitbrachte. So auch diesmal. Marion nutzte dem Moment, um noch einmal tief durchzuatmen, einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen, sich nochmals flüchtig zu kämmen, in den Mantel zu schlüpfen, einen Schal umzuwerfen, die Stiefeletten zuzuzippen, das Saxophon zu schultern und ihre beiden Kiddies mit flüchtigen Küssen zu verabschieden. „Bin um 21:00 Uhr wieder da, danke, Schatz, tschüss.“ Obwohl Bernd sich erst für 22:00 Uhr zurück gemeldet hatte, hielt Marion es für klüger, eine Stunde vor ihm zuhause zu sein – vielleicht musste sie ja noch allfällige Spuren wegduschen.
Die Nacht war kühl, der Mond versteckte sich hinter einer seltsam blaugrau gefärbten Wolke. Die Fehrendorfstrasse 4 war rasch erreicht – ein gesichtsloser Vorortswohnblock mit grauer Fassade – auch tagsüber. „Aellig“, entzifferte Marion am schwach beleuchteten Klingelbrett. Zuerst meldete sich niemand. Dann summte der Türöffner. Sofort sprang Marion ein leuchtend grüner Pfeil ins Auge, der ins Untergeschoss zeigte. „Aellig“, stand darauf. Wohnte der Nacktsaxophonistinnenfetischist im Keller? Marions Herz schlug bis zum Hals, als sie dem Pfeil folgte. Es war gut geheizt – gemessen an den Aussentemperaturen – und im Keller roch es nach frischer Farbe. Es gab nur zwei Türen – die eine führte wohl zur Waschküche – und an der andern stand unübersehbar „Aellig“. Vorsichtig klopfte Marion. Zu ihrer angenehmen Überraschung öffnete eine junge, etwas blasse Frau. Wenigstens war sie nicht allein mit dem Inserenten. Der Raum, den sie nun betrat, überraschte sie. Links in der Ecke stand eine luxuriöse Werkbank, an der man drechseln, sägen, bohren und hämmern konnte – was auch immer. Die Wände waren durchwegs mit rotem mattglänzendem Stoff bezogen. Ein Bordell also. Dann sah Marion eine ansehnliche Sammlung von Telecaster- Stratocaster- und Gibson-Gitarren. Ein Mehrzweckraum zum Basteln, Musizieren und Vögeln? Zum Umkehren war es nun ja wohl zu spät. Marion nahm sich jedoch fest vor, nie mehr auf ein Inserat einzutreten – auf ein dermassen eindeutig formuliertes schon gar nicht.
Dann sah sie die kleine Bühne. „Zieh Dich schon mal aus – er kommt gleich.“. Marion kam sich vor wie beim Arzt. Aber sie tat wie geheissen. Sie wusste ja, wozu sie gekommen war. Der Mann suchte eine nackte Saxophonistin. Ging es überhaupt um Nacktheit oder ums Saxophon? Erwartete er eine virtuose Musikerin – was sie bei weitem nicht war? Oder wünschte der Mann beides? Wurde ihr mutiger Auftritt überhaupt bezahlt? Marion beschloss, nicht gleich alles zu geben und behielt Slip und BH an. Sie wirkte so schon erotisch genug, fand sie. Die junge blasse Frau trat zu ihr. „Ganz“, sagte sie leise. „Du musst Dich ganz ausziehen.“ Marion zögerte – aber die Frau lächelte sie an. „Er wird Dir nichts tun. Er möchte Dich nur anschauen – Dich und Dein Saxophon.“ Als Marion sich ihres Höschens entledigte und sich am BH-Verschluss zu schaffen machte, reichte ihr die junge Frau eine schwarze Augenbinde. „Was...“ Marion fühlte sich nackter als nackt. Genügte ihr nackter Körper denn nicht? Sie konnte ihren Intimbereich immerhin mit dem Saxophon abdecken. Aber blind? Mit einer Augenbinde? Sie wusste, dass männliches erotisches Empfinden oft etwas verworren ist – aber dies hier ging ihr nun wirklich etwas zu weit. „Mach einfach“, wurde sie von der jungen Frau ermuntert. Sie streichelte zärtlich Marions Oberarm. Diese schluckte leer. „Hast Du Durst?“ „Hast Du was da? Smirnoff oder so?“ Marion musste sich etwas Mut antrinken. Fast augenblicklich hielt sie ein kühles Smirnoff-Glas in der Hand. Intuitiv kletterte sie auf die Bühne und nahm ihr Saxophon aus der Hülle. „Du bist sehr schön“, flüsterte die Frau. „Stell Dich jetzt einfach hin und spiel etwas. Ich zieh Dir jetzt die Augenbinde an.“ Marion bewegte sich wie in Trance, tunlichst darauf bedacht, möglichst viel von ihren Brüsten und ihrer Scham zu verdecken – was ihr mit dem Saxophon nur bedingt gelang.
Dann spielte sie los. „Lily was here.“ Candy Dulfer. Für diese war das Saxophon ja auch gewissermassen eine Metapher für Sexualität, wie ihre CD „Saxuality“ klar belegte. Auch wenn der Gitarrenpart fehlte, kriegte sie die Improvisation gar nicht mal so schlecht hin – nach all den Jahren. Erst fröstelte sie noch ein wenig, dann hatte sie sich warm gespielt. Sie spürte Scheinwerferwärme an ihren Oberarmen und an den Füssen. Wer sass denn da unten im kleinen Raum, vor den rot bedeckten Wänden? Marion spielte und spielte und kannte sich nicht mehr. Sie liess sich von den eigenen Tönen davon tragen, wagte sich an Supertramp- und Colosseum-Nummern heran und intonierte sogar „Money“ von Pink Floyd.
Es war totenstill. Niemand klatschte. Da hörte sie eine bekannte Stimme. „Oh Gott bist Du schön.“
Marion hielt es nicht mehr aus und riss sich die Binde von den Augen. Vor ihr sass Bernd, ihr Mann. „Komm zu mir, Schatz, wir sind allein.“ Marion erstarrte. „Bernd...“
„Ich habe das Inserat aufgegeben, um Dich neu kennen zu lernen. Ich wusste, dass ich Dich neu kennen lernen würde, sofern Du Dich meldest – Du untreue kleine Nutte.“ „Eine Nutte bin ich nicht gerade... aber... na ja.“
Marion stellte das Sax in eine Ecke und kletterte vom Bühnenrand. „Nimm das Instrument mit“, forderte Bernd sie auf. „Ich bin übrigens kein Sexmaniac – der Raum hier gehört einem guten Freund. Alles inszeniert also.“
„Etwas viel Aufwand, um mich neu kennen zu lernen – findest Du nicht?“
„Ja, aber unsere Liebe ist es Wert“, flüsterte Bernd und entledigte sich seiner Jeans. Darunter war er nackt. So prall hatte Marion seinen Schwanz nicht in Erinnerung. „Komm auf meinen Schoss, komm...“, wisperte Bernd. „Sind wir allein?“ „Aber ja doch – Irina ist längst nach Hause gegangen“, beruhigte Bernd seine Geliebte.
Dann begann – in Abwesenheit jeglicher Kameras – eines der schönsten Schauspiele dieser Welt. Marion senkte sich vorsichtig auf Bernds Pfahl. Sie war klitschnass – das Spielen, die Erregung, die Erwartung, die Spannung hatten sie ungemein geil gemacht.
Sie setzte das Saxophon an die Lippen, und Bernd vögelte zärtlich Musik aus ihr heraus, Ton für Ton, Kadenz für Kadenz, Takt für Takt.
Lily was here.
Pünktlich um 21:00 Uhr standen Bernd und Marion, als wäre nichts gewesen, vor ihrer Haustür und bedankten sich bei Gaby für deren gute Dienste.
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