Traf er Carola, war es, als lebte er in einer anderen Welt. Er war willkommen mit all seinen Sehnsüchten ohne eingesperrt zu werden in Erwartungen, die er nicht erfüllen konnte. Und da sie keine Anstalten machte, ihn in sein Leben zu integrieren, nur seine Anwesenheit genoss mit jedem Atemzug, zerrte nichts in ihm, diese Gratwanderung zwischen wahr gewordenem Traum und unverändertem alltäglichem Leben zu beenden.
Seine Frau nahm zufrieden zur Kenntnis, dass er ausgeglichener, weniger gestresst und niedergeschlagen war, insbesondere nicht mehr total erledigt und anlehnungsbedürftig von seinen Dienstreisen heimkehrte.
All die Signale, die Ehefrauen misstrauisch machen müssten, gute Laune beim Aufbruch in die Arbeit wie auch beim nach Hause kommen, unverhoffte Aufmerksamkeiten, unerklärliche Fröhlichkeit, einfühlsamer, leidenschaftlicher Sex, all diese Anzeichen für eine Affäre missdeutete sie. Sie schrieb es einem besseren Klima im Büro oder dem Fehlen häuslicher Probleme zu, dachte aber eigentlich überhaupt nicht darüber nach. Sie genoss es, nicht mit sexuellem Notstand und der daraus resultierenden Laune aufgekratzten männlichen Beleidigtseins konfrontiert, bei eigenem Bedarf aber aufmerksam verwöhnt zu werden. Sie hielt ihre intime Beziehung, ohne sich selbst nur annähernd bewegt zu haben, für gebessert, weil mann endlich begriffen hatte, dass die Regungen der Frau ein scheues Reh sind, für die er stets hellhörig bereit zu sein hatte, eigenes aber niemals fordernd sein dürfe. Nun war es so weit, und sie war’s zufrieden.
*
Nicht lange und Carola stieg nur noch in die hohen, schwarzen Schuhe für die intime Begegnung, eine letzte, kleine Hommage an das, was sie zusammen geführt hatte.
Das empfand er eigenartiger Weise noch gar nicht als Verlust, denn nach wie vor musste sie vieles an Vorbereitung für ihr Treffen bewältigen und nicht ein einziges Mal hatte sie ihn versetzt, nicht wegen des Jobs, nicht wegen einer Vorlesung oder eines Seminars. Seinen kleinen schmutzigen Wünschen entsprach sie wohlwollend und keine seiner ungewöhnlichen Liebkosungen wies sie je zurück. Hingebungsvoll war sie, nah, empfänglich für ihn, seinen Leib und seine Seele. Was mehr konnte er wünschen?
* * *
Die Sonne schien ihnen schon ins Gesicht, aber sie machte keine Anstalten, aus dem Bett aufzustehen. Ihre süße Melancholie war einer deprimierten Gemütslage gewichen, aus der er sie nicht erheitern konnte.
Er richtete sich auf, stützte sich auf seinen Ellbogen und streichelte ihr Haar, ihre Wangen, sah ihr lange ins Gesicht. Was ist? stellte er diese stets unselige Frage, aber die Zeit war gekommen. Endlich sah er es wieder, dieses sympathische, melancholische Lächeln. Das weißt Du selbst, antwortete sie sibyllinisch.
Er verstand nicht ganz, wenngleich er ahnte, dass sie vielleicht nicht mehr damit zufrieden sein könnte, gelegentlich diese sinnlichen Inseln in Raum und Zeit zu besuchen, um dann wieder allein in den Alltag zurückzukehren. Er zähmte seinen üblichen Redeschwall und wartete.
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