Sie hatte auf einer Vorbesprechung in neutraler Umgebung bestanden und das war ihm ganz recht so, sein Vorhaben bedurfte eines ruhigen, überlegten Herangehens, in dem Missstimmungen frühzeitig erkannt und ausgeräumt wurden, sonst würde es ihm nicht die erhoffte Befriedigung verschaffen. Freundlich begrüßte sie ihn, ohne jede Verlegenheit, und setzte sich zu ihm an den Tisch. Er merkte, dass sein erster Eindruck von wenigen Momenten vorher wohl ziemlich unzutreffend gewesen war. Unbefangen plaudernd kam sie in kaum merkbarer Zielstrebigkeit auf alles zu sprechen, was die näheren Umstände ihrer Aufgabenstellung betraf. Von den genannten Rahmenbedingungen wie auch von seiner Person schien sie einen positiven Eindruck zu gewinnen, da ihr Gespräch sich vom zentralen Thema entfernte und zwanglos in eines über Gott und die Welt mündete, alltägliche Vorlieben in Freizeit, Musik und Kulinarischen behandelnd. Bei all dem entwickelte sie keinerlei Redefluss, wahrte ihren Stil der stillen, zurückhaltenden, aber sehr aufmerksamen, interessierten Gesprächspartnerin, der er am Ende wesentlich mehr offenbart hatte als sie ihm.
Als sie sich verabschiedete, erschien sie ihm vertraut und geheimnisvoll zugleich. Gebannt sah er ihr nach. Dieser ruhige Schritt war nicht einmal ansatzweise auf Wirkung bedacht und ließ ihn gerade deshalb frösteln in all der Hitze, die ihn durchströmte. In seinem begehrenden Blick auf ihre Beine, ihre Taille, ihren Po, ihre Schultern, ihr Haar ertappte ihn ihr Lächeln über die Schulter zurück, kein wenig kokett, nur warmherzig, liebevoll, fast, ja fast schon ein wenig intim.
Er sehnte sich jetzt schon nach einem Wiedersehen.
* * *
Eigentlich war es ihm viel zu grell in diesem Geschäft, ein Flutlicht aus Neonröhren ließ nicht den geringsten Schatten zu. Aber seinen Zweck erfüllte es in idealer Weise.
Carola hatte die Aufgabe übernommen, den ersten Teil des beschlossenen Projekts zu verwirklichen. Er hatte ein Inserat im Anzeigenblatt jener Großstadt veröffentlicht, die er regelmäßig im Rahmen seiner Dienstreisen besuchte, und ihre Bewerbung hatte ihn in ihrem zögerlichen Interesse sofort angesprochen. Anfang Zwanzig war sie, studierte Mediendesign, jobbte als Kellnerin und gelegentlich als Komparsin am Staatstheater.
An einem markanten Punkt in der Fußgängerzone hatten sie sich verabredet, nachdem er ihr telefonisch das Ende seiner geschäftlichen Verpflichtungen mitgeteilt hafte. Freudig hatte sie ihn begrüßt mit ihrer stillen Art, die alles andere war als verschlossen. Nur vermied sie eben jeden belanglosen SmaII-Talk, der immer nur ablenken soll von Unsicherheit oder Ratlosigkeit, wie denn mit dem Anderen umzugehen sei. Das wiederum schien sie sehr genau zu wissen, ohne irgendwie bestimmend zu wirken. Es hätte ihn auch abgeschreckt, obwohl er zu Beginn seiner Unternehmung damit gerechnet hatte, einer solchen Dame zu begegnen, ein ungutes Gefühl, und er hatte nicht gewusst, ob er dann nicht das Handtuch geworfen hätte.
Unendlich weit entfernt lag dies bereits, obwohl seither erst knappe vier Wochen vergangen waren. Er jedenfalls fühlte sich unglaublich wohl in ihrer Begleitung, und so strebten sie beide gut gelaunt ihrem Ziel zu. Nur schlug ihm das Herz bis zum Hals, was er nicht ganz verbergen konnte. Sie hingegen schien derlei Irritation nicht zu verspüren.
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