Sie wurde als bekannte Kundin begrüßt, da sie im Vorfeld schon dafür Sorge getragen hatte, dass alles, was sein Herz begehren könnte, in ihrer Größe zur Verfügung stand. Ihn hieß man in formeller, diskreter Freundlichkeit willkommen. Er galt wohl als ältlicher Geliebter, Chef, begüterter Zweitverheirateter oder sonst etwas in dieser Richtung, was nichts Ungewöhnliches zu sein schien. Auf einem geräumigen Designersofa durfte er Platz nehmen und sein Getränk wählen, um dann aus den angebotenen Dessous zu wählen.
Sie schien richtig Spaß zu haben an der fachkundigen Auswahl dessen, was ihr stehen und ihm gefallen könnte. Für ihn war es eine lustvolle Qual, in der er sich mehr und mehr orientierungslos treiben ließ: Sie sah einfach blendend aus in Korsett, Korsage, Strümpfen mit und ohne Strumpfhaltern, Push-Ups, Balcontees, Panties, Strings, Rio-Slips, in weiß, schwarz, flieder, dunkelrot sowie diversen Kombinationen unterschiedlicher Gewebestrukturen, mal fest einschnürend und formend, mal als hauchdünne Gaze mehr ent- als verhüllend.
Wie sollte er hier eine Entscheidung treffen? Mit seinem Leiden und seiner glücklichen Ratlosigkeit wuchs ihre Fröhlichkeit. In gut gelaunter Nüchternheit unterband sie seine im Status der erregten Verwirrung geäußerte Kapitulation: Alles einpacken! Sie bemängelte ein Detail bei dem einen, die Farbnuance bei dem anderen Kleindungsstück und filterte damit die Juwelen heraus, jene Teile, die für sie bestimmt waren. Jede Wahl, die seine Zustimmung fand, begleitete sie mit einem breiten, zufriedenen Lächeln.
Auch die beiden Verkäuferinnen hatten Freude an der Arbeit. Denn hier fehlte jene nicht seltene Verbissenheit, mit der immer wieder nach der textilen Lösung für ein Problem gesucht wurde, das sich nicht im Bereich des Dinglichen bewältigen ließ.
Zu allem trug sie ihre hohen schwarzen Lackschuhe, zu diesen musste das gewählte Stück passen, hier akzeptierte sie keinen Kompromiss — Tanzschuhe mit Wildledersohle, auf denen sie jederzeit sicheren Stand hatte, wie er mit dem Blick des Kenners schon festgestellt hatte.
Es war ihm sehr recht so. Gelegentlich, vor langer Zeit, in einem anderen Leben hatte seine Liebste auch einfach nur diese Klassiker getragen, wenn sie ihn ins Bett oder vor die Spiegelkommode, auf den Küchentisch oder ans Waschbecken lockte. Warum ihn das stets mitten ins Herz getroffen hatte, verstehen letztlich wohl nur Männer. Dies noch einmal hautnah zu erleben, erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung.
Nach einer endlosen Folge von Vorhang auf, Herantreten an das Sofa, auf dem er saß, ein fragender, amüsierter Blick in seine Richtung, umdrehen, prüfender Blick in die Spiegel, Diskussion, schlossen sie die Modenschau ab und er bezahlte Dank Carolas beherzter Interventionen in seinem Kaufrausch nur eine annähernd astronomische Summe. Mit Tüten bepackt verließen sie heiter den Laden.
Das war nur der Anfang.
* * *
Die Suite war riesig. Wie er gebeten hatte, war die Polstersitzgruppe an die Wand gegenüber der vollverglasten Fassadenseite verlagert worden und Tische und Stühle des ausladenden Speise- und Konferenzbereichs hatte man gänzlich entfernt. Zwischen Flur, Bade- und Schlafzimmer hin zum Wohnbereich war nun fast ein Ballsaal entstanden.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.