Neulich beim Friseur

aus "Gedanken zum Wochenende"

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Neulich beim Friseur

Neulich beim Friseur

Hans

Eine neue Frisur wirkt Wunder. Sagt man jedenfalls. Auch Zeltinger wusste schon ein Lied davon zu singen. Ok. Ich bin ja nicht faul, also auf zum Friseur. Dort reihte ich mich erstmal in die Schlange der Wartenden ein. Dann war ich dran. Wie soll's denn diesmal sein? fragte mich die nette Friseuse. Äh... kurz. Sagte ich. Sehr kurz. Eigentlich rasiert.
Stille.
Die nette junge Frau sah mich an. Rasiert?
Ja. Rasiert. Ich lächelte sie an, versuchte, ihr über die peinliche Stille hinwegzuhelfen. Wissen Sie, ich trage mich schon länger mit diesem Gedanken...
Jetzt lächelte sie endlich auch. Ach, Sie sind wohl auch Fußballfan?
Nein, lachte ich zurück, aber wenn hunderte von Weltklassefußballern ohne Haare herumlaufen können, dann kann ich das doch sicher auch?
Ja, natürlich antwortete sie, etwas zu schnell. Und - sie stockte - wo soll ich Sie rasieren?
Da, wo es nötig ist.
Schon wieder Stille. Im Hintergrund hörte ich, wie sich jemand verschluckte.
Überall?
Nun, der Bart ist zu lang, ich möchte mir endlich mal wieder eine richtige Rasur gönnen. Ach ja, und die Haare können auch ein paar Zentimeter kürzer werden. Ist das so schlimm?
Nein... ich - dachte nur...
Was denn?
Ach nichts, antwortete sie und griff zur Schere.
Da ich bei Ihrem Werk erstmal nicht so sehr aufpassen musste - ich unterstellte ihr, dass sie ihr Handwerk beherrschte - griff ich mir die Frauenzeitschrift, die vor mir lag. Warum werden Männer eigentlich belächelt, wenn sie Frauenzeitschriften in der Öffentlichkeit lesen? Der Playboy ist nur im heimischen Schlafzimmer erlaubt, und Frauenzeitschriften reizen zum Lächeln. Dabei beinhalten sie durchaus auch für uns Herren der Schöpfung interessante Themen. Und diese erst recht. Ich erinnerte mich, dass ich diese Ausgabe bereits in der Hand gehalten hatte. Eine Kollegin hatte sie mir auf den Schreibtisch gelegt. Das heißt, sie hat sie auf das gelegt, was diffus nach Schreibtisch, eigentlich aber eher nach Museum für ungeliebte Schriftstücke und Akten aussah. Natürlich aufgeschlagen.
Nein, ich fand dort keine dezenten Hinweise, wie Mann mehr aus seinem Typ machen könne. Es ging um Karrieretipps, die ausgerechnet in Hinblick auf die Organisation des Büroalltages und besonders des Museums, sorry, des Schreibtisches ausgerichtet waren. Ein ordentlicher Schreibtisch solle positive Signale versenden!
Nun, ich sehe das ähnlich. Aber bei mir kommen die Signale nur an als Hymne mit Inhalt "bitte müll mich zu"...
Warum erzähle ich das überhaupt?
Nun, ich habe den Artikel interessiert gelesen und die Zeitschrift dann freundlich ihrer Besitzerin zurückgegeben. Nicht ohne ein wohlwollendes Wort über den informativen Artikel fallen zu lassen.
Aber geblättert habe ich nicht.
Und hier, unter den sachkundigen Händen meiner netten Friseuse, finde ich genau den Artikel, der mich interessiert hätte. Er handelte von der Pflege der "Bikinizone". Genauer deren Rasur oder Nicht-Rasur. Die meisten Befragten (eigentlich alle noch recht jung und mit Bild) gaben an, zu rasieren oder zu stutzen. Urwald hatten nur ein oder zwei vorzuweisen. Wohingegen die Meinung der Autoren gespalten waren: die Autorin rasierte, der Autor nicht. Typisch?
Auf jeden Fall wusste ich nun, was die Friseuse, die inzwischen die Rasur meiner Kinnpartie zu Ende brachte, gedacht hatte. Naja, ein wenig gemein hatte ich mein Ansinnen ja schon vorgetragen.
Am Tag darauf, wir hatten von der Leitung ein gemeinsames Abteilungsessen in einem Restaurant spendiert bekommen, kam meine Kollegin wieder auf diese Zeitung zu sprechen. Wir redeten über den für mich so essentiellen Artikel, dann kam sie auf spannendere Themen zu sprechen. Sag mal, hast du diesen anderen Artikel gelesen? Nein, welchen denn? Sie fasste kurz den Artikel über Intimfrisuren, von Wachs bis zum Scherenschnitt zusammen. Aha. Und, wie ist das denn nun bei Männern? Bei Frauen weiß ich es ja, dass es manche machen, aber Männer?
Ich grinste. Und antwortete, dass ich in den Duschen der Schwimmbäder eigentlich nie rasierte Männer sähe.
Dann die entscheidende Frage. Und wie ist es bei dir? Was? Na, rasierst du?
An dem Abend blieb ich die Antwort schuldig. Obwohl die Antwort einfach gewesen wäre. Schon seit einiger Zeit bin ich Nutzer eines Damenrasierers. Lacht hier jemand? Schließlich hat Mann nicht überall derbe Männerhaut...
Und aus Gesprächen mit Frauen weiß ich, dass ich sicher nicht der einzige bin. Selbst in der Altersgruppe über 30. Es hat einfach seine unbestreitbaren Vorzüge. Und: woanders lasse ich die Haare ja auch nicht wild wachsen...
Nur den Besuch beim Intimfriseur zur Wachsenthaarung werde ich wohl so schnell nicht antreten. Schließlich bin ich nicht direkt schmerzgeil. Zumindest nicht, wenn ich dafür auch noch deftig zahlen darf...
Wunder habe ich übrigens noch keine erlebt. Weder nach dem Besuch bei meiner freundlichen Friseuse noch nach dem privaten Cut...
In diesem Sinne: ein schönes schmerz-(und auch sonst) freies Wochenende.

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