Nicht alles was glänzt ist Gold

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Nicht alles was glänzt ist Gold

Nicht alles was glänzt ist Gold

Reneé Hawk

Ich sah diese Beine, diese unendlich langen Beine, diese Figur, so eine unendlich schönes, reines, makelloses Aussehen. Ich war geblendet. Ich musste diese Frau ansprechen, ein Wort nur würde mir genügen, ich wäre still und würde sie nur noch bewundern. Mein Herz zitterte, mein Körper bebte und ein Schweißfilm legte sich über meine Handinnenflächen. ’Was jetzt? So kannst du doch der Dame nicht begegnen? Ich muss in die Toilette.’ Und so machte ich mich auf den Weg ins Bahnhofsklo. Ein Automat erwartete mich, eine Mark sollte ich hinein- werfen, eine Mark für einmal Hände waschen und Haare kämmen? Nein, das war zuviel, das wollte ich auf keinen Fall. Aber wenn ich mich nicht beeilte ist die Dame weg. Wieder dachte ich an die Beine, die langen, schlanken Beine. Ich sah, wie die Dame elegant in ihrem roten Kostüm den Weg in Richtung Fahrkartenschalter einschlug. Mir fiel sie gleich auf. Das enge Kostüm, die passenden Schuhe, das kleine niedliche Hütchen mit dem Schleier und der kleine Hund auf ihrem Arm. Ich wünschte mir in diesem Moment, ich wäre der Hund. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. Mir klatschte eine Hand auf die Schulter. Ich erschrak und drehte mich um.
„Willste was?“, fragte mich ein schmierig aussehender Kerl mit langen, fettigen Haaren und einem alkoholisierten Atem.
„Nein, nein. Ich will mir nur die Hände waschen.“, sagte ich schüchtern und im gleichen Augenblick verfluchte ich mich, dass ich überhaupt reagiert hatte.
„Willste wirklich nix kaufen? Hab’ alles da. Auch für so feine Pinkel wie dich.“, lachte er mir schäbig ins Gesicht.
Ich wandte mich aus seiner nikotinvergilbten Hand heraus und lächelte als Antwort zurück. ’Nix wie raus hier. Scheiß auf’s Händewaschen. Wird schon so gehen.’, beschloss ich und ging wieder in Richtung Bahnhofsvorhalle, wo sich auch der Fahrkartenschalter befand. Ich hoffte inständig die Dame noch vorzufinden. Und da sah ich sie.
Noch stand niemand hinter ihr, ich nahm diese Gelegenheit war und platzierte mich hinter sie. ’Dieser Duft, dieser Duft.’, ich war blind und taub und hatte nur noch diesen Duft von Opium in meiner Nase.
„Immer dieses lange warten.“, flüsterte ich und hoffte, damit die Aufmerksamkeit der Dame zu erhaschen. Ich wartete und genoss den Duft ihres Parfüms. Meinen Blick ließ ich wandern. Die blonden Haare, halb lang und lockig, lagen fein gekämmt auf ihrer Schulter, der Verschluss der Halskette war mit einer Perle besetzt, der Hals war schlank und elegant, die Haut wies keine Falte auf, sie war jung, sie war schön, sie sollte mir gehören. Ich schaute auf die Schultern, ich war begeistert, sie waren nicht so schmal, sie waren aber auch nicht zu breit, dann der Rücken, eine gerade Linie vom Kopf bis hinunter an die Ferse. Ich blieb bei den Hüften, auch hier entdeckte ich keine überflüssigen Pölsterchen. Alles war perfekt. Ich flüsterte noch einmal:
„Diese Warterei macht einen ganz mürbe.“, und da erhaschte ich ihre Aufmerksamkeit, sie drehte sich zu mir um und lächelte mich an. Ich war überglücklich, ein Lächeln hatte sie mir geschenkt. Ich musste die Gunst der Stunde wahrnehmen und fragte:
„Fahren sie auch mit der Bahn?“, ‚Bin ich ein Trottel, was mach ich denn?’, schoss es mir gleich durch den Kopf. Ich war doch wirklich nicht mehr Zurechnungsfähig. Diese Frau brachte mich durcheinander. Sie schaffte es, mich innerhalb weniger Sekunden zum Hampelmann zu machen.
„Verzeihung, was sagten sie?“, fragte eine männliche Stimme.
Mein Blick war wie paralysiert, ich konnte kaum glauben was ich hörte. Ich schluckte und wurde rot, ich spürte, wie sich mein komplettes Blut in Richtung Kopf bewegte.
„Ach nix, ich sprach mit meiner Frau.“, log ich und angelte blitzschnell in meiner Jackentasche nach meinem Handy.
„Ich dachte, sie meinen mich.“, sagte der Mann vor mir im roten Kostüm und drehte sich wieder um.

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