One Night Stand

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One Night Stand

One Night Stand

Ruth Gogoll

»Küß mich zum Abschied.« Sie lag seitlich lang hingestreckt auf dem Bett, stützte sich ein wenig auf dem Ellbogen ab und blickte zu mir hoch.
Ich kämpfte mit mir. Gerade eben hatte ich meine Jacke angezogen, um zu gehen. Und ich hatte wirklich gehen wollen. Ich hatte ihre Avancen bemerkt, den ganzen Abend schon, aber ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mit ihr zu schlafen. Ich wollte es nicht. Ich hatte mich nicht deshalb mit ihr getroffen. Und sie war betrunken. Ziemlich, wenn auch nicht so, daß es unangenehm hätte sein können. Sie war nicht mein Typ. Sie hatte mir einen äußerst unterhaltsamen, amüsanten Abend bereitet, der sonst wohl eher öde verlaufen wäre. Meine Stimmung war nicht die beste gewesen, bevor sie angerufen hatte. Uns dann zu einem Bier in irgendeiner Kneipe zu treffen, war mir als eine echt gute Idee erschienen, um mich vor meiner beginnenden Frustration zu bewahren. Aber ich spürte es nicht, das Kribbeln, das mich zu einer Frau ins Bett zog. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt einen Schritt in diese Richtung machen sollte, auch wenn ich ja immer noch nein sagen konnte. Aber das war ja gerade mein Problem. Mit dem Neinsagen hatte ich es nicht so. Das fiel mir schwer.
Ich zögerte immer noch. Sie sah mich mit einem herausfordernden Lächeln von unten an und ließ mir Zeit. Sie erwartete meine Zustimmung, das konnte ich deutlich an ihrem Gesicht ablesen, aber sie drängte mich nicht. Ich ließ mich mit einem Knie auf das Bett nieder und beugte mich über sie. Im Licht der kleinen Dekorationslämpchen, die sie am Fußende ihres Bettes installiert hatte, sah sie sehr jung aus. Ich berührte ihre Lippen mit meinen und sie verschlang mich fast. Nachdem ich mich wieder von ihr gelöst hatte, sagte sie leise, »Ich will nicht, daß du gehst.« Ihre Augen suchten dabei die meinen, die sie im Schatten der farbigen Minilichtquellen aber wohl kaum erkennen konnte. Sie zog mich wieder zu sich hinunter und küßte mich erneut. Dann ließ sie mich los und lachte ein wenig glucksend. »Weißt du, wovon ich das jetzt abhängig gemacht habe?« Ich verstand sie nicht sofort. Sie warf sich auf den Rücken und lachte immer noch. »Davon!« Sie sah mich an. »Du kannst toll küssen.« Jetzt wußte ich, was sie gemeint hatte. Vielleicht ein etwas ungewöhnliches Kriterium, wenn man es allein betrachtete, aber als Auftakt für eine gemeinsame Nacht – warum nicht? Ich mußte lächeln, einerseits über das Kompliment, andererseits über ihre direkte Art.

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