Pflanzenliebe

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"Du mußt mit deiner Pflanze sprechen, damit sie besser wächst", hatte ich mir sagen lassen, und ich sprach zu ihr: "Du siehst stockhäßlich aus mit deinen braunen Blättern. Wenn sich das nicht bald ändert reiß‘ ich se dir alle raus, und dann stehst’ de da wie ‘n skelettierter Förster ohne Jackett. Willst de das, hä? Du braune Sau! Ich will, daß de grün wirst, kapiert?"
Zum Beweis, daß ich nicht spaßte, riß ich ihr sofort ein Blatt vom Stiel und rollte es zu einem Zigarillo zusammen und zündete es an.
"Ich hab‘ sowieso den längeren Atem", sagte ich zu der Wehrlosen im Blumentopf, blies ihr den Rauch des verdorbenen Körperteils ins Gesicht und drückte die Kippe zwischen ihren Füßen aus.
Danach wurde mir kotzübel, und ich mußte aufs Klo. Meine Show war gut, aber der Abgang war scheiße, dachte ich als ich spülte.
Und daß meine Wohnzimmerpflanze überhaupt nichts von dem begriffen hatte, was ich ihr erklärt hatte, zeigte sich eine Woche später. Die Farbe ihrer Blätter ging ins gelbliche über, und wenn ich wieder die Zigarilloschow abziehen wollte, zerbröselte sie dabei zu Staub, und beim Husten verbrannte ich mir den Rachen an den glühenden Partikeln.
So konnte das nicht weitergehen, und ich ging in einen Blumenladen, um mir den Rat einer Fachmännin zu besorgen. Ich erzählte ihr von meinen Unterhaltungen mit der Pflanze und bekam zu hören, daß ich der Blume in den Gesprächen mehr Zuwendung zeigen sollte – ich sollte sie Lieben!
Ja – Lieben. Hm… Was ist Liebe?
Zu Hause schaute ich im Lexikon nach – unter L!
"Liebe – ist die auf dem Fortpflanzungsbedürfnis beruhende Einstellung zum Partner, die mit wechselseitiger Anerkennung, Wertschätzung, Achtung, Hilfe, Förderung und sexueller Befriedigung verbunden ist."
Ja, was bildete sich diese Schnepfe aus dem Blumenladen denn ein? Sollte ich jetzt etwa zum Blumenficker werden? Ich bin doch kein Florist! Oder Florast, oder wie die auch immer heißen mögen – Sind das nicht diese Flower-Power-Affen, die immer nur Sex wollten, sich im Schlamm gesuhlt haben und nackt durch den Wald gerannt sind. Die, die jetzt schreien: "Rettet den Wald – Fickt Bäume!" Ne, ne, ne, nicht mit mir.
Ich entschied mich, der Pflanze eine andere Art von Liebe zu geben. Ich tat mit ihr das, was ein durchschnittliches deutsches Ehepaar sich während zwanzigjähriger Zweisamkeit an Liebe zukommen läßt. Ich ging jeden Morgen nach dem Aufstehen an der Blume vorbei und sagte: "Guten morgen, ich liebe dich, Schatz. Aber wo ist die Zeitung?"
Drei Wochen später hatte sie dann gar keine Blätter mehr. Sie hatte alle auf den Boden fallen lassen und ich änderte meinen allmorgendlichen Satz in: "Ich liebe dich, aber räum‘ doch mal deinen Mist hier weg, sonst laß ich mich scheiden."
Nachdem auch das nichts genützt hatte, probierte ich es noch drei Wochen lang mit: "Ich liebe dich, aber zieh doch mal wieder dein grünes Kleid an, Schatz!" was auch nicht zum Erfolge führte.
Meine Nachbarin gab mir irgendwann den Tip, ich sollte der Blume doch mal Musik vorspielen, dann würde die sich prächtig fühlen und wachsen und grünen und alles, und ich besorgte mir eine Wiewaldie-CD mit den vier Jahreszeiten drauf und spielte meiner Wohnzimmerpflanze den Frühling vor. Wohl etwas zu laut, denn bald rannte mir die Nachbarin, die mir den Tip gegeben hatte, die Tür ein und meinte, das wäre viel zu laut für so eine zierliche Pflanze, wie ich sie im Wohnzimmer hatte.
Außerdem wäre Mozart für diese Gewächs viel besser, meinte sie.
"Oder, wie wär’s denn mal mit Gießen?" fügte sie hinzu, nachdem sie kurz mit dem Finger im Blumentopf rumgepult hatte.
"Gießen? Was ist das denn für ein Komponist?" fragte ich.
Sie erklärte mir, daß sie meinte, daß die Blumentopferde einfach mal wieder befeuchtet werden müsse. Und ich schmiß sie raus und kickte ihr die Pflanze hinterher.
Ich hasse dieses Florastenpack!

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