Phryne

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Phryne

Phryne

Leif Larsson

Carlo, dem der leichte Anflug von Enttäuschung in ihren großen Augen nicht entgangen war, beeilte sich, ihr zu versichern, er stünde selbstverständlich zu Ihrer Verfügung
„Ich bestehe darauf!“ bekräftigte sie und sah ihn versonnen an.
Ehe er antworten konnte erhoben sich die ältliche Österreicherin und ihr ungarischer Verehrer unter lautem Gelächter von ihren Plätzen und ließen den übellaunigen Sizilianer allein zurück.
„Der Saal hier wird mir langsam zu ungemütlich. Was halten sie von einem Lokalwechsel?“ schlug Sina van der Moelen unvermittelt vor und klimperte herausfordernd mit den Ohrringen.
„Gerne.“ erwiderte Carlo mit einem Seitenblick auf den Italiener, der mit glasigen Augen herüberstierte. „Denken Sie an etwas Bestimmtes?“
Sie drückte den erhobenen Zeigefinger an die Lippen und schaute über den Rand ihrer Brille als ob sie nachdenke. „Wissen Sie was? Nach diesem anstrengenden Tag würde ich mich zu gerne in der Delfin-Therme noch ein wenig entspannen. Sie leisten mir doch Gesellschaft?“
„In Ihrer wunderschönen Delfin-Therme? Ich wüsste nicht, was ich lieber täte!“
„Ich danke Ihnen, dass Sie mir ihre Zeit und ihre Gegenwart schenken.“ sagte sie und legte ihm ihre schmale Hand auf den Unterarm. Ihr Oberkörper war ihm so nahe gekommen, dass er den Duft ihres Parfums deutlich wahrnehmen konnte. Carlo spürte, wie sich seine Männlichkeit in den Bereitschaftszustand versetzte. Bisher hatte sie den ihr zugewiesenen Platz in komprimierter Form akzeptiert, doch nun begann sie raumgreifend an der Kette zu zerren. Um seine Verlegenheit zu überspielen, griff er zum Weinglas und feuchtete seine trockene Kehle mit einigen Schlucken an.
„Apropos Zeit.“ begann er mit brüchiger Stimme und sah auf seine Armbanduhr. Er räusperte sich und fuhr fort: „So ein Pech! Das Bad ist leider bereits geschlossen.“
„Nicht für uns!“ erwiderte sie mit einem triumphierenden Lächeln. „Wenn Sie nachher hinunter ins Hotel fahren, gibt Ihnen mein Fahrer den Generalschlüssel. Er hat ihn stets im Handschuhfach, für den Fall, dass mir nach einem langen Arbeitstag nach einer Runde Schwimmen ist. Er wird den Nachtportier veranlassen, die Technik wieder hochzufahren. Gehen Sie einfach schon mal vor. Ich werde nachkommen, sobald ich die letzten Gäste verabschiedet habe.“
„Vorsicht,“ warnte er, „manche sitzen und sitzen, selbst wenn der Gastgeber schon längst unter dem Tisch liegt.“
„Keine Sorge.“ gab sie zurück und lächelte belustigt über sein drastisches Beispiel. „Das wird bei mir nicht der Fall sein.“

Sie erhoben sich gleichzeitig. Carlo nickte dem mit halb geschlossenen Lidern in seinem Stuhl hängenden Italiener zu und schloss hastig sein Sacco, um die verräterische Beule im Schritt zu verbergen. Während Sina van der Moelen um die lange Tafel herumstöckelte, um sich bei den Dinnergästen mit dem ausdauernsten Sitzfleisch charmant für ihr Kommen zu bedanken, begab er sich in das Foyer, wo sich nur noch wenige Besucher aufhielten. Sein Chauffeur wartete bereits zeitunglesend in einem englischen Ledersessel. Als sich Carlo seinen Mantel geben ließ, erhob sich der Fahrer, setzte seine Mütze mit routinierter Handbewegung korrekt auf den Scheitel und verschwand durch die Schwingtür, um den Wagen vorzufahren.

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