Ich muss hier weg, sonst werde ich noch schwach. Natürlich würde ich mich gern weiterschieben lassen und natürlich würde ich ihn gern weiter in meiner Nähe wissen. Aber das darf ich ihm weder sagen, noch ihm das Gefühl dazu vermitteln. Nicht bei unserem ersten Treffen. Gut, dass er freiwillig den Weg freigibt. Langsam rolle ich an ihm vorbei, sehe ihn ein letztes Mal an und fahre durch die Glastür, die sich elektrisch zur Seite schiebt.
Bastian: Eigentlich habe ich nicht damit gerechnet sie schieben zu dürfen. Keine Ahnung, was mich spontan die Jacke schnappen und auf die Straße laufen ließ. Hat einen schönen Zahn, drauf die Hübsche.
Ich muss sie überraschen, nur so kann es gehen. Wenn ich mich ihr einfach in den Weg stelle, wird sie vermutlich stinksauer reagieren und mich zum Jordan jagen.
Mir gelingt es sie einzuholen und sie zu verwirren. Erfreut, dass ich sie so einfach anschubse, ist sie nicht. Will, dass ich sie loslasse und verschwinde. Das ich sie schon fast zwei Monate heimlich beobachte und bespanne, kann ich ihr schlecht verraten. Aber vorstellen, höflich und nett, wie man das eben so macht, sollte ja wohl erlaubt sein.
Kein besonders origineller Einstieg, aber der scheint mir bei ihr auch völlig fehl am Platz zu sein. Ich schätze sie jedenfalls so ein.
Mein Eindruck ist, dass sie nicht einfach nur im Büro arbeitet, sondern schon etwas macht, was anspruchsvoll ist und Grips erfordert. Keinesfalls ist sie eine von den Frauen, die sich mit einem flachen Spruch beindrucken und abschleppen lassen.
„Bastian Arndt.“, stelle ich mich vor. Aber das scheint sie nicht besonders zu wundern. Eher kommt es mir vor, als würde sie mein Anblick überraschen. Das Ängstliche in ihrer Stimme, das eben noch überdeutlich rauszuhören war, wird mit jedem ihrer Sätze weniger. Ihre Augen scannen mein Gesicht und entdecken etwas, was sie sofort entspannen lässt. Auch mein Herzklopfen lässt nach, wenigstens etwas. Selbstverständlich bin ich aufgeregt. Wohl auch, weil ich aus der Übung bin, was flirten angeht. Frauen anbaggern war noch nie meine Stärke, dafür bin ich zu schüchtern.
Mein Beruf bringt mich zwar immer mit vielen Menschen zusammen, aber auf einer anderen Ebene.
Der kurze Spaziergang mit ihr geht schnell vorbei. Ich schiebe sie, ihrem Wunsch folgend, bis vor die Tür des Supermarkts. Die Unterhaltung ist schön, am Ende fast entspannt. Dann verabschiedet sie sich. Die Chance, die sie mir gegeben hatte, ist offensichtlich vorbei.
Ich Depp hatte ihr -neben einigem anderen- gesagt, dass ich sie gern „Mietze“ nennen würde, weil sie sich so geschmeidig bewegen konnte. Fast hätte ich mich verplappert, dass ich sie beobachte. Sauber, gerade noch so die Kurve gekriegt, als ich was von glänzendem Fell und Muschi fasele, was ich auf ihre Haare beziehe. Und sie? Hat nichts Besseres zu tun, als mir das Fettnäpfchen vor Augen zu halten, in das ich beidfüßig reingesprungen bin.
Natürlich kann ich nicht wissen, ob ihre Muschi auch so schwarze Haare schmücken. Mir ist heiß im Gesicht und vermutlich bin ich kirschrot angelaufen. Sie macht das souverän und erlöst mich aus der Schockstarre.
„Anni Wendt, aber Mietze ist auch ok“, lächelt sie. Mein Herz macht einen kleinen Extrahüpfer. So schlecht scheint es dann doch nicht gelaufen zu sein. Anni, der Name passt zu ihr.
Sie bleibt bei ihrer Verabschiedung, zwinkert mir kurz zu und verschwindet durch die Glastür, ohne sich umzudrehen. Sie selbst mag kein Mitleid, aber mir wirft sie ganz genau so einen Blick zu, bemitleidend eben. Mit leicht hängenden Schultern und Händen tief in den Hosentaschen, trotte ich zurück in meine Bude. Mist, das hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Wie, kann ich allerdings auch nicht sagen.
Anni: So schnell wie ich in den Laden rein bin, will ich auch wieder raus. Die Kassiererin war so freundlich, meinen Einkauf in die Leinentasche zu packen und an meinem Rolli zu befestigen. Ich bin nervös, meine Hände feucht vor Aufregung. Die Olle könnte sich ruhig etwas beeilen. Verdammt, warum dauert das so lange?
Die leise Hoffnung, er könnte doch vor dem Eingang gewartet haben, zerschlägt sich mit dem Aufschieben der Glastür. Man Anni, der Typ hat dir in der kurzen Zeit ganz schön den Kopf verdreht, denke ich und bin fast enttäuscht, dass er weg ist. Aber wieso, ich hatte ihm doch unmissverständlich klar gemacht, dass seine Zeit vor der Tür abgelaufen war, wie kann ich da enttäuscht sein. Und doch bin ich es. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, weil ich an ihn denke und meine Nippel hart werden. Sie scheuern unsanft an dem Stoff meines BH‘s. Ausgerechnet der süße Reiz an meinen Knospen macht mich noch geiler. Und diese Geilheit lässt mich sogar feucht werden. Ich spüre es deutlich. Je mehr ich meine Oberschenkel zusammenpresse, desto schlimmer wird’s. Es kribbelt brutal in meiner Schnecke.
Schade, ausgerechnet jetzt wünsche ich mir mehr Mumm von ihm. Bei mir dürftest du Mann sein, trau dich. Ich hätte ihn schon nicht geprügelt, wenn er gewartet hätte. Im Gegenteil, gefreut hätte ich mich, wie ein Schneekönig, ohne es ihm zu zeigen natürlich. Meine Freundin hat mir mal gesagt, man dürfe nicht so schnell Zugeständnisse machen, eher auf unnahbar mimen, dadurch würde man sich interessant machen. Ausgerechnet die, die immer nur Nieten aus der Lostrommel potenzieller Bewerber zieht, knallt mir so’n Spruch rein. Und ich dumme Kuh habe nichts Besseres zu tun, als mir den auch noch zu merken.
Bastian Arndt, rein äußerlich nicht schlecht der Knecht. Jedenfalls mit Abstand das Beste, was mir nach Matthias über den Weg gelaufen ist. Nur, wenn er kein „Mann“ ist, wird’s schwierig. Ich brauche jemanden, der mir sagt wo’s langgeht. Einen, der die Richtung vorgibt, mir auch mal den geilen Arsch versohlt, wenn wir richtig geil ficken. Bisschen härter ist schon ok, wenn er die Grenzen akzeptiert, die ich ihm setze. Bis dahin darf er sich nehmen, was mein Körper ihm bietet.
Aber einen, der immer nur sagt: „…, wenn du meinst Schatz.“, oder „…, wenn du möchtest.“ So einen brauch ich nicht. Er muss eine eigene Meinung haben, nicht immer nur „ja“ sagen. Das sind für mich weichgespülte Schlafanzugträger. Als Freund vielleicht, für mein Bett geht das gar nicht.
Bastian Arndt, genau das muss ich rausfinden. Dazu muss ich dich kennenlernen. Besser - als nur die paar Meter bis zum Supermarkt, bei denen du meinen Rolli schiebst. Das bedeutet, du bekommst noch ein paar Chancen, dich zu beweisen, ansonsten landest du in der Friendzone und aus der gibt es nur selten ein Aufstieg. Das wäre im Fall „Basti“ fast schade, er gefällt mir wirklich.
****
Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. In der Glotze ist nur Müll, wie so oft und zum Lesen fehlt mir die Konzentration. Ich denke nach, über mich, meine Situation, mein Verhältnis zu Männern und nicht zuletzt auch über Bastian.
Ich komme zu dem Ergebnis, dass ich eigentlich zu viel alleine bin. Daran bin nur ich schuld, weil ich es so wollte. Doch nun wäre ich mehr als bereit, mich wieder auf körperliche Nähe einzulassen. Mit Bastian? Vielleicht. Aber auch sonst gibt es genug Bewerber, unter denen einige interessante Exemplare zu finden sind.
Ich stelle mich hinter die Gardine und beobachte den Häuserblock gegenüber. Bei Basti ist Licht, gut so. Vorsichtig und möglichst unauffällig schiebe ich mein Teleskop um die Gardine herum. Nur nicht zu viel die Gardine bewegen.
Es dauert, bis ich das richtige Fenster im Visier habe. Mein Bildausschnitt ist jetzt fast so groß, dass ein Fenster kaum in kompletter Größe hineinpasst. Aber es geht, ich finde seins. Es muss sein Wohnzimmer sein, denn ich sehe Licht flackern, bestimmt läuft der Fernseher im Hintergrund.
Meine Hand richtet das Fernrohr immer neu aus, fahre seine Fenster eins nach dem anderen ab. Jetzt entdecke ich es, warum ist es mir nicht schon längst aufgefallen? Ein Teleskop, in etwa so groß wie meines. Bestimmt auch ähnlich lichtstark. Was, wenn er … nicht auszudenken, wenn er … Verdammt, siedend heiß fällt mir ein, dass er mit dem Teil direkt in meine Wohnung sehen kann. Und was die Gardinen angeht, bin ich nachlässig, weil ich mich sicher fühle. Eine trügerische Sicherheit, wie ich jetzt feststelle. Das erklärt, woher er weiß, wie ich mich bewege. Was hat er gesagt? Geschmeidig, grazil und anmutig wie eine Katze? „Mietze“, jetzt ist klar, woher er sich sein Urteil gebildet hat.
Meine Hände werden feucht, wirklich nur die Hände? Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ich hoch Fieber. Eine innere Unruhe überkommt mich. Er kennt mich also besser, als es mir gerade lieb ist, wahrscheinlich sogar nackt, weil ich nach dem Duschen gern nackt bin. Ich genieße es, ohne kneifende Kleidung durch die Wohnung zu gehen und es mir auf der Couch völlig frei gemütlich zu machen. Mit einem Glas Wein und einem guten Buch auf dem Bauch.
Kurz wird mir noch heißer, könnte er mich auch mit dem Dildo beobachtet haben? Kommt doch ziemlich oft vor, dass ich ihn mir in die nasse Möse schiebe, solange, bis ich einen erlösenden Abflug erlebe. Sollte er etwa …?
Er hat, insgeheim weiß ich es.
Es sollte mir peinlich sein, mich ihm so gezeigt zu haben. Ist es aber nicht. Im Gegenteil, es amüsiert mich, weil ich mir vorstelle, wie es ihn erregt hat, mich so zu sehen. Jedes Detail von mir kennt er. Weiß, wie ich meine halbrunden Brüste verwöhne, bis die Nippel zum Bersten hart sind. Er kennt vermutlich sogar meinen glühenden Gesichtsausdruck, wenn ich komme. Es erregt mich zu wissen, dass er mein Bauchnabelpiercing und die Farbe meiner sexy Unterwäsche kennt. Verstecken muss ich meinen Körper nicht. Es ist alles da, was dran gehört und auch in passender Größe, an den richtigen Stellen. Sicher wird es ihn erstaunt haben, dass ich mein Pfläumchen nicht kahlgeschoren, sondern nur kurzgehalten und die Seiten Bikinigerecht gestutzt habe. Wie auf meinem Kopf, ziert dort ein pechschwarzer gepflegter Pelz meine Maus, die selbst ich als Frau recht hübsch finde. Der Blickfang auf jedem FKK-Strand.
Bastian du Schlingel, hast du dir schon auf meinen Anblick einen gekeult? Bei dem Gedanken muss ich grinsen. Schade, dass ich nicht weit genug in seine heilige Halle einsehen kann. Es würde mich interessieren, wie er es macht und vor allem, wie er untenrum gebaut ist. Passt die männliche Pracht zu dem Rest seines gelungenen Körpers? Irgendwann werde ich es herausfinden. Nicht heute und nicht morgen. Aber irgendwann weiß ich, wie groß oder klein sein Pimmel ist, wie er sich anfühlt. Ja, irgendwann werde ich es wissen, verspreche ich mir selbst.
Sein Vorhang bewegt sich und auch die große Linse seines Fernglases. Er beobachtet mich also auch. Wir sehen uns Auge in Auge. Kurz zuckt mein Kopf zurück, weil ich mich ertappt fühle. Wie blöd, das habe ich nicht nötig, weil er sich eigentlich erwischt fühlen müsste. Ich bin es, die hinter sein Geheimnis gekommen ist und nicht umgekehrt. Ich brauche ein Blatt und einen dicken Stift … schnell, bevor er vom Fenster verschwindet.
Ich male dicke Zahlen: 0160-xx49498x, halte das Blatt an die Scheibe und klebe zwei kleine Tesa-Streifen auf die Ecken, die ich mir an den Finger geklebt habe.
Bastian: Drei Anrufe auf dem AB, die ich abhören muss. Meine Laune, nachdem ich von Anni kaltgestellt wurde, wird dadurch auch nicht besser. Irgendwelche Mieter, die Probleme mit ihrer Wohnung haben und ein Pärchen, dass sich auf eine von mir angebotene Wohnung bewerben will. Ich höre nicht mal richtig hin. So sollte ich als Mitarbeiter eines Maklerbüros nicht reagieren. Aber ich habe jetzt Feierabend und irgendwann ist auf mal genug. Nichts, was nicht auch morgen erledigt werden könnte.
Anni, sie geht mir nicht aus dem Kopf. Die letzten Wochen haben tiefe Kerben in meinem Gefühlschaos hinterlassen. Ich habe sie angezogen gesehen, nackt nach dem Duschen, nackt mit ihrem Dildo, gefangen in völliger Ekstase. Weiß, wie sie zuckt und sich einrollt, wenn sie ihren Höhepunkt erlebt. Kenne ihren entrückten Gesichtsausdruck in diesem offensichtlich überwältigenden Moment der Erlösung. Ich sehe sie allein, oder mit Freundinnen, doch nie mit einem Mann. Was nicht heißt, dass sie keine Beziehung oder kein Sexleben haben könnte. Nur eben nicht in ihrer Wohnung. Vielleicht ist es so etwas wie ihre Höhle; in die sie sich zurückzieht, hinein flüchtet und die nicht für jedermanns Augen bestimmt ist. Sicher ist es das Stück Privatleben, dass sie nicht bereit ist, preiszugeben. Aber ich kenne es nur zu gut.
****
Wie wohl ihr heutiges Abendprogramm ausfällt. Nackt die sommerliche Wärme genießen, ein Buch lesen oder sich von einem Film berieseln lassen? Ich muss nachsehen, die Neugierde zieht mich ans Rohr.
Sie strolcht scheinbar planlos im Zimmer herum. Setzt sich, steht wieder auf. Das Buch, dass sie eben noch scheinbar als die passende Abendlektüre ausgesucht hat, fliegt achtlos auf den Tisch. Ihr ist offensichtlich genauso langweilig wie mir. Sie ist ruhelos, nervös und angespannt.
„Ist es wieder so weit?“, denke ich noch, als ich sofort das dicke Teleskop in ihrer Hand erkenne. Ganz vorsichtig hat sie es ins Blickfeld geschoben. „Schickes Teil, heute wieder Sterne gucken?“
Gut, dass sie unter mir wohnt, nicht auszudenken, wenn sie mich beim Spannen erwischt hätte. Oder hat sie mich vielleicht schon dabei gesehen? Bin ich vielleicht gar nicht der neue Unbekannte, der sie heute überrascht und einfach so angesprochen hat? Sondern ein in ihren Augen perverser Spanner, mit dem sie nichts zu tun haben wollen wird. Wäre auch logisch, würde mir genauso gehen. Meine Gedanken drehen sich im Kopf. Das erklärt auch ein Stück weit ihre anfängliche Ablehnung.
Oh Gott wie peinlich ist das denn bitte. Spätestens jetzt weiß sie, dass ich sie beobachtet habe. Das war’s dann wohl. Ein letzter, vorsichtiger Blick. Verdammte Neugierde. Was sie jetzt wohl tut?
Ein Zettel klebt an ihrem Fenster. Was aussieht, wie eine willkürlich gewählte Zahlenfolge, entpuppt sich schnell als eine Handynummer … offensichtlich ihre.
Was bezweckt sie damit, will sie mich aus der Reserve locken? Soll ich sie anrufen, damit sie meine Nummer bekommt, um mich am Telefon rund zu machen und mich dann bei der Polizei zu verpfeifen, weil ich sie bespannt habe?
Warm wird’s mir, vor allem im Gesicht. Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, den man beim Klauen erwischt hat. Schlimmer hätte der Tag nicht enden können. Basti du Vollhorst, was hast du dir nur dabei gedacht, es musste ja irgendwann auffliegen.
Ein innerer Zwang, oder die berufliche Gewohnheit Telefonnummern zu sammeln, lässt mich ihre Nummer in mein Handy tippen. Schnell noch den Namen dazu. Wie war das doch gleich … ach ja, Anni Wendt. Speichern, fertig.
Ist das hier ein falscher Film? Die neue Version von Hitchcocks „Fenster zum Hof“? Ich bin zwar noch jung, aber ich erinnere mich an den Klassiker mit James Stewart und Grace Kelly in den Hauptrollen.
Schon alt das Ding, muss so in den frühen Fünfzigern gewesen sein, als er über die Mattscheiben flimmerte. In dem der Hauptdarsteller gegenüber einen Mord beobachtet. So ähnlich jedenfalls. Und irgendwie fühle ich mich jetzt beinahe genauso. So, als hätte ich ein Verbrechen begangen und Anni mich dabei beobachtet. Wenn sie mich anzeigt, bin ich geliefert. Sie hat mich in der Hand, übler Mist.
Nachdenklich, mit schlechtem Gewissen, lasse ich mich in die Couch zurückfallen. Egal was ich mache, es kann nur nach hinten losgehen. Ich mache das Licht aus. Grübeln kann ich im Bett auch. Meine Eier sind hart geschwollen. Da hat sich in den letzten Tagen wohl einiges angesammelt. Versonnen spiele ich mit meinem Sack, schiebe die Knollen hin und her. Normal ein sicherer Einstieg in eine wohltuende Wichserei. Doch heute? Ruhe im Mast.
Ein letzter Blick ins Objektiv, nachdem ich aus dem Bad komme. Bei ihr ist das Licht auch aus und das Blatt hat sie auch wieder aus dem Fenster genommen. Nur unsere Augen kennen unser Geheimnis. ‚Private Eyes‘.
Morgen habe ich noch einige Termine. Besichtigungstermine mit Mietern und Verkäufern, für die ich eine Immobilienbewertung und eine Expertise anfertigen soll. Es wäre noch einiges vorzubereiten gewesen. Aber ich bin nicht mehr bei der Sache. Mir raucht der Schädel, meine Gedanken kreisen und einige Bilder in meinem Kopf gaukeln mir vor, ich säße schon mit Handschellen im Knast. Dieses Horrorszenario treibt den Puls hoch, aber trotz allen düsteren Gedanken gewinnt irgendwann die Müdigkeit.
****
Am Morgen danach brummt mir der Schädel. Bestimmt habe ich mich verlegen, oder waren kleine Männchen über Nacht bei mir und haben mich verprügelt, weil Anni es ihnen befohlen hatte? Der Schmerz zieht über den Nacken bis in den Hinterkopf.
Mein Schlaf war unruhig, wobei ich mich viel hin und her gewälzt habe. Keine Ahnung, wie oft ich auf den Wecker gesehen habe, aber die Zeit hat sich letzte Nacht besonders langsam vorwärtsbewegt. Wenn ich so aussehe, wie ich mich fühle, werde ich keinen guten Eindruck bei meinen Kunden hinterlassen.„Hallo Anni, Bastian hier. Ich habe großen Mist gebaut, es tut mir leid, ehrlich. Du, äähhmm, Sie wissen schon, was ich meine. Kriegen wir das ohne die Cops geregelt? Wenn nicht, stehe ich natürlich zu dem Scheiß, den ich mir geleistet habe.“
Senden. Nun ist es raus. Jetzt hat sie meine Telefonnummer und ich habe eine kleine Entschuldigung hinterlassen. Nun ist sie an der Reihe. Mein Herz rast. Fast habe ich das Gefühl, ich könnte jeden Schlag hören. Es war gut, erst die Termine abzuarbeiten und nun wieder am Schreibtisch zu sitzen. Nicht auszudenken, wenn meine Kunden unter meiner Aufregung gelitten hätten.
Anni: Endlich Mittagspause. Was für ein Tag, einer der beschissenen Sorte. Mein Handy hatte schon vor gut einer Stunde gepiept. Nur ein kurzer Blick hat mir verraten, dass es eine Nachricht von unbekannter Nummer war. Bastian? Bitte lieber Gott, lass es ihn sein. Blöd nur, dass ich ausgerechnet jetzt ziemlich nervige Kunden vor mir sitzen habe und nicht direkt nachsehen kann.
Ein kribbeln macht sich in meiner Magengegend breit und meine Konzentration ist blitzartig im Eimer. Ich hangele mich mehr schlecht als recht durch den Termin und beende ihn mit mittelmäßigem Erfolg. Ein Anschlusstermin wird vereinbart und weg sind sie. Erleichtert atme ich aus und lehne mich in meinem Bürostuhl zurück.
Hunger habe ich keinen, mein Pausenbrot kann ich auch heute Abend noch essen. Kurz die Augen zu, mich innerlich sammeln. Dann mal los. Entsperren … öffnen.
Oh nein, bitte nicht. Tu das nicht Bastian, nicht entschuldigen. Ich bin dir nicht böse, im Gegenteil. Endlich mal jemand der sich traut etwas Verrücktes zu tun, außerhalb der Norm, verrucht und geil. Du hast recht, sowas macht man nicht. Das weiß ich auch, aber ich finde gut, dass du den Mut hattest. Und nun diese Entschuldigung, die deinen Mut gleich wieder etwas kleiner erscheinen lässt. Ich muss das richtig stellen. Er muss wissen, dass ich nicht sauer auf ihn bin.
„Hallo Basti, es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst. Und falls du das denkst: nein, ich werde dich nicht anzeigen. Im Gegenteil, ich möchte dich besser kennenlernen, nur deshalb habe ich die Telefonnummer ins Fenster geklebt. Was hältst du davon, wenn du mich heute Abend abholst und wir etwas spazieren oder ins Kino gehen? Ich würde mich freuen. Ganz liebe Grüße, Mietze“
Das sollte für den Anfang reichen. Das ich mich darüber freuen würde, ist nicht gelogen. Verträumt streiche ich über das dunkle Display vom Handy. Wie von Geisterhand, so als wäre es durch mein Streicheln es zum Leben erweckt worden, leuchtet es auf. Eine Nachricht von Unbekannt. Mist, ich habe vergessen Bastis Nummer zu speichern. Aber der kurze Ausschnitt der Nachricht auf dem Sperrbildschirm lässt keinen Zweifel zu, dass er es ist.
„Hi Anni. Heute Abend geht es leider nicht. Ich habe noch einen späten Maklertermin um 19.30Uhr. Bis ich dann zu Hause bin, wird es zu spät sein, um noch spazieren zu gehen. Aber morgen hätte ich Zeit.“
„Kannst du bitte mir überlassen, was für mich zu spät ist? Oder ist es dir zu spät, dann sag es. Ich liebe die Abendluft und würde gern von dir durch den Park geschoben werden.“
Aha, denke ich, Makler also. Wir arbeiten demnach im gleichen Berufsfeld. Interessant. Sie mal an, auch das passt prima.
„Tut mir leid, dass ich das unterstellt habe. Dann schlage ich vor, ich schicke eine Nachricht, wenn wir loskönnen?“
„Erstens: Entschuldige dich nicht immer, das lässt dich schwach erscheinen. Und zweitens: Frage nicht, sondern bestimme. Du willst schreiben? Ok, so machen wir das dann.“
„Ich bin es nicht gewohnt Anni. Sorry.“
„Da, du machst es schon wieder. Lass das, ehrlich. Und habe ich das richtig verstanden, du machst in Immobilien?“
„Ja das stimmt. Ich bin bei einem Makler angestellt und dort für Kaufangebote, Bewertungen und Expertisen zuständig.“
„Was, das ist ja geil. Das mach ich auch, bei der Berliner Volksbank. Ist der Hammer, wer hätte das gedacht.“
„Was für ein toller Zufall. Ich muss wieder los, wir sehen uns dann später. Ich beeile mich auch und melde mich dann.“
„Prima Basti, ich werde fertig sein und auf dich warten.“
Der Bildschirm wird dunkel und mich durchströmt ein wohliges Gefühl freudiger Erwartung. Gut, dass er nur geschrieben hat. Sprachnachrichten hätten mich nur noch kribbeliger werden lassen. Es reicht so schon. Der Mann macht mich kirre. So schlimm war das nicht mal, als ich mich in Matthias verliebt hatte. Basti, Basti, was machst du mit mir. Ich will mich nicht jetzt schon wie eine dumme Schnepfe in dich verlieben, dazu ist es noch zu früh. Ich kenne ihn noch gar nicht richtig und doch fühlt es sich fast schon so an. Mist, meine Nippel sind schon wieder hart.
Wenn er sich nur nicht immer entschuldigen würde. Ich mag das nicht. Klingt komisch, ist aber so. Wenn er bei mir eine Grenze überschreitet, sage ich ihm das schon. Das muss er verstehen und lernen, sonst wird das aus uns nichts, da bin ich konsequent. Weichgespülte, ich erwähnte es schon.
Jetzt, wo ich weiß, dass der Abend noch Programm hat, geht der Nachmittag noch langsamer vorbei. Quälend und langweilig. Ich habe keinen Termin mehr und könnte die Zeit nutzen, noch einige Finanzierungen zu rechnen. Doch ich träume vor mich hin und frage mich: Was ziehe ich an, Kleid oder Hose? Kann ich ihm den Anblick meiner Prothese zumuten, wenn ich ein Kleid wähle? Ja, besser mit offenen Karten spielen.
****
Es klingelt. Basti hat sich tatsächlich beeilt. Nicht mal halb 9. Knapp, dass ich fertig bin. Ein letzter Blick in den Spiegel, die widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr geklemmt, einmal tief durchatmen.
Er hat sich einen schönen Duft aufgelegt. Er riecht männlich-herb, mit einer zitronischen Note. Lässige Stoffhose, ein leichtes Sommerhemd und darüber ein Sakko. Für einen Mann schick abgestimmt. Geschmack hat er.
„T’schuldige, dass es so spät geworden ist.“, ist so ziemlich sein schlechtester Einstieg für den Abend. Kurz überlege ich, ob ich ihn gleich anfauche, entscheide mich dagegen und sehe ihn strafend an. Im dämmerigen Licht des Flurs wird er es nicht gesehen haben. Trotzdem strecke ihm meine Arme entgegen.
„Trägst du mich bitte in meinen Rolli?“
Seine Arme umfassen meine Hüfte und meine Kniekehle. Ich lege meine Arme um seinen Nacken. Als wäre ich eine Feder hebt er mich hoch und drückt meinen Körper fest an sich, um die Kraft geschickt umzusetzen. Wo unsere Köpfe schon mal auf gleicher Höhe sind, drücke ich ihm gleich einen flüchtigen Kuss auf die Wange auf.
„Hey, wofür war der?“, lächelt er mich süß an.
„Weil du da bist und damit du weißt, dass ich dir nicht böse bin. Du weißt schon, wegen der Spionage.“
„Das ist echt nett, danke dir.“
„Nett ist die kleine Schwester von scheiße. Ich bin aber nicht scheiße.“, kontere ich. „Basti, darf ich dich um einen Gefallen bitten?“
„Wenn ich helfen kann, gerne.“
Sanft hat er mich in den Rollstuhl gesetzt und drückt mich leicht vorwärts. So gut ich kann, sehe ich über meine Schulter. Am liebsten würde ich umgedreht im Stuhl sitzen und mich rückwärts schieben lassen, damit ich in seine Augen sehen kann. Geht aber leider nicht.
„Basti du musst wissen, ich sehe auch ab und an mal in deine Wohnung. Schon eine ganze Weile. Und ich sehe, du bist oft zu Hause. Du bist der einzige, den ich außerhalb meiner Arbeit kenne. Kannst du dir vorstellen, mit mir befreundet zu sein?“
„Wow Anni, zu gibst aber Gas. Wir kennen uns, doch kaum und da sprichst du schon von Freundschaft?“
„Na klar, ich rede von Freundschaft, nicht vom Paar sein oder sowas. Mal zusammen was unternehmen, Essen gehen, Kino, sowas eben.“
„Achso, ja sicher kann ich mir das vorstellen.“
„Basti?“
„Ja Mietze?“
„Kannst du auf meine Wohnung und auf mich aufpassen?“
„Wie meinst du das?“
„Alleinstehende Frau, nicht hässlich denke ich, erstes Obergeschoss, da fühle ich mich manchmal nicht so sicher.“
„Anni, ich weiß nicht. Immer bin ich auch nicht zu Hause. Jetzt im Homeoffice zwar öfter, aber eben auch nicht durchgehend.“
„Das ist mir auch klar. Aber wenn, dann würdest du?“
„Ja, dann würde ich.“
Es ist fast, als wäre für den Augenblick alles gesagt. Obwohl ich noch einiges auf Lager habe, was ich mit ihm besprechen muss. Es ist schön in seiner Nähe zu sein. Seine Stimme, tief und von einer Sanftheit, die mich erschauern lässt.
„Hast du mich gesehen, wie ich … ich meine, hast du mich nackt gesehen?“, frage ich über meine Schulter hinweg. Es dauert, bis er antwortet.
„Ja.“
„Oft?“, hake ich nach.
„Schon ein paar Mal.“
„Auch, wenn ich es mir selbst besorgt habe?“
„Ja.“ Ehrlich ist er ja, das muss ich ihm hoch anrechnen.
„Hat es dir gefallen?“
„Doch, sehr sogar.“
„Hast du dabei gewichst?“
„Anni, das möchte ich nicht sagen.“
„Die Antwort reicht mir schon.“, nicke ich wissend. Natürlich hat er gewichst. Er ist eben auch nur ein Mann. Ich kann es ihm nicht verdenken, wo kriegt man sonst schon kostenlos so eine Show geboten? Ich hätte es genauso gemacht, wenn ich ihn beobachtet hätte.
„Anni, wirklich. Es tut mir echt leid, verdammt peinlich ist es mir. Und deine Fragen sind es auch.“
„Bastian Arndt, komm mal hier rum und sieh mich an … Ich habe es dir schon mal geschrieben und sage es dir jetzt nochmal sehr eindringlich: Höre bitte auf, dich für alles zu entschuldigen. Ich sage dir schon, wenn meine Grenze erreicht ist.
Bitte versprich es mir. Das darfst du nicht tun, weil dann aus uns kein Paar werden kann, verstehst du? das ist dann absolut ausgeschlossen.“
„Wie jetzt … kein Paar werden. Vorhin hast du noch von Freundschaft gesprochen und jetzt so?“
„Ich sagte, es ist dann ausgeschlossen, was ja wohl heißt, dass es das bis jetzt nicht ist. Es muss natürlich passen.“
Bastian steht wieder auf, geht wortlos um den Rolli herum und schiebt weiter. Die entstandene Stille ist laut in meinen Ohren. Ich kann den Mann hinter mir fast denken hören, sagen tut er aber nichts.
„Ich bin müde. Am besten, wir drehen jetzt um.“, flüstert er und wendet.
Etwas ist plötzlich anders. Das Locker-fröhliche ist weg. Er wirkt zurückgenommen. Ob es daran liegt, dass ich ihn wegen seiner ständigen Entschuldigungen angefaucht habe, oder, weil ich plötzlich eine Beziehung mit ins Spiel gebracht habe und für möglich halte? Ich hab doch nichts Falsches gesagt, nur meine Meinung ausgedrückt.
„Alles ok, Basti?“
„Ja, ja, ist nix. Bin wie gesagt nur müde.“
Ich glaube ihm nicht. Etwas belastet ihn, merk ich doch. Ein guter Nebeneffekt in meinem Beruf ist, dass man eine ganz passable Menschenkenntnis bekommt. Aber eine Eingebung rät mir, besser nicht weiter nachzubohren.
Och Mensch Basti, merkst du denn nicht, dass ich dich mag? Erkennst du denn meine Signale nicht? Hast du meine harten Nippel noch nicht entdeckt, oder kannst du die Geilheit noch nicht riechen, die meine Muschi immer dann reichlich verströmt, wenn du in meiner Nähe bist?
Bin ich nicht dein Typ? Kann aber nicht sein, dafür beobachtest du mich schon zu lange. Habe ich dich mit irgendetwas von dem, was du oder ich gesagt haben, verschreckt? Eine Schwäche von mir, voreilig Dinge zu sagen, die ich hinterher bereue. Wie jetzt, verdammter Mist. Die Chance auf einen schönen Abend mit ihm ist dann wohl dahin. Er macht mir nicht den Eindruck, als wäre er noch in der Stimmung, etwas mit mir zu unternehmen. Na gut, dann eben nicht und ab nach Hause.
Fortsetzung folgt ...
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