Private Eyes - Kapitel 3

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Private Eyes - Kapitel 3

Private Eyes - Kapitel 3

Gero Hard

Anni: Am nächsten Tag, hatte ich übelst Unterleibsschmerzen. Es tat weh, wenn ich pinkeln musste. Ich musste erleichtert grinsen, weil der Kelch des schmerzhaften Arschficks an mir vorbeigegangen war. Nicht auszudenken, was ich jetzt auf Toilette erleiden müsste, wenn …

Abends sah ich durch das Teleskop, was ich lange nicht getan hatte. Bei Basti war Licht und deshalb schrieb ich ihn an, ob wir nicht zusammen ein Bier trinken wollten. Auf die Antwort musste ich warten, was mich aber nicht wirklich wunderte. Er wollte nicht mehr raus, weshalb wir uns dann bei ihm trafen. Mit dem Bier in der Hand stellte ich mich dann an sein Fernglas. Noch immer war es auf meine Wohnung ausgerichtet. Formatfüllend tauchte mein Wohnzimmer vor meinem Auge auf. Schlagartig wurde ich blass und eben dieser Schreck fuhr mir durch alle Glieder.

„Hast du gestern zugesehen?“, fragte ich ihn direkt. Ich musste es einfach wissen. Musste wissen, ob es irgendwas gab, was möglicherweise zwischen uns stand. War das der Grund, warum seine Antwort auf meinen Wunsch sich zu treffen so verzögert kam?
„Jupp.“, antwortete er wortkarg.
„Und was denkst du darüber?“, drehte ich mich neugierig zu ihm um. Mein Blick suchte seine Augen und ich beschloss, seinem Blick Stand zu halten. Was gestern passiert war, war nun mal passiert. Ungeschehen konnte ich es nicht machen. Wollte ich auch nicht, weil mir die Erfahrung daraus niemand mehr nehmen konnte.
„Mich hat es erschreckt. Ich wusste ja nicht, dass du auf Schläge und Schmerzen stehst.“
„Tu ich nicht.“
„Nein? Sah gestern anders aus. Immerhin zwei Abflüge.“, zuckte er mit den Schultern.
„Ich war dabei, danke. Es tat weh. Und es war anders. Hatte was, brauche ich aber nicht mehr.“, versuchte ich mich zu rechtfertigen.
„Will ich nicht wissen.“, antwortete er kühl und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche.
„Und nun? Was machen wir jetzt damit?“, fragte ich.
„Es wird unser letztes Bier zusammen sein.“
„Wie jetzt … letztes Bier. Was soll das?“ Ich kann dich nicht mehr treffen Anni. Das … nein, du bist mir zuviel. Ich kann das nicht mehr.“ Von jetzt auf gleich zerstörte er unsere Art miteinander umzugehen. Mir zog es den Teppich unter den Füßen weg. Niemals hätte ich gedacht … Warum hat er denn vorher nichts gesagt?
„Das heißt, du willst mich nicht mehr sehen?“
„Heißt es. Und sprechen auch nicht. Wenn du das Bier alle hast, werde ich dich in den Arm nehmen, lebe wohl sagen und dann möchte ich, dass du gehst.“ Die Bierflasche in meiner Hand wurde schwer und das Getränk darin wurde zu einem billigen, wahrscheinlich giftigen Gesöff mit schalem Beigeschmack. Unfähig jeder Bewegung stand ich nun da mit meinem Talent. Ich hatte den Bogen überspannt und seine Belastungsgrenze, von mir unbemerkt, deutlich überschritten. Seine Worte schnitten wie Messer kleine Kerben in mein Herz. Täuschte ich mich, oder hatte er tatsächlich eine Träne im Auge, als er mir den Rauswurf ankündigte? Ich jedenfalls, konnte meine nicht unterdrücken, als ich die halbvolle Flasche auf den Tisch stellte.
„Das Bier schmeckt heute nicht. Dann lass es dir gutgehen.“, kam ich ihm zuvor, verzichtete auf die von ihm angesprochene Umarmung und ging ohne jedes weitere Wort. In meiner Wohnung angekommen, zog ich als erstes die Vorhänge zu. Er sollte nicht sehen müssen, wie ich mich auf der Couch zusammenrollte und laut in ein Sofakissen heulte. Mehrere Lichter gingen mir mit einem Schlag auf. Das war es also? Das Ende einer Freundschaft, die ich von Anfang an mit Füßen getreten hatte? Eine wirkliche Chance hatte ich Basti nie gegeben. Und nun hatte er sich von mir losgesagt. Laut gesagt hatte er es nicht, aber dass er mich nicht mehr um sich haben wollte zeigte mir, was ich für ihn geworden war und welchen Stellenwert, überhaupt, welchen Wert ich als Frau in seinem Leben eingenommen hatte. Nämlich gar keinen mehr. Zwei Wochen hoffte ich auf eine Nachricht von Bastian. Betete darum, ihn nur für einen kurzen Augenblick an seinem Teleskop zu erwischen. Manchmal wartete ich im Hinterhof, immer in der Hoffnung, ihn mal beim Müll rausbringen abpassen zu können. Vermutlich kaufte er jetzt auch zu anderen Zeiten als früher ein, denn auch dort traf ich ihn nie wieder. Nichts dergleichen passierte, als hätte ihn die Erde verschlungen. Sogar sein WhatsApp Profilbild verschwand irgendwann. Und egal, wie oft ich auf die gegenüberliegende Fassade sah, die Fenster in Bastis Wohnung blieben abends immer öfter aus, bis sie irgendwann gar nicht mehr angingen.

****

Die Regelschmerzen raubten mir den Verstand, heftige Unterleibsschmerzen, Krämpfen nicht unähnlich. Ich beschloss mich beim Abteilungsleiter mit gesundheitlichen Problemen abzumelden und mittags nach Hause zu gehen.
Schon von Weitem sah ich den Möbelwagen, der vor unserem Gebäudekomplex stand. Die Firma, zu der er gehörte, kannte ich nicht, die Möbel, die sie schleppten, sehr wohl. Panik erfasste mich, sogar die scheiß Periode vergaß ich, der reißende Schmerz in meiner Gebärmutter wie weggeblasen.

„Hallo, t’schuligung. Das sind doch die Möbel von Herrn Arndt. Was ist mit ihm, wo ist er hin?“
„Dett wes ick nich, jute Frau. Ick schuffte hier nur. Schon schlimm jenuch, dat wir dett hier nur zu zweht wuchten müssen, versteh’n se?“, versuchte der leicht untersetzte, ältere Herr mit Latzhose seinen Unmut mit Berliner Akzent zum Ausdruck zu bringen.
„Und wissen Sie zufällig, wen ich nach Herrn Arndt fragen könnte?“, gab ich die Hoffnung nicht auf.
„Ne, dett och nich. Is mir och Latte Püppchen.“, winkte er ab und verschwand wieder im Hausflur, aus dem er wenige Momente vorher gekommen war.
Ich stellte mich, wie bestellt und nicht abgeholt, an die Hauswand, kramte in meiner Arbeitstasche nach meinem Handy, und suchte nach Bastians Kontakt. Der Wählton war kurz und sofort bekam ich die Ansage:
„Diese Rufnummer ist nicht vergeben.“ Bestimmt hatte ich mich verwählt. Konnte aber auch nicht sein, denn diese Nummer hatte bisher immer funktioniert. Komisch. Abends brannte dann Licht in seiner Wohnung. Ich lief so schnell ich konnte rüber und traf nur eine Frau an, vielleicht so um die Fünfzig, oder bisschen drüber. Die Ähnlichkeit zu Basti ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Frau seine Mutter sein musste. Und so stellte sie sich auch vor, Frau Beatrice Arndt.
Nachdem ich ihr erzählt hatte, wer ich bin und warum ich nach ihrem Sohn fragte, klärte sie mich auf, dass Bastian ihr ausdrücklich verboten hatte, ihn zu verraten, speziell, wenn eine gewisse Anni Wendt nach ihm fragen würde. Aha, er hatte ihr als von mir erzählt und mich in seinen Schilderungen wohl nicht so gut aussehen lassen. Jedenfalls blieb Beatrice stur und ließ sich nicht umstimmen. Ich hatte ihn also endgültig verloren, den wichtigsten Menschen in meinem Leben, auf Platz 3, gleich nach meinen Eltern. Bastian hatte eine echte Lücke in meinem Leben hinterlassen. Nicht selten wanderte mein Blick ins Leere und dachte an ihn. Und so oft ich das tat, fing ich an zu weinen. Dabei war es völlig egal, ob das während der Arbeit passierte, oder abends vor dem Fernseher.

Stundenlang hatte ich damit verbracht zu grübeln, um zu erkennen, wo und bei wem der Fehler zu suchen war. Letztendlich fand ich die Fehler bei mir, weil ich meine Liebe zu Bastian nicht nur nicht zugelassen, sondern auch vorbildlich verdrängt hatte. Liebe? Das war des Rätsels Lösung. Deshalb verglich ich die Männer um mich herum mit ihm, ich erzählte davon. Deshalb konnte ich mich nicht für eine neue Beziehung öffnen. Deshalb überspielte ich die tiefe Zuneigung zu ihm mit wechselnden Affären, die nichts weiter waren, als eine willkommene Abwechslung, oder eine Art Flucht vor meinen tatsächlichen Gefühlen. Am achten Tag nach den Möbelpackern, lag ein Brief in meinem Postkasten. Eine merkwürdig anmutende Briefmarke in mir unbekannter Währung, abgestempelt auf einem Postamt, von dem ich noch nie gehört hatte. Nur der Absender, den kannte ich. Wenigstens den Namen, die Adresse nicht. Mit zittrigen Fingern riss ich den Umschlag auf und las: Meine liebe Anni, ich weiß nicht, wie lange dieser Brief braucht, bis er dich erreicht. Aber, wenn du ihn bekommst, werde ich auf jeden Fall nicht mehr im Land sein und ich bitte dich, nicht nach mir zu suchen oder Nachforschungen anzustellen.
Nur soviel, was du wohl auch am Poststempel erkennen wirst, ich bin in Thailand. Ausgewandert mit meinem besten Freund Peter. Eine Rückkehr nach Deutschland ist jedenfalls nicht geplant. Aber man weiß ja nie. Im Grunde hatten wir das schon längst vor. Du allein warst der Grund, warum ich noch so lange ausgehalten habe. Wir haben nur wenige Monate miteinander zu tun gehabt und doch waren es die verrücktesten in meinem Leben.
Aber auch du warst es, die mir eine Entscheidung, das Ganze jetzt doch durchzuziehen, um vieles leichter gemacht hat. Lass mich dir sagen, dass ich mich schon in dich verliebt hatte, als ich dich das erste Mal durch mein Teleskop sah, konnte es dir aber nicht sagen, weil du eine Beziehung schon bei unserem ersten Treffen vor dem Supermarkt ausgeschlossen hattest. Allerdings hatte ich gehofft, dass du die Zeichen von allein erkennst. Vor allem, als du die Woche bei mir gewohnt hast. Für mich brach eine Welt zusammen, fühlte mich abgelehnt einerseits, weil ich keine Chance bei dir hatte, obwohl wir viele Geheimnisse voneinander kannten. Du bist die Einzige, die zum Beispiel von meinem Problem mit dem Vielspritzen weiß. Und du? Immer war ich nur dein Kummerkasten, hab dir stundenlang zugehört, wenn du dich bei mir ausgeheult hast, weil es mit den Männern nicht lief oder du Probleme auf der Arbeit hattest.
Wie oft musste ich dir zusehen, wenn du dich den Herren an den Hals geworfen hast, die all das mit dir tun durften, was mir schmerzlich versagt blieb. Sogar Schmerzen hast dabei ertragen.
Weißt du, dass es von mir aus wie eine Vergewaltigung aussah? Ist dir eigentlich klar, dass ich kurz davor war, die Polizei zu rufen? Ich sollte auf die aufpassen, du erinnerst dich? Du hast mir das Herz gebrochen, denn ich liebe dich immer noch. Nur kann ich deinen Vorstellungen nicht entsprechen und deshalb muss ich dich vergessen. Ok Anni. Ich trage dir das nicht nach und ich werde mich nicht bei dir entschuldigen. Wofür auch, ich habe nichts falsch gemacht, glaube ich jedenfalls. Falls doch, wird es dir umso leichter fallen mich ebenfalls zu vergessen. Bestimmt hast du schon gemerkt, dass mein Handy abgeschaltet bzw. gekündigt ist. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute, viel Glück und Erfolg im Job, ein sicheres Händchen bei der Partnerwahl und nicht zuletzt viel Gesundheit. Leb wohl, Mietze, ich werde dich niemals ganz vergessen können. Du bist ein ganz besonderer Mensch. Aber aus meinen Gedanken werde ich dich verdrängen müssen. Ich hoffe, du verstehst das.

In tief empfundener Liebe Basti

Jetzt hatte ich auch schriftlich, wie blöde ich gewesen war. Er hatte recht mit allem, was er schrieb. Seine Zeichen, Blicke, seine zärtlichen Berührungen, seine sanften Umarmungen, seine Blicke … nichts hatte ich als Ausdruck seiner Liebe empfunden. Blind und blöd wie ich war, gehörte es wie selbstverständlich zu unserer platonischen Freundschaft. Was für mich ganz normal war, folterte ihn regelrecht. Es peitschte seine Seele und hinterließ bei ihm nicht heilende Wunden. Der Brief bestand nur aus einem Blatt Papier. Aber ich hatte das Gefühl, es wäre aus Blei und jedes Wort darauf machte ihn noch schwerer. Er hatte mir damit einen Spiegel vorgehalten und mir meine Fehler aufgezeigt, die ich ohne jeden Zweifel begangen hatte. Der schlimmste aller meiner Fehler war der, dass ich mich selbst belogen hatte. Denn eines war mir in den letzten drei Wochen ohne ihn sonnenklar geworden:
ER war und ist noch immer mein Lieblingsmensch. Die Liebe meines Lebens, der Maßstab für die Partnerschaft, die ich mir sehnlichst wünschte. Weg von dem Zirkus, den ich mit den Männern veranstaltete. ER war der Mann, den ich haben wollte. Eigentlich von Anfang an. Jetzt war er weg.
Das Männer sich entschuldigen, ist keine Schwäche, so wie ich sie ihm immer vorgeworfen hatte, sondern Ausdruck männlicher Stärke, auch Fehler zugeben zu können. Das hatte ich von ihm gelernt.
„Bastian, bitte verzeih mir. Bitte, bitte. Wenn es das ist, was du hören möchtest: Bitte, entschuldige, ich bitte dich um Verzeihung, Hörst du?“ Mit dem Blatt auf den Knien schrie ich meine Zimmerdecke mit gefalteten Händen an. Vielleicht konnte ich mit geschlossenen Augen ganz fest an ihn denken. Und vielleicht konnte ich ihm auf diese Weise, sozusagen telepathisch mitteilen, was in mir vorging. Eine andere Möglichkeit sah ich nicht, noch nicht.

Eine Woche später: Etwas, oder besser jemand, hatte mich etwas Unüberlegtes tun lassen. Noch mit dem Brief in der Hand hatte ich den Rechner gestartet und über Google Maps herausgefunden, in welcher Ecke Thailands der Brief abgestempelt war. Was nicht hieß, dass Bastian noch in der Nähe des Ortes war. Mir war das egal. Kurzentschlossen hatte ich meinen Job gekündigt, lange mit meinen Eltern telefoniert und ihnen mein Vorhaben erklärt. Begeistert waren sie nicht gerade. Aber ein Satz meiner Mutter brachte es auf den Punkt:

„Er muss ein ganz wunderbarer Mann sein, dass du das tun willst.“ Mein Abteilungsleiter schüttelte verständnislos den Kopf, als ich ihm die Kündigung hinhielt und den Grund dafür erklärte. Sichtlich von mir enttäuscht, resigniert, stand er mit offenem Mund vor mir, weil die Kündigung fristlos formuliert war und die Bank logischerweise vor ein Problem stellte.
„Tut mir leid“, erwiderte ich. Wie leicht diese Worte, die bis vor kurzem noch unmöglich über meine Lippen gekommen wären, jetzt doch gesagt waren. Ich lächelte dabei, weil ich es in dem Moment sogar witzig fand, was durch das dumme Gesicht meines Abteilungsleiters noch verstärkt wurde.
Mit jeder Minute, die verging war ich mir sicherer, dass meine Entscheidung richtig war und freute mich immer mehr auf das, was nun unwiderruflich vor mir lag.
Eine WhatsApp an meine Freundinnen, die Kündigung meiner Wohnung und die Bitte an meine Eltern, sie doch ausräumen zu lassen, das war’s dann auch. Mit einem Koffer, in dem das Nötigste geradeso Platz gefunden hatte und einem tränenreichen Abschied später, saß ich im Flieger Richtung Thailand. Ziel war Pattaya, aus dessen Nähe der Poststempel war. Ein Ort, der mir schon oft in einem Atemzug mit Sextourismus untergekommen war.
„Um Himmels willen ist das eine schwüle Luft hier.“, stellte ich vor mich hinsagend fest. Die Wärme traf mich wie eine Keule, als ich aus dem klimatisierten Flugzeug ausstieg. Meine Beine und Knochen waren lahm vom langen Flug. Geschlafen hatte ich genug und war mehr als bereit, das Abenteuer beginnen zu lassen. Unsicher sah ich mich in der fremden Welt um, die vor etwa drei Wochen meinen Schatz ebenso fremd empfangen hatte und in dessen Dschungel er verschwunden war. Basti war kein Typ dafür, so etwas unvorbereitet, einfach aus dem Bauch heraus zu starten. Also kam er hierher, mit einem festen Ziel vor Augen. Keine Ahnung, wo ich mit der Suche nach ihm anfangen sollte, aber mein Plan war, mir ein Hotelzimmer zu nehmen, das als meine Kommandozentrale zu nutzen und von dort aus nach möglichen Hinweisen zu seinem Verbleib zu suchen.

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