„Graue Maus“, „alte Jungfer“, mit solchen Ausdrücken belegten die Kollegen Daniela hinter ihrem Rücken, was sie sehr wohl wusste. Aber was diese nicht ahnten, das war Danielas Doppelleben. Sie war mit Anfang vierzig nicht gerade attraktiv, aber sie konnte etwas aus sich machen, allerdings nicht im Büro. Dort hatte sie meistens unscheinbare, dunkle Kleidung an, trug nur wenig Make-up und schützte bei Veranstaltungen eine ihrer Migränen vor. Zu gut hatte sie noch ihre frühere Stellung in Erinnerung, die sie durch ihren Leichtsinn verloren hatte. Es war schon fünf Jahre her, sie hatte gerade erfahren, dass ihr Mann sie nach Strich und Faden betrog, und wusste nicht mehr aus und ein. Sie würde es nie vergessen. Damals begannen auch die kleineren Betriebe, die alten Schreibmaschinen durch Computer zu ersetzen. Und so saß Daniela an einem schönen Morgen Anfang Mai vor einem Bildschirm, während ein Techniker ihr die Grundbegriffe einzutrichtern versuchte. Es war ein Mann mit einem dunklen Schnauzer, einem ansehnlichen Bierbauch, einem ebenso dunklen Wuschelkopf und einer ungeheuer schnellen Sprechweise. Außerdem hatte er einen Blick, der sie verlegen machte. Er war nicht diabolisch oder durchdringend, sondern sandte etwas aus, das sie in den letzten Jahre ihrer Ehe vermisst hatte. Seine Augen schienen über ihren Körper hinwegzugleiten und ihn zu streicheln und zu liebkosen, als läge sie nackt auf einem Bett. Dabei hatte sie ein schlichte Bluse an, bei der nur der oberste Knopf offen stand. Ihr Rock ließ die Knie frei und zeigte sonst nichts.
„Das ist ganz einfach. Hier, da anklicken oder Doppelklick, ziehen, dann ist der ganze Text markiert.“ Daniela beugte sich vor, um besser zu sehen. Ihr Arm streifte die Schulter des Mannes, und sie spürte, wie er schauderte. „So kommen Sie wieder auf die Festplatte. Soll ich Ihnen ein Spiel installieren?“ Seine Finger hatten ein gewisses Vibrato, als er mit raschen Bewegungen ein neues Programm auf den Bildschirm zauberte.
„Nein, danke. Aber ich möchte zu Hause auch einen Computer haben.“ Warum sie das gesagt hatte, wusste sie später nicht mehr genau. Natürlich schrieb sie viel privat. Sie hatte gerade einen Fernlehrgang für Belletristik belegt, da sie sich auf dem Weg zum Schriftstellertum wähnte. Aber war es notwendig? In diesem Augenblick erschien es ihr nur wichtig, diesen Mann wiederzusehen.
Eine Woche später kam er, sie wusste seinen Namen immer noch nicht, und brachte den Rechner. Danielas Mann war begeistert und benahm sich, als habe er das Betriebssystem erfunden. Bis ihm dann in der Nacht das gesamte Programm abstürzte und gar nichts mehr ging und er morgens wie üblich die Wohnung verließ. Daniela schob im Büro einen dringenden Arzttermin vor und wählte die Nummer auf der Visitenkarte, die der Mann dagelassen hatte (Falls Sie mal Probleme haben, hatte er gesagt). Heinz Kunze hieß er.
„Ich komme gegen elf Uhr.“
Daniela wusch sich die Haare und setzte einen Ableger in einen Blumentopf, als um zehn Uhr die Glocke erklang. Sie erschrak und überlegte, ob sie sich noch anziehen sollte. Aber dazu war es zu spät. Sie öffnete Heinz mit klatschnassen Haaren und einem kurzen Shirt, das sie als Nachthemd trug.
„Ha, da hat jemand die config.sys. mit der autexec.bat verwechselt. Kein Problem.“
Und wieder bewunderte Daniela die schnellen Finger, die mit einer paar Handgriffen den Schaden behoben. Aber sie sah auch wieder, wie diese Finger zitterten, als sie neben Heinz stand.
„Ich habe dir ein paar Spiele mitgebracht. Willst du sie sehen?“ Das „Du“ kam so selbstverständlich, dass sie nicht widersprechen konnte. Und ebenso selbstverständlich legte ihr Heinz den Arm um die Schultern und führte ihre Finger zu den Tasten, die sie drücken sollte, um ein Spiel zu laden. Es war ein höchst simples Spiel, aber da ihr Herz bis zum Hals klopfte, war sie unfähig, irgendetwas zu tun. Heinz erging es ähnlich. Sie spürte seinen Atem, sah seine vibrierenden Hände, die von der Tastatur abließen und ihre Knie und dann die Oberschenkel erkundeten, die kaum von dem Hemd bedeckt waren. Ein Schweißfilm bildete sich in ihren Achselhöhlen.
„Nicht, nein, bitte.“ Sie stöhnte ein wenig und wusste genau, dass dieses Nein nur ein Ja bedeutete. Vielleicht, weil sie sich an ihrem Mann rächen, ihm in gleicher Münze heimzahlen wollte. Aber da war noch mehr. Heinz zog sie vom Stuhl, umarmte sie, sein Kuss war so stürmisch, dass sie ihn erwiderte. Was dann geschah, damit hatte sie nicht gerechnet. Er zog sie vom Stuhl, nahm sie in die Arme und trug sie zum Schlafzimmer.
„Nicht hier, bitte!“ Dieser Satz war bereits ein Eingeständnis ihrer Niederlage, die Heinz zu deuten wusste, da er sie im Flur auf den Boden legte und ihr mit seinen unglaublich schnellen Fingern Wonnen bereitete, die sie nie für möglich gehalten hatte. Während sie stöhnte und seine Lippen ihren Mund öffneten und seine Zunge einen Hexentanz vollführte, in ihrem Bauch Schmetterlinge zum Sabbat aufrief, kam ihr der Gedanke, dass ihr Mann eine heilsame Nachhilfestunde verdient hätte, sodass ihr Seitensprung ihr in diesem Augenblick vollständig gleichgültig war.
Daniela lag auf dem Rücken, spürte das Gewicht von Heinz auf ihrem Körper, sein Verlangen, und wich doch zurück. Waren es Gewissensbisse oder nur die Angst, etwas zu erleben, das sie in letzter Zeit so vermisst hatte?
„Mein Gott, ich kann und will nicht“, stöhnte sie, als Heinz seine Hose öffnete.
„Es genügt, wenn du Heinz zu mir sagst.“ Er lächelte. „Warum nicht?“ Seine braunen Augen schienen in ihr Innerstes zu dringen, die Wahrheit zu wissen, aber er streichelte sie und hob sie auf.
„Ich kann einfach nicht, jetzt nicht. Mein Mann und so ...“ Daniela lehnte sich an die Wand, so sehr zitterten ihre Knie.
„Wann dann?“
„Ich rufe dich an.“
Sie hatte ihn oft angerufen. Heinz kam meist am Freitag Morgen, wenn ihr Mann die Wohnung verlassen hatte. In dem Maße, wie sie das schlechte Gewissen über ihren Betrug verließ, umso mehr wurden ihr diese „Quickies“ langweilig, auch wenn sie sie mit jeder Faser ihres Körpers genoss, da Heinz einfach ein Meister der Technik war. Aber eines Tages wusste sie, dass es zu wenig war, und sie wollte Schluss machen, so wie sie vor ein paar Wochen ihre Ehe beendet hatte. Nach einem grässlichen Streit hatte sie Peter aus der Wohnung geworfen, und er hatte später seine Sachen abgeholt. Sie war ins Büro gefahren, wo durch einen Stromausfall oder einen Überspannungsschaden sämtliche Computer streikten. Heinz kam, und er sah sie an, als sei sie die einzige Frau auf Erden. Und wieder spürte sie das Kribbeln in ihrem Bauch. Aber sie wollte es nicht mehr. Ihr Boss und die zwei anderen Mitarbeiter, Buchhalter und die Aushilfssekretärin, gingen zum Essen, da sie ohne Computer zum Untätigsein verurteilt waren und überhaupt nichts von Rechnern verstanden. Heinz steckte irgendwelche Disketten in das Laufwerk, gab Befehle ein und umfing Daniela mit jenem Griff, bei dem sie schon beim ersten Mal schwach geworden war.
Er öffnete ihre Bluse, streichelte ihren Busen, seine Hand verirrte sich unter den Rock und schlich sich unter den Gummizug ihres Slips, bis seine Finger ihre empfindliche Stelle fanden und dort einen Zaubertanz vollführten.
„Du bist wahnsinnig. Lass das.“
„Wir sind doch allein. Bis das Programm neu installiert ist, braucht es zehn Minuten. Die können wir besser nutzen.“
Daniela konnte sich gegen die Gefühle nicht zur Wehr setzen. Ein letztes Mal vielleicht noch, und dann nie mehr, nahm sie sich vor. Die Toilette war der einzig sichere Raum, da sie abzusperren war, in die sie Heinz zielsicher zog. Was er da mit ihr machte, innerhalb weniger Minuten, war mehr, als sie sich in ihren Träumen auszumalen gewagt hatte. Sie erklomm Höhen der Lust, stürzte ab, weil sie Angst vor der Entdeckung hatte, und ließ sich wieder auf einen Gipfel ziehen, auf dem sie hätte schreien können. Sie lehnte sich an die Wand und unterdrückte ihr Keuchen, während Heinz in ihr Becken stieß, sie umdrehte und ihr von hinten unwahrscheinliche Genüsse bereitete. Ihr Gesicht lehnte an der hellgrün gestrichenen Ölfarbe und kühlte die Haut. Sie war dem Höhepunkt nahe, als sie hörte, wie sich die Tür öffnete und Stimmen erklangen. In diesem Augenblick kam auch Heinz. Sein tief aus der Kehle dringendes „Ja“ musste jeder gehört haben. Hastig brachten beide ihre Kleidung in Ordnung.
„Ich gehe zuerst. Hoffentlich sieht uns niemand.“ Daniela öffnete zaghaft die Tür. Die gesamte Mannschaft stand im Flur.
Die Kündigung war nur eine Formsache. Man einigte sich auf gegenseitiges Einvernehmen.
Zwei Jahre dauerte es, bis Daniela Heinz wiedersah. Es war in ihrem neuen Job, und wieder gab es Probleme mit dem Computer. Ein paar Mal hatte er angerufen, aber sie hatte, auch wenn er keine direkten Avancen machte, jedes Gespräch sehr schnell abgeblockt. Sie hatte Angst vor dem Wiedersehen., aber es war so viel Zeit verstrichen, da hatten beide sicherlich das damalige Abenteuer in eine der gnädigen Schubladen der Vergangenheit abgelegt. Es wurde anders. Im Nachhinein erinnerte sich Daniela an ihre spärlichen Lateinkenntnisse, die sie auf Deutsch ein wenig abwandelte: Er kam, sah, reparierte und siegte.
„Gut schaust du aus.“
„Danke, wie geht es dir?“
„Auch gut. Ich bin jetzt verheiratet.“
„Gratuliere, alles Gute.“ Einen winzigen Stich verspürte Daniela, aber auch gleichzeitig Erleichterung. Durch diesen Mann würde sie niemals wieder einen Job verlieren.
„Ich werde von jetzt an auch immer treu sein.“
„Das solltest du auch. Ein Ehebruch tut nicht gut. Das weiß ich von mir.“
Und wieder reparierte Heinz den Schaden in Sekundenschnelle. Aber dieses Mal ließ sie die Bewegung seiner Hände kalt. Auch der Blick seiner tiefbraunen Augen drang nur bis an ihren Verstand und nicht in ihr Herz.
„Was macht dein Rechner?“
„Ich könnte einen neuen gebrauchen.“
„Ich habe da was für dich. Ein tolles Angebot.“
Das war es auch. Das neueste System mit einem riesigen Bildschirm und einer Textverarbeitung, die jeden Lektor überzeugen würde. Daniela hatte die ersten Kurzgeschichten verkauft und wähnte sich in ihrer Euphorie bereits auf dem Weg zum Ruhm.
Und wieder trug Heinz dem Vorbild Cäsars Rechnung. Er kam, sah und siegte (du bist die einzige, mit der ich meine Frau betrüge, hatte er gesagt, und Daniela wollte es ihm glauben, weil ihm ihr Körper einfach nicht widersprechen konnte). Inzwischen wurden die Programme über eine CD installiert. Das dauerte manchmal auch zehn Minuten oder länger. In dieser Zeit konnten zwei Menschen, die nacheinander verlangten, jede Menge tun, was sie auch taten. Der Sessel war aus der Zeit ihrer Ehe noch einiges gewöhnt, und der bisher unbescholtene Schreibtischstuhl hielt der ihm bislang unbekannten Benützung stand. Anschließend war noch das Bett da, in das sich nunmehr jeder andere Mann legen durfte.
Daniela wurde fortan belächelt, weil sie im Büro als mausgraue, alte Jungfer galt, für die Erotik ein Fremdwort war. Aber wenn sie Lust hatte, so rief sie Heinz an, der ihr die Wonnen bereitete, die sie mitunter ersehnte. Sie würde nie mehr wegen eines „Quickies auf dem Klo“ einen Job riskieren. Außerdem hatte Heinz seit neuestem einen Mitarbeiter, der ihr einmal eine CD ins Haus geliefert hatte. Seine Augen schimmerten grün und blau. Vielleicht sollte sie sich ihn einmal näher ansehen.
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