Düfte wehen vorbei. Da hat sich ein Mann besonders großzügig mit Rasierwasser eingesprüht. Dort ist einer eben erst aus der Dusche gesprungen, um einzutauchen in die wieder erwachte Reeperbahn, den Kiez. Anders als bei meinem letzten Aufenthalt hier, der mitten im Lockdown lag, nähert sich die Ausgehmeile wieder dem an, was sie einmal war. Gruppen von feixenden Männern streben auf den Eingang der Herbertstraße zu, drücken sich durch den schmalen Schlitz, den zwei Holzwände versetzt zueinander gestellt, frei lassen. Zutritt nur für Männer über 18, sagt ein Schild. Ich darf nicht mehr eindringen in diese Zone wie beim letzten Mal, als sie von Nutten verlassen dalag. Jetzt sehe ich beim verstohlenen Blick um die Ecke wieder rote Lämpchen leuchten, erhellte Fenster. Die abgesessenen Drehstühle, die sich mir beim letzten Mal präsentierten, werden weiter abgesessen, die Boxen mit Taschentüchern für Spermareste wieder geleert.
Am frühen Abend strömen die Gruppen junger Leute herbei. Sie werden eingeladen von offenen Türen, aus denen aufpeitschende Musik dringt. An der Eckkneipe steht ein Barhocker vor der Tür, für den Türsteher. Er ist groß und anziehend, ein Hamburger Gestirn, ein typischer Norddeutscher, die mit dem frechen Tonfall und den ebensolchen Augen. Ich suche seinen Blick, um ihn anzuhimmeln, wenigstens kurz. Es gelingt. Seine blauen Augen durchdringen mich für einen Moment, bevor er wieder Handys checken muss, mit Impfnachweisen.
„Einlass nur mit 2 G“ steht auf provisorischen Zetteln und Schildern überall, die an Fenstern und Türen geklebt sind. Party, Saufen und Ficken nur unter Droge von der Pharma-Industrie. Sofern man noch einen hochkriegt, sofern man sich noch spürt, sofern man noch eine Aura hat, sofern man noch einen Trieb hat, so wie er von der Natur geschaffen wurde. An einer Holztür prangt ein verlockendes Schild an diesem Freitagabend: SM und Fetisch Abend – Für Alle – Paare 25 Euro, Einzelpersonen 15 Euro. Darunter, mit grauem Klebeband hingeklebt ein weißer Zettel mit der Aufschrift „ 2 G“. Was sich wohl in dieser Nacht noch abspielen mag hinter dieser Tür „für alle“, das kann nur Fantasie bleiben. Genauso wie der Verbleib all dieser seltsamen jungen Frauen, die an dem Novemberabend 2021 in Jeans, warmen Jacken und Schals, ausgerüstet mit kleinen praktischen Handtaschen, mitten auf dem Gehsteig stehen. Sie stehen einzeln da, verteilt über die gesamte Reeperbahn. Im ersten Moment glaubt man, sie warten auf eine Freundin, mit der sie einen Cocktail trinken gehen möchten. Doch ihr nach außen gerichteter Blick irritiert, ihr leichtes Lächeln, ihre Offenheit. Sie warten auf Freier. Wohin mögen sie mit ihnen gehen? Wo mag derjenige stehen, der sie beobachtet, der vielleicht abkassiert, der auf sie aufpasst? Die Masse der blutjungen Mädchen, die vor Corona an dem weißen Eckhaus gegenüber der Davidwache stand, ist noch immer verschwunden. Aber immerhin, die Nutten sind zurück.
Ich liebe die Reeperbahn und ihr unanständiges Angebot. Den Laden, der schon morgens um 7 Uhr – oder immer noch, oder 24 Stunden – geöffnet hat und durch dessen geöffnete Tür man pink leuchtende Dildos sieht. Die Penner, die auf den Gehsteigen liegen, verdreckt und mit zerwühlten Schlafsäcken und die mir den frisch gekauften Kaffee abbetteln. Am Montagmorgen sind sie verschwunden, sie betreiben ihr Geschäft nur am Wochenende. Dann gehen sie heim, duschen und kämmen sich und legen sich entspannt vor die Glotze, bis zum nächsten Arbeitseinsatz als Versiffte.
Ich bin alleine, nicht mehr ganz jung, aber vielleicht noch zu gebrauchen. Ich drifte umher auf der Reeperbahn, weiß nicht wohin und kann auch nicht wohin angesichts der Hygienediktatur. Meine Freiheit besteht daraus, den „Reeperbahn Döner“ zu betreten, gelegen direkt neben dem Laufhaus, in dem vielleicht wieder zwei, drei Nutten laufen. Der Mann vor dem Dönerspieß ist schön. Vielleicht aus Afghanistan. Sein Gesicht ist ebenmäßig, er ist nicht mehr zu jung, vielleicht 45. Ich schaue ihn sehnsüchtig an, und etwas hilflos, wie eben eine Frau alleine auf der Reeperbahn schaut, eine Art Opfer. Wie lange ich in Hamburg bleibe fragt er und er stellt sich sichtbar Exzesse vor, auf die ich aus bin, sonst wäre ich nicht in dieser Straße. Es sei viel los am Wochenende, sagt er vielsagend und sieht mich vermutlich schon auf dreckigen Matratzen beim SM Treff liegen. Nein, er ist ja vermutlich Muslim, so weit geht seine Fantasie nicht. Ihm genügt es bereits, mich nackt zu sehen, mich danach dafür zu bestrafen und vor die Tür auf die kalte Straße zu werfen. Ich hätte es nötig, durchaus. Aber mit einer Dönerbox mit Pommes, die er extrem liebevoll zubereitet hat, verlasse ich den Laden. Den ich übrigens ohne Maske betreten durfte, auch sein Gesicht war nackt. Das ist ja heutzutage schon Frevel.
Ich gehe also in mein Hotel in der Talstraße, denn draußen erwartet mich wohl nicht mehr viel und einkehren kann ich nicht. Ich liebe dieses Hotel, seine stinkenden bunten Teppiche auf den Treppenstufen, den muffigen Geruch im Flur, die Frau im Bademantel, die aus der Gangdusche schlüpft. Die alten Zimmertüren mit Schlüsseln, nicht mit Magnetkarten. Die abgewetzte Einrichtung, die zerschlagenen Waschbecken, den auseinanderfallenden Heizlüfter, den ich lieber nicht anmachen würde aus Angst vor einem Stromschlag. Das Rot Weiß der Zimmer, die frivole Ausstrahlung. Rotes Kopfteil des Doppelbetts, rote Vorhänge, rote Überdecken. Ich verspeise Döner und Pommes und schlafe auf dem weichen Bett ein.
Als ich aufwache ist es 3.40 Uhr. Vor meinem Fenster haben irgendwelche Kerle mehrfach so laut gebrüllt, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich gehe zum Fenster und schiebe den roten Vorhang beiseite. Von der gegenüber liegenden Seite der Straße schaut ein Mann mir direkt in die Augen.
So zumindest fühlt es sich an. Es fühlt sich so an, als würde er mich sehen und nicht nur das, als würde er mich penetrieren, mit seinem Blick. Er steht am Fenster des Hotels gegenüber, ebenfalls im ersten Stock, so wie ich, das Licht im Zimmer ist an, und neben ihm wie ein kurviger Schatten eine Frau mit langen Haaren, die mit dem Rücken zu ihm steht, und die er wiegt, hin und her, vor und zurück, und es ist klar, dass er mit ihr weiter unten durch ein hartes Körperteil verbunden ist. Er scheint auf mich gewartet zu haben, auf eine Zuschauerin, endlich jemand, der das hell erleuchtete Zimmer wahrnimmt, in dem er einen Live Porno aufführt. Seine auf mich gerichteten Augen verbieten mir, wegzugehen, obwohl ich es möchte. Ich möchte wieder verschwinden in der Dunkelheit meines sicheren Hotelzimmers, oder auch nicht, denn zwischen meinen Beinen breitet sich Abenteuerlust aus.
Der Mann fixiert mich mit seinen Augen, und seine Partnerin mit seinem Schwanz. Er dreht sie jetzt um, so dass sie zu mir schaut. Sie hat ein Glas in der Hand, mit Sekt, Alkohol, und sie befindet sich mitten in einer geilen Nacht. Mir wird so übel, soll ich das wirklich sehen. Ich spüre die kantigen Heizkörperteile an meinem Bein, und eine Art Schreck fährt mir in die Muschi. Angst macht mich feucht, Angst ist erregend. Er fickt sie jetzt schneller und fester, während er mich anschaut, er packt ihre langen Haare und zieht ihren Kopf damit in ihren Nacken, sie lässt die Hand mit dem Glas sinken. Er dreht sie und schiebt sie und wendet sie, während er ihr zeigt, wo es lang geht. Und mir gleichzeitig.
Warum sollte ich nicht um jetzt 3.55 Uhr rübergehen, wer sollte es mir verbieten, er und sie könnten mit mir machen, was sie wollen, ob ich jemals wieder in meinem Hotel auftauchen würde, wen würde es interessieren. Er öffnet jetzt die Fensterscheibe und kommt mir damit näher. Seine Augen verlangen, dass ich meine ebenfalls öffne, doch es ist kalt. Aber die Heizung ist warm. Ich schiebe die Vorhänge weit beiseite und öffne das Fenster. Ich höre sie jetzt stöhnen und jammern, wer weiß, wo er eine harte Hand hat, vielleicht packt er ihren kleinen Arsch damit, auf jeden Fall fügt er ihr Schmerzen zu. Und das alles, ohne den Blick von mir zu wenden. Den Blick, der sagt: Du bist als Nächste dran.
War das ein Kopfschnicken? Ein „komm rüber“? Der Kiosk unten hat noch geöffnet, 24 Stunden, ein paar Männer stehen davor. Würde ich heil an ihnen vorbeikommen?
Er drückt die Frau nun an den Schultern nach unten, ich sehe ihren geöffneten Mund. Er führt ein Schattenspiel auf, nur für mich, indem er seinen Schwanz auf ihre Lippen zu bewegt, indem er mit beiden Händen ihren Kopf nimmt, indem er immer wieder zu mir schaut, ob ich auch noch dabei bin.
Ich bin dabei und zittere vor Angst. Die kalte Nachtluft berührt jetzt meine Titten, die ich freigelegt habe, ohne es zu wollen. Es ist einfach so geschehen. Er nickt von gegenüber, ich nehme meine Hände und knete meine Brüste, zwicke meine Nippel, spüre wie mich die Leggings stört, die ich noch immer trage, doch ich bin jetzt zu beschäftigt, um sie auszuziehen, ich gerate in einen Sog. Er schaut zu mir rüber, ich spüre seinen Schwanz in ihrem Mund, ich möchte mich auf ihn setzen und mich reiben reiben.
Die Frau ist plötzlich verschwunden. Vielleicht liegt sie am Boden. Er macht ein Handzeichen, das ich nicht anders verstehen kann. Ich schließe meine Zimmertür mit einem Klacken auf, ich gehe oben ohne nur in Leggings durch den muffigen Flur, die eine Treppe hinunter, an die Glastür.
Dahinter steht er, jetzt ganz nah. Er muss Araber sein. Ich öffne die Glastür. Ohne ein Wort schiebt er mich heftig die Treppe hinauf, ich gehe vor zu meinem Zimmer, er wirft mich auf mein Bett, reißt mir die Leggings vom Arsch und schiebt mich ans offene Fenster. Er ruft einen Namen. Die Langhaarige schwankt am Fenster, sie scheint betrunken. Er nimmt den Sessel, der neben dem Bett steht, schiebt ihn vors Fenster, ich muss mich darauf knien und meinen Arsch in Richtung der Langhaarigen strecken. Er wird brutal, schlägt mich, ich triefe. Er schiebt seine Finger grob in meine Nässe, die Kerle vor dem Kiosk feixen und schauen zu uns. Wollt ihr ihren Arsch? Ist der erste Satz des Arabers, der perfekt Deutsch spricht. Wenig später klopft es an der Tür, ich darf mich nicht umdrehen, muss warten und die Ankömmlinge nach ihren Schwänzen beurteilen, die in unterschiedlichen Rhythmen in mich dringen. Er verlässt den Raum gemeinsam mit ihnen. Ich hänge nackt am Fenster, sehe ihn wieder im ersten Stock gegenüber, er dreht seine Freundin wieder um und spritzt in ihr ab. Er schließt das Fenster. Zieht den Vorhang zu.
Um 7.30 Uhr hole ich mir Kaffee am 24-Stunden-Kiosk. Beim Laufen spüre ich leichte Schmerzen. Auf der SM und Fetisch Party hätte es nicht besser sein können.
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