Er besuchte sie öfters. Meistens hatte er Glück und sie war frei. Manchmal musste er warten und einmal ging er wieder, weil sie zu lange beschäftigt war. Es störte ihn nicht, zu wissen, dass sie es mit anderen Männern trieb, es war schließlich ihr Beruf und nur deswegen war auch er hier. Er fragte sie jedes Mal, wie die Geschäfte liefen. Sie klagte oft, dass die Straße zwar voll sei, aber die Typen nur zum Gucken gekommen seien. Dann wünschte er ihr mehr Erfolg und das meinte er auch ernst, schließlich war sie ja nicht seine Geliebte oder Freundin und Erfolg im Beruf wünscht man ja so gut wie jedem. Schon nach wenigen Besuchen hatte sich eine Art Ritual in ihrem Zusammenseins eingestellt. Er ging an ihrem Fenster vorbei, sie schauten sich kurz, fast unmerklich an, sie verließ ihren Platz, er wartete an der Haustür, dass sie den Öffner betätige. Während sie die Treppe hochstiegen, tätschelte er ihren kleinen, wohlproportionierten Hintern und fragte „How are you?“. Sie war immer sehr freundlich, lachte viel, und bevor sie zur Sache kamen, stellte sie sich auf das Podest, auf dem ihr Bett stand. Nun erst waren sie auf Augenhöhe und er umarmte sie, drückte sie an sich, tätschelte ihren Hintern erneut und sie schmiegte sich, so empfand er es zumindest, lustvoll an ihn. Bevor sie zur Sache kamen, redeten sie miteinander, manchmal auch noch danach. Es war nicht viel, nicht lange und meistens handelte es sich immer um dieselben, belanglosen Dinge, wie das Wetter, Urlaubspläne oder eben wie das Geschäft lief. Manchmal brachte er ihr Süßigkeiten mit, über die sie sich zwar freute, aber auch immer bemerkte, sie würden sie dick machen und ihr Bauch sei zu fett. Das stimmte überhaupt nicht, sie war rank und schlank und die kleine Wölbung ihres Bauches machte ihre Figur erst perfekt.
Mit der Zeit entwickelte sich eine gewisse Sympathie auf beiden Seiten und Anita erzählte ihm von ihren Kindern und ihrer Familie und dass sie hier ganz allein sei und diese ungeliebte Arbeit nur mache, weil sie gut verdiene, viel mehr als mit putzen und etwas anderes könne sie auch gar nicht, sie habe nur eine schlechte Schulbildung und auch sonst keine Ausbildung und damit keine Chance auf einen anderen Job, weder hier und in ihrer Heimat schon gar nicht. Dort sei es hoffnungslos und sie müsse so lange hier bleiben, wie sie Schulgeld bezahlen müsse und das würde noch eine Weile dauern. Sie würde für ihre Kinder alles machen, sie sollten es einmal besser haben im Leben. Auf Nachfrage erfuhr er, dass sie geschieden war und dass sie keinen Kontakt mehr zu dem Vater ihrer Kinder habe, der natürlich auch keinen Cent für die Kinder bezahlen würde, die ja auch sein Werk waren. Wenn sie dieses wichtige Ziel erreicht habe, würde sie gerne wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort ein Geschäft betreiben, einen Frisiersalon oder etwas ähnliches, obwohl das Leben hier besser und einfacher sei, aber sie sei Afrikanerin, liebe ihre Heimat und habe dort auch viel Verwandte. Diese Dinge aus ihrem privaten Leben erzählte sie, wenn sie mit der Arbeit fertig waren und es gut gelaufen war und beide noch ein Weilchen auf dem breiten Bett lagen, um sich zu erholen und zu entspannen. Dann stand sie auf, immer als Erste, wusch sich wieder, pinkelte ab und zu in eine Schüssel oder in einen großen Joghurtbecher. Wenn er sie dabei neugierig beobachtete, schaute sie mit einer Mischung aus Provokation und Entschuldigung zurück. Es war ihr anscheinend gar nicht peinlich, aber auch nicht selbstverständlich. Ganz am Anfang ihrer Beziehung, als sie das zum ersten Mal getan hatte, hatte sie erklärt, dass sie immer über den Flur gehen müsse, um zum Klo zu gelangen und das wolle sie nicht, wenn sie nicht angezogen sei. Ob es ihn störe, hatte sie noch gefragt, und als er sagte, im Gegenteil, grinste sie ihn vieldeutig an, als wolle sie sagen, das ist eine Gratiszugabe von mir für dich. Erst wenn sie fertig war und ihre wenigen Kleidungsstücke wieder angezogen hatte, auch ein Akt, den er mit Interesse verfolgte, stand er auf, wusch sich, zog sich an und legte das Geld auf das Nachttischchen oder wenn, er gut gelaunt war, steckte er es ihr in den BH und küsste die beiden Halbkugeln. Üblicherweise gab er ihr ein Trinkgeld, weil es entweder gut gelaufen war oder weil sie sich lange, manchmal leider auch erfolglos, abgemüht hatte, ihn zu dem finalen Höhepunkt zu bringen, der nun mal beim Koitus erreicht werden sollte. Sie war dabei nie ungeduldig und das schätzte er an ihr. Wenn er sein Ziel nicht erreichte, nahm er es nicht tragisch, er wusste, dass dies in seinem Alter normal war und er musste ja hier keine Show abziehen oder sich ständig selbst bestätigen. Er wusste auch, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten und weil er auch sonst immer nett zu ihr war, hatte er den Eindruck, dass sie sich aufrichtig freute, wenn er kam. Einmal fragte er sie, ob sie eifersüchtig wäre, wenn er zu einer anderen gehen würde und sie es mitbekäme. Zuerst verneinte sie, es sei ja nur ein Geschäft, aber dann meinte sie doch, dass es sie schmerzen würde, weil sie ja wohl etwas falsch gemacht haben müsse, wenn er nicht zu ihr käme. Zum guten Schluss brachte sie ihn zur Haustür, drückte den Öffner und mit einem Küsschen auf ihre Wangen und dem Wunsch, sie möge auf sich aufpassen, schieden sie in Harmonie.
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