So gern sie von ihrer Familie, besonders von ihren Kindern, redete, sie hatte wohl sonst niemanden, der ihr zuhörte, so selten sprach er über sich selbst. Eines Tages erzählte er ihr aber doch von einem Wunsch, den er schon lange hege und den er sich bisher nie erfüllen konnte. Er würde sehr gerne, wenigstens einmal in seinem Leben, nach Afrika fahren, nicht als üblicher Tourist in einer Safarigruppe oder zu einem dieser unsäglichen Freizeitclubs am Meer, nein einfach so, in eine der großen Städte, zum Beispiel in die Hauptstadt ihres Heimatlandes, und dort ein paar Tage verbringen. Er würde nichts anderes machen, als herumlaufen, fotografieren, die Atmosphäre aufsaugen, dann wieder zurück. All die Highlights, die in Reiseführern beschrieben würden interessieren ihn nicht, er wolle das tägliche Leben sehen, die Menschen auf den Straßen, interessante Gesichter finden. Solch ein Fototrip würde höchstens eine Woche dauern und er habe das schon oft gemacht, aber Afrika stehe noch aus. Sie hörte interessiert zu, aber dann kamen sie nicht weiter auf das Thema zu sprechen, bis sie ihm eines Tages sagte, dass ihre Mutter sehr krank sei und sie zu ihr müsse, um sie noch einmal zu sehen. Sie könne nur kurz wegbleiben, weil sie ihr Zimmer hier nicht aufgeben wolle und sich auch keinen längeren Verdienstausfall leisten könne. Aber, fuhr sie nach kurzem, jedoch deutlichem Zögern fort, der Flug sei teuer und sie habe im Moment nicht genug Geld, weil sie zu Beginn des Schuljahrs immer hohe Summen an ihre Schwester schicken müsse, die sich um die Kinder kümmere und auch alle schulischen Dinge erledige. Nach einem erneuten Zögern fragte sie, ob er ihr etwas Geld leihen könne, ein paar Hundert Euro, mehr nicht und sie würde ihm alles zurückgeben, er könne sich darauf verlassen. Die Bitte kam für ihn überraschend, denn bisher hatte er den Eindruck, dass sie in ihrem Job ganz gut verdiene, deshalb zögerte er mit seiner Antwort. Würde er das Geld jemals wiedersehen? Aus den Augen, aus dem Sinn? Andererseits, warum sollte er ihr nicht helfen, nachdem sie sich doch ganz gut verstanden und nun schon über längere Zeit regelmäßig Kontakt hatten, warum sollte sie ihn bescheißen warum sollte sie nicht zurückkommen, wo sie das Geld doch brauchte, dass sie hier verdiente. Als er mit einer Antwort zögerte, sagte sie ganz direkt, sie könne verstehen, dass er um sein Geld fürchte, dass er Angst habe, es nicht mehr zurückzubekommen, aber wie wäre es, wenn er mitkäme. Er wolle doch schon immer mal nach Afrika, das habe er doch selbst gesagt und jetzt wäre doch eine gute Gelegenheit diese Reise zu machen, mit ihr. Sie könnten zusammen fliegen, fuhr sie voller Begeisterung fort, als sie merkte, dass er sich zu interessieren begann, und während sie bei ihrer Familie wäre, könnte er in der Hauptstadt fotografieren. Vielleicht hätte er sogar Lust, ihre Familie zu besuchen, die gar nicht weit weg von der Hauptstadt lebe. Wenn es der Mutter nicht ganz schlecht ginge, würden ihre Verwandten sich freuen und er könnte auch in ihrer Heimatstadt schöne Bilder machen. Anita steckte ihn mit ihrer Begeisterung regelrecht an und erweiterte ihren Vorschlag, wenn er bereit wäre, die Reisekosten vorzuschießen oder vielleicht sogar einen Teil ihrer Kosten zu übernehmen, könnte sie dafür seine Fremdenführerin sein und ihm alles zeigen, was er wolle. Mehr noch, er wäre in dieser Zeit ihr „boy friend“ und dann könne er selbstverständlich mehr von ihr im Bett erwarten, als sie ihm hier geben würde und das würde er ganz sicher nicht bereuen. Langsam nahm auch er Fahrt auf, aber trotz aller Begeisterung, trotz aller Pläne, die sie schmiedeten, gab es immer noch Zweifel und Bedenken, ob es wirklich zu der Reise kommen würde, und ob alles klappen würde und ob und ob noch viele obs. Um diese Zweifel auszuräumen, blieb ihnen aber keine Zeit. Anita wollte aus verständlichen Gründen so rasch wie möglich fliegen und für ihn war weder das Geld noch der Termin ein richtiges Problem.
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