Der folgende Tag war für ihn auch als Fotograf ein voller Erfolg. Die ganze Familie, einige Freunde, die halbe Nachbarschaft, alle drängten sich und wollten von dem „famous fotografer“ aufgenommen werden, nachdem Angela mit flammenden Worten auf sein Talent und die einmalige Gelegenheit „Starfotos“ zu erhalten, hingewiesen hatte. Bereitwillig ließen sie ihn in ihre Wohnungen, bereitwillig zogen sie ihre besten Kleider an, bereitwillig posierten sie nach seinen Wünschen und machten einfach alles, was er sie hieß. Während Angela sich um ihre Kinder kümmerte, sie durften an diesem Tag die Schule schwänzen, war er bis in den Abend hinein vollauf beschäftigt. Als er die Bilder auf sein Notebook übertrug und auf dem Monitor prüfte, war er mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Er hatte viele interessante Personen aufgenommen, viele ausdrucksstarke Gesichter eingefangen, Szenen voller Intimität und Aussagekraft festgehalten. Beflügelt durch diesen Erfolg und das erneut reichliche Abendessen, war die zweite Nacht viel entspannter, denn aus dem Galopp über die Savanne, war ein leichter Trab geworden, der beide nicht erschöpfte, sie aber dennoch zufriedenstellte. Eng aneinandergeschmiegt schliefen sie schon bald ein, ein junges, frisch verliebtes Paar, das nicht genug voneinander bekommen kann. Für den letzten Tag ihres Aufenthalts hatte er sich vorgenommen, die Gegend zu erkundigen. Dabei sollte ihm der jüngste Bruder Angelas helfen, ein lustiger, draufgängerischer Typ, mit dem er sich auf Anhieb gut verstand. Er hatte seinen Freund den Taxifahrer, der sie vom Busbahnhof abgeholt hatte, überredet, ihnen für einen geringen Preis den ganzen Tag zur Verfügung zu stehen. Es gäbe viele schöne Dinge zu sehen und er wisse ja nun, was sein „Bruder“ aufnehmen wolle, er war übergangslos vom friend zum brother aufgestiegen. Er sei ein sehr guter Führer, weil es sein Traum sei, eines Tages Fremdenführer zu werden oder Animateur in einem Club und er schon viel geübt habe, aber auch noch viel lernen müsse. Bevor sie losfuhren, schärfte Angela allen Dreien ein, rechtzeitig am späten Nachmittag zurückzukommen, weil ihre Eltern ein kleines Fest geplant hätten. Was für ein Fest, wollte er wissen, aber sie gab sich zurückhaltend, er werde es schon sehen. Auf sein Drängen sagte sie nur, ein Abschiedsfest, was denn sonst. Auch dieser Tag war aus fotografischer Sicht höchst erfolgreich. Der Bruder hatte nicht zu viel versprochen. Er führte ihn zu einsamen Orten, zeigte ihm den örtlichen Markt, fuhr an der Schule vorbei, machte ihn mit einigen originellen Menschen bekannt. Er sah eindrucksvolle und stimmungsvolle Szenen und hatte genügend Zeit, die Kamera einzustellen und das Beste aus den Begegnungen zu machen. Leider etwas spät, die Sonne stand schon sehr schräg, fragte er den Bruder, ob er auch einige Mädchen kenne, die sich gerne fotografieren ließen. Der Bruder druckste erst etwas herum, es schien ihm fast peinlich zu sein, aber dann fuhren sie zu einem abgelegenen Haus, wie sich rasch herausstellte, das örtliche Bordell. Es war noch hell und kaum Betrieb, aber der Bruder und der Taxifahrer wurden mit Hallo begrüßt. Doch als er bat, Bilder machen zu dürfen, wollte keine sich vor die Kamera stellen, alle lehnten entschieden, ja geradezu empört ab und so musst er unverrichteter Dinge wieder von dannen gehen. Einen Besuch auf einem der Zimmer lehnte er seinerseits entschieden ab. Die beiden Männer lachten, als sie nach Haus fuhren und der Bruder erklärte, dass diese Hühner ganz schön blöd seien und er hätte mit ein paar Scheinen winken müssen, dann wären sie sicher bereit gewesen. Aber dazu war es an diesem Tag zu spät und als er, später als geplant, die Gelegenheit hatte, seine Tagesausbeute zu begutachten, war er mit den Ergebnissen auch ohne Bilder von den „Hühnern“ wieder sehr zufrieden. Allein schon aus diesem Grund hatte sich die Reise gelohnt.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.