Robinsons Gefährtin

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Robinsons Gefährtin

Robinsons Gefährtin

Susi M. Paul

Während ich eines Morgens im Bette lag und nachdachte, welche Gefahr das Erscheinen der Kannibalen für mich bedeuten könnte, fielen mir die Worte der Heiligen Schrift ein: »Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei.« Wie sehr sehnte ich mich da nach Gemeinschaft, und ich flehte Gott inbrünstig um Errettung an, nicht nur um die vor den Menschenfressern, sondern noch viel mehr um die Errettung vor meiner schon so lange währenden Einsamkeit.
Zwar war ich das eine oder andere Mal schon zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Barbaren und ihre Gebräuche im Grunde nur unwesentlich schlimmer als wir Christen waren, die wir unsere in der Schlacht gemachten Gefangenen schließlich doch grausam hinrichten oder die Krieger der anderen Seite ohne Gnade zerfleischen, wenn wir nur die Gelegenheit dazu haben. In Anbetracht dessen ließ mich die Last der Einsamkeit bisweilen sogar hoffen, in Kontakt mit einem der Wilden zu treten. Doch die Angst, dabei ihr nächstes Freudenmahl zu werden, hielt mich davon ab, ein solches Wagnis einzugehen. Ihr Brauch, die Gefangenen zu zerstückeln und zu verspeisen, lag wie eine dunkle Bedrohung auf mir, die ich nicht einfach abzuschütteln vermochte.
So verging die Zeit, in der allein Gottes Wort mir Trost und Verheißung waren, und doch verstieß ich wieder und wieder gegen seine Gebote. Denn es gibt in der menschlichen Natur geheime Triebe, die, einmal in Bewegung gesetzt, den Körper zu einer solch ungestümen Begierde antreiben, dass die Entbehrung des Ersehnten geradezu unerträglich erscheint. So erging es mir mit jenem Wunsche, nicht alleine zu sein. Wie ich auch versuchte, der Sünde der einsamen Befriedigung zu entgehen, so übermannte mich doch immer wieder das unaufschiebbare Verlangen, mir Erleichterung zu verschaffen. Und wie pflegte ich dann hinterher zu klagen: »Ach, wäre nur eine Begleiterin hier, auf dass wir es der Natur entsprechend tun könnten!« Ich wiederholte, glaube ich, diese Worte wohl tausend Mal, so verzweifelt war ich ob meines schändlichen Tuns, mit dem ich an mir selbst Hand anlegte.

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