Das Schimmelpilz-Sex-Genie

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Das Schimmelpilz-Sex-Genie

Das Schimmelpilz-Sex-Genie

Charles Haiku

"Oh, Gott, wie sehe ich nur aus!" Sie schniefte leise und fand die Zigaretten. Die Zeit sei reif, um die Trumpfkarte zu ziehen, befand Leonardo. Ohne Maria direkt anzuschauen, war ihm eine CD in ihrer Handtasche aufgefallen. Die Schrift auf der Hülle brauchte er nicht zu entziffern. Das Cover kannte er nur zu gut. "In einer wohlsortierten Klassiksammlung darf Beethoven nicht fehlen!" beglückwünschte sich Leonardo und bereitete den Angriff vor. Der Kellner beendete seine Rundreise und verscheuchte hinter dem Tresen mit dem Geschirrhandtuch den Wackelkontakt aus der Musikanlage. Die angestaute Musik brach durch die Box wie ein tosender Wasserfall.
"Mach sofort die Musik leiser!" fuhr der grüne Engel den Kellner an, der den Befehl augenblicklich befolgte. Maria steckte sich eine Zigarette in den Mund und suchte nach ihren Streichhölzern. Vor ihrem Gesicht glomm Leonardos Feuerzeug auf. Überrascht schaute sie ihm ins Gesicht und zündete sich die Zigarette an. Bevor sich Maria mit einer spitzen Bemerkung in der Art wie:"Sie sind ja ein richtiger Kavalier." revanchieren konnte, sprach Leonardo Maria zuvorkommend an. "Könnten Sie den Kellner liebenswürdigerweise zu einem sofortigen Musikwechsel überreden? Sie scheinen hier einigen Einfluß zu besitzen." "So, habe ich hier einigen Einfluß? Kerl, ich werde dich zerschmettern!" dachte Maria und mit der unschuldigen Stimme des Henkers fragte sie laut. "Was würden sie denn vorschlagen?" Über die Lippen des grünen Engels kroch ein skeptisches "Was-kannst-du-Lederjacken-Typ-schon-hören"-Lächeln. "Rachmaninov zum Beispiel oder ... Beethoven. Ja, Beethoven wäre ausgezeichnet." erwiderte Leonardo scheinheilig.
"Beethoven?" echote sie verblüfft. "Ja, Beethoven." wiederholte er.
"Sein Klavierkonzert Nr.5 in Es-Dur ist geradezu unglaublich. Es gibt da eine Stelle im zweiten Satz. Wenn dort der Pianist sanft über die Tasten gleitet, höre ich die Töne nicht mit meinen Ohren, es ist vielmehr ein Empfinden mit ... mit ... mit der Wirbelsäule. Es klingt vielleicht komisch, aber ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben könnte!" "Sie meinen die Stelle, wo im Hintergrund die Hörner leise erklingen?" erkundigte sich Maria und suchte in ihrer Tasche
ach der CD. "Warten Sie, ich habe zufälligerweise eine Aufnahme mit." "Wirklich?" Leonardo spielte vergnügt und gekonnt den Erstaunten. "Hier ist sie!" Triumphierend schwenkte sie die CD, und ihre Augen spiegelten den Glanz der silbernen Scheibe wider. Leonardo nahm Maria die Hülle aus der Hand, und der Kellner legte die CD ein.
"Das gibt es doch gar nicht! Es ist meine Lieblingsaufnahme. Mein Gott, das ist verrückt. Ich stehe hier und denke an nichts Böses und Sie tragen meine Lieblings-CD mit sich herum. Ist das nicht unglaublich?!" Begeistert schaute Leonardo in die Runde und sein schauspielerisches Talent überzeugte ihn fast selbst von seinen Worten. So weit hergeholt war es nun ja auch wieder nicht. Maria und Leonardo rutschten bis auf den vorgeschriebenen Abstand, von dreißig Zentimetern, der verbindlichen DIN- und Europa-Norm für sich kennenlernende Tresen-Paare, zusammen. Ein Unterschreiten zöge zu diesem Zeitpunkt die sofortige Disqualifikation nach sich.

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