Schmetterlingsbrosche

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Schmetterlingsbrosche

Schmetterlingsbrosche

Anita Isiris

Es begab sich eines schönen Tages, dass Nino, der Fischerjunge, sein Glück in Santana herausforderte, auf dem dortigen Fischmarkt. Santana liegt auf Madeira, der bekannten portugiesischen Insel. Das kleine Dorf gilt wegen seiner spitzgiebligen traditionellen Bauernhäuser als Touristenattraktion. Schon als kleiner Junge hatte Nino staunend zu diesen Reisenden aus den nordischen Ländern hochgeschaut, ahnend, dass sie ein ihm völlig fremdes Leben führten.

Nino lebte in einer kleinen Kate am Rand von Santana mit seinem dauernd schlecht gelaunten Vater, seiner Mutter, die ihm nichts Recht machen konnte – und seinen vier Schwestern, von denen ihn vor allem zu Anna, der Jüngsten, ein inniges Verhältnis verband. Nino war der Zweitälteste unter seinen Geschwistern und hatte schon früh lernen müssen, dass nur, wer hart arbeitete, es im Leben wirklich zu etwas bringen würde. Ninos Vater hatte Zeit seines Lebens hart gearbeitet und es trotzdem zu nichts gebracht. Die Mutter nähte die Kleider für ihre vier Töchter selbst, spätabends, unter einer Petroleumlampe, die den kleinen Küchenraum kaum erhellte. Nino konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemals etwas gekauft worden war. Er trug seine Sandalen, bis sie derart durchgewetzt waren, dass die Fussballen am Boden aufschürften. Seine Hose hatte früher seinem Vater gehört, der alles aufbewahrte, was das Leben hergab, was wiederum dazu führte, dass die Kate – von der kleinen Kellergrube bis hinauf ins Dachgeschoss – mit allerlei Unrat angefüllt war, der in früheren Jahren sehr wohl eine Bestimmung gehabt haben mochte, jetzt aber nur noch Platz raubte.

Dies war einer der Gründe, warum Filomena, Ninos Mutter, immer tiefer in Verzweiflung versank. Ihre Kinder wurden älter, und Sirina, die Älteste, war nun 21 Jahre alt und somit längstens heiratsfähig. Wer aber würde eine derart arme junge Frau ehelichen? Natürlich bekam die hübsche Sirina Angebote, aber diese galten vorwiegend ihrem gut gebauten Körper und dem dichten lockigen Haar. Liebe war da kaum jemals im Spiel, so die Einschätzung der lebenserfahrenen Filomena – und möglicherweise hatte sie nicht einmal so Unrecht.

Als die Familie wieder einmal trübsinnig in der russgeschwärzten kleinen Küche über einer Fischsuppe sass, geschah es. Der Vater holte aus und hieb dermassen kräftig auf den Tisch, dass die ganze Familie vor Schreck aufsprang und Cara, eines der mittleren Kinder, ihre Zwillingsschwester anstiess. Diese riss vor Schreck den Fischsuppentopf vom Tisch, sodass sich dessen ganzer Inhalt über den steinigen Boden ergoss. Glücklicherweise wurde niemand vom heissen Suppenwasser in Mitleidenschaft gezogen, aber die eingeschüchterten vier Töchter verliessen den Raum augenblicklich, um weiteren Zornwallungen ihres Vaters zu entgehen. Auch Filomena duckte sich – niemand sagte ein Wort. «Merda viva», «Scheissleben», schrie der Alte mehrmals hintereinander und packte Nino am Haarschopf. «Filho da puta», «Hurensohn», schrie er ihn an und trat ihm gegen das Schienbein. Ninos Vater hatte einmal mehr zu viel Cerveja getrunken, und die Familie litt sehr unter seiner Alkoholkrankheit, die wiederum der Tatsache geschuldet war, dass er am Leben verzweifelte. Ninos Vater Carlos war im Grunde kein schlechter Mensch, aber vom Schicksal derart gebeutelt worden, dass er bald nichts mehr anderes kannte als diese Ausbrüche.

In früheren Jahren hatte er seinen Sohn im Schiffsbau unterwiesen; die beiden hatten in nächtelanger Arbeit ein Fischerboot gebaut, das seinesgleichen suchte, was Stabilität und Schwung anging. Bis zum heutigen Tag war dieses Boot die Ernährungsgrundlage der Familie Santino gewesen, es hatte Stürmen getrotzt, hatte einem schroffen Felsen mitten im Atlantik standgehalten und über die Jahre tonnenweise Fisch und anderes Meergetier eingefahren.

Mittlerweile war Ninos Vater zu ungeschickt und zu schwerfällig geworden, um noch zur See zu fahren, was ihn zusätzlich verbitterte. Umso mehr lebte Nino auf, der sich nun für seine vier Schwestern und seine Eltern verantwortlich fühlte und hart arbeitete. Noch immer hatte er seinen Traum nicht aufgegeben, dass harte Arbeit zu einem erfolgreichen Leben führen könnte.

Mit viel Liebe hatte er auf dem Fischmarkt in Santana Heringe und Sägefische ausgebreitet, und in Konfitüregläsern zuckten frische Makrelen, Hummer und Meermuscheln. Sorgfältig schirmte sie Nino mit einer weissen Plane von der Hitze ab, wohl wissend, wie rasch die frische Ware verdarb. Er hatte viele Stammkundinnen, vor allem Inselbewohnerinnen, die empfänglich waren für Ninos freundliche Augen und seine gut gemeinten Scherze. In mancher Frauenbrust schlug ein hungriges Herz, denn Liebe war zur Mangelware geworden. Nicht nur körperliche, sondern auch seelische Liebe. Mit dem Tourismus ging es abwärts, seit die portugiesische Regierung verordnet hatte, dass wegen eines neuen Virus Distanzen von bis zu drei Metern eingehalten werden mussten – auf einer kleinen Insel wie Madeira, mit wenigen Treffpunkten, eine Bestimmung, die im Laufe der Monate zu kompletter Vereinsamung führte. Wie denn sollten sich Männer und Frauen, Männer und Männer, Frauen und Frauen überhaupt noch näherkommen können, wenn sie sich nur noch über Distanz anschreien mussten? Eine derartige Kommunikationsform beschränkte sich aufs Wesentliche, grob und holzschnittartig im sprachlichen Ausdruck, grob und gefühllos in der akustischen Wahrnehmung.

Doch dann veränderte sich Ninos kleine Welt innerhalb zweier Herzschläge. Gemessenen Schrittes, aufmerksam und neugierig nach allen Seiten blickend, drängte sich eine junge Frau über den Markt, eine Frau, die ihresgleichen suchte. Ihr auffallend langes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, und sie trug ein mattgraues, körperbetontes Kleid, dessen Brustpartie mit zierlichen Bordüren bestickt war. Sie trug eine schwarze, modisch geschnittene Hose und Schuhe mit Bleistiftabsätzen, die Ninos Blut in Wallung geraten liessen. Wie gelähmt sortierte er eine Handvoll Makrelen, so, als stünde er unter Hypnose, was ja ein Stück weit den Tatsachen entsprach. Welch ein Wesen eines fernen Planeten, welch eine aufregende Erscheinung. Eine kühle Touristin aus dem Norden, die Nino erwartungsgemäss keine Beachtung schenkte. Sie ging ihres Wegs, und Nino konnte nur erahnen, welch wundervoller Körper sich unter dem mattgrauen Kleid verbarg. Wenn er doch nur… sie trug, wie so viele Nordfrauen, eine Halskette mit einem kleinen Schmetterling. Wenn er doch nur dieser Halskette habhaft werden könnte. Mit Unschuldsblick würde er sie ihr überreichen, als vermeintlicher Finder, irgendwo, am Rande des Markts, und das war wohl seine einzige Möglichkeit, mit der Schönen für Sekundenbruchteile in Kontakt zu kommen.

Nino war religiöser Glaube fremd, er ging nicht davon aus, wiedergeboren zu werden. Was geschah, geschah im Moment, und Momente waren flüchtig. Es konnte gut sein, dass die schöne Frau aus dem Norden Santana verliess und nie mehr zurückkehren würde. Eilends breitete der junge Mann die Plastikplane über seinen Stand, nahm die 150 Euros an sich, die er sich bis zu jenem Zeitpunkt verdient hatte und bewegte sich energisch durch die Menschenmenge, die sich über die 3-Meter-Distanzregel lustig zu machen schien. Er verfolgte die Nordfrau, die sich in Richtung der kleinen Kaffees bewegte. «Diese Frauen aber auch», dachte Nino bei sich, «eigentlich sind sie alle gleich. Märkte ziehen sie magisch an, aber sie kaufen eigentlich nichts. Sie wollen einfach die Atmosphäre erschnuppern. Dann setzen sie sich in die Kaffees, tratschen mit ihren Freundinnen und machen mit ihrem Aussehen die männlichen Dorfbewohner verrückt».

Die Frau im grauen Kleid aber war anders, Nino spürte das. Dann erstarrte er. Sie sass allein an einem runden Tischchen, unter einem blau-gelb-rot-weissen Sonnenschirm. Blau-gelb-rot-weiss. Die Farben von Madeiras Flagge. Sie sass stolz und aufrecht da und hatte das Kreuz durchgedrückt. Sie führte ein Glas Mineralwasser zum Mund und wirkte so, als wollte sie sich malen lassen, entrückt und unwirklich wie ein Modell. Ninos Erektion liess nicht lange auf sich warten, obwohl er es unpassend fand, dass sein Körper so reagierte. Er wollte doch nur seinem Herzen folgen und hatte bei Weitem nichts Böses im Sinn.

Da erinnerte er sich an seinen bei einem tragischen Fischereiunfall verstorbenen Bruder. Nino holte tief Atem, sein Herz tat einen Sprung. Wie war das gewesen damals? Sie hatten Zirkus gespielt, in sicherem Abstand zur Kate, in dem die Familie Santino ihr Dasein fristete. Die beiden hübschen jungen Männer hatten nie Probleme damit gehabt, Zuschauer und vor allem Zuschauerinnen anzulocken, denen sie kleine Zauberkunststücke vorgeführt hatten. Der Höhepunkt waren jeweils Quirinos Künste als Taschendieb gewesen. Was hatte er den Zuschauerinnen, von denen sehr wohl unbemerkt, nicht alles entwendet! Taschentücher, Lippenstifte, Haarnadeln, und einmal sogar einen BH, wobei Nino nicht glauben wollte, dass die Bestohlene, eine über 40jährige mit einer enormen Oberweite, das nicht bemerkt haben wollte. «Die hat doch beide Augen zugedrückt», war seine Bemerkung gewesen, aber sein Bruder hatte nur geheimnisvoll gelächelt. Als es ihm dann mehrmals hintereinander gelungen war, Frauen auch um ihre Eheringe und um ihre Halskettchen zu erleichtern, war Nino immer stiller geworden.

Quirino war ein hochanständiger Junge gewesen und hatte den Opfern ihren Besitz nach der Vorführung immer zurückgegeben. Den Männern ihre Smartphones und Sonnenhüte, den Frauen ihre Geldbörsen, ihre Papiertaschentücher und ihren Schmuck. In mühevoller Kleinarbeit hatte Quirino seinem jüngeren Bruder die Kunst des Taschendiebstahls nähergebracht – und irgendwann hatte auch Nino diese Spielereien zu wahrer Blüte entwickelt.

Er meinte sich zu erinnern, wie man etwa Halsschmuck entwendete – ohne dass die Bestohlene davon etwas merkte.

Die Halskette, die er jetzt im Visier hatte, würde er allerdings nicht zurückgeben. Sie sollte bei ihm bleiben und ihn für alle Zeiten an die geheimnisvolle Nordschönheit erinnern, die jetzt genussvoll einen Espresso schlürfte. Nino wusste, dass er nicht lange Zeit hatte. Sollte er Pech haben, kreuzte sein Vater auf dem Fischmarkt auf, und die Hölle würde los sein. Die Touristenströme glitten achtlos an ihm vorbei, und Nino schlich sich von hinten an seine Begehrte heran. Er hielt sich in sicherem Abstand und wartete darauf, dass die Frau im mattgrauen Kleid die Rechnung begleichen würde. Kaum griff sie zu ihrer Handtasche, war sie für ein paar Sekundenbruchteile abgelenkt. Das war es gewesen, was seinen Bruder Quirino so erfolgreich gemacht hatte. Die Kunst der Ablenkung! Man musste als Taschendieb einfach schnell genug sein und die Sekundenbruchteile nutzen. So tat es auch Nino. Er hatte scharfe Augen und sich den Ösenverschluss der Schmetterlingshalskette genau eingeprägt. Als die Nordfrau ihr Kleid zurechtrückte, war Ninos Moment gekommen. Er tat, als würde er sich in die Cafeteria begeben, streifte die Schultern der Frau, die dem aber im bestehenden Gedränge nicht sonderlich Beachtung schenkte, und öffnete blitzschnell die Öse. Keine Sekunde später war er im Besitz der sicherlich wertvollen Kette mit der Schmetterlingsbrosche.
Nino würde wohl nie erfahren, wie die Nordschöne auf den Kettenverlust reagierte. Er duckte sich unter einer Umzäunung hindurch und verschwand in der Menschenmenge. Er begab sich in den sicheren Schutz eines nahegelegenen Hinterhofs und beschnupperte die Kette. Ihr Duft! Welch ein Elysium! Ninos Herz schlug bis zum Hals, und alles Blut wich aus seinem Kopf. Am liebsten hätte er an sich gearbeitet, um seiner Erregung freien Lauf zu lassen – aber da erinnerte er sich schon wieder an seinen Bruder, der ihn gewarnt hatte: «Selbstbefriedigung macht blind», hatte er in strengem Unterton zu ihm gesagt, als er sich vor dem Einschlafen einmal berührt und die Matratze zum Quietschen gebracht hatte. Seither hatte Nino nie mehr Hand an sich gelegt – zu schade wäre es um seinen scharfen Blick gewesen, der ihm auch half, Verfärbungen des Meerwassers zu erkennen und so reiche Fischgründe zu orten. Er schloss die Augen, lehnte sich gegen die kühle Hausmauer in seinem Rücken und träumte sich ins Reich der Nordfrau. Wo sie wohl wohnte? Santana war überschaubar, und Nino kannte nahezu alle Schankwirte und Hotelbesitzer. War sie bloss eine Tagesausflüglerin? War sie allein hier? Verheiratet? Lebte sie mit Mann und Kindern zusammen? Oder war sie allein nach Portugal gekommen, um ihren Liebesschmerz zu vergessen?

Ob solchen Gedanken sank Nino der Kopf auf die Brust, und er verfiel in einen traumlosen Dämmerschlaf. Er hatte keine Uhr und wusste nicht, wie lange er so vor sich hin gedöst hatte. Erschreckt sprang er auf, erinnerte sich an die Kette in seiner Hand und beschnupperte nochmals den geheimnisvollen Schmetterling. Der Duft der Nordfrau hatte sich mittlerweile verflüchtigt und einem ganz gewöhnlichen Metallgeruch Platz gemacht.

Doch gerade als Nino sich auf den Weg zurück zum Markt machen wollte, um seinen Platz leer zu räumen, entdeckte er etwas. Ihm gegenüber befand sich ein leicht erhöhtes Fenster. Es hatte keine Vorhänge. Die Einwohner von Santana waren sparsam, und es verstand sich für viele von selbst, dass Innenhöfe vor fremden Blicken schützten. Die Scheiben des Fensters in Ninos Visier schienen vor kurzem gereinigt worden zu sein – was darauf hindeutete, dass es sich wohl um eine Herberge handeln musste, vermutlich eine vergleichsweise kostspielige Unterkunft. Dann erblickte Nino eine schemenhafte Figur, die sich langsam hin und her bewegte, wie eine Weide im Wind. Von seiner Neugier eingenommen, näherte er sich dem Fenster, nicht, ohne zuerst um sich geblickt zu haben. Dann wiegte er sich in Sicherheit und duckte sich vor dem Mäuerchen, das unter dem Fenster wie ein kleiner Sockel wirkte.

Was er sah, verschlug ihm den Atem. Die Nordfrau stand vor einem Ganzkörperspiegel und kämmte sich mit fliessenden Bewegungen. Sie war nackt und an Anmut durch nichts zu überbieten. Ihre hübsch geformten Brüste verschlugen Nino den Atem, und ihr Bauch, ihre Hüften und ihr runder, kräftiger Hintern liessen ihm den Boden unter den Füssen schwinden. Weil sie vor einem Ganzkörperspiegel stand, blieb Nino kein Winkel diese Nordfrauenzauberkörpers verborgen, und er vergass die Welt um sich herum. Mit schweissnasser Hand umklammerte er den Schmetterling.

Dann wartete er, tief atmend, ab. Die Frau beschäftigte sich konzentriert mit ihrem Haar, und Nino verliebte sich in ihre Achselhöhlen. Diese filigranen und doch kräftigen Hände… ihr warmer Blick in den Spiegel, während sie sich Haarspangen zwischen die Lippen schob… es gab im Universum nichts Schöneres und nichts Geheimnisvolleres als sich kämmende, sich unbeobachtet fühlende Frauen. Nino seufzte. Vermutlich hatte sie gerade eben geduscht. Sie schlang ein grosses Frottiertuch um sich und machte zwei Schritte aufs Fenster zu. Nino duckte sich, aber war ein paar Sekundenbruchteile zu spät. Er wurde von nach Nivea duftendem Wasserdampf umhüllt und nutzte die Überraschung der Frau zu einem Hechtsprung zur Seite. «Droga!», schrie sie, «Verdammter!». Egal, wie entspannt eine Frau wirkt: beim heimlich beobachtet werden versteht keine Spass. Dafür hatte Nino volles Verständnis – er schämte sich zu Tode. Mit hängendem Kopf stand er vor dem Fenster und wartete darauf, dass die Nordfrau das Quartier mobilisierte und dieses ihn der Polizei auslieferte. Welch tiefe Schande für seine Familie! Seinen zornroten Vater wagte er sich gar nicht erst auszumalen.

Nino blieb nur eines. Er griff in seine Hosentasche und förderte die Kette mit der Schmetterlingsbrosche zutage. Treuherzig überreichte er sie der in ein weisses Tuch gehüllten Frau, die wirkte, als trüge sie eine Toga.

Dann geschah etwas Unerwartetes. Die Frau atmete tief durch. Schüttelte ihr Haar. Und bog sich in einem Lachkrampf. Nino fühlte sich wie im neunten Kreis der Hölle. Er war der Nordfrau, die vermutlich kaum portugiesisch konnte, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie nahm die Kette an sich und sagte leise «me devolva», «gib sie mir zurück» zu ihm. Tausend Gedanken schossen durch Ninos Kopf. «Me devolva». Sie hatte «me devolva» zu ihm gesagt, mit einem Blick, der alles bedeuten konnte. Hatte er ihr Verlangen geweckt? Er wusste um sein gutes Aussehen, und vermutlich hatte die Abendsonne soeben seine schwarzen Locken zum Leuchten gebracht.

Mit Gesten bedeutete sie ihm, das kleine Mäuerchen zu erklimmen und zu ihr ins Badezimmer zu klettern. Nino war wieselflink. Das war das Elysium, der Moment, für den er 19 Jahre lang gelebt hatte. Als er auf den schwarzweiss geäderten Marmorboden glitt, sah er, wie sie an den Reglerknöpfen der Dusche hantierte. «Banho comigo», «dusch mit mir», forderte sie ihn auf und liess das Badetuch über ihre Schultern gleiten. Nino verschlang die Nordfrau erneut mit den Augen, dieses Mal aber ohne schlechtes Gewissen. Was sich hier abspielte, war derart natürlich, dass ihm das Herz vor sehnendem Verlangen schwer wurde. Sie betrat die Dusche, Nino knöpfte sein Hemd auf und entledigte sich seiner Hose. Nun stand er da, so, wie Gott ihn geschaffen hatte. Die Nordfrau liess sich ihre Erregung nicht anmerken und lächelte ihm einladend zu.

Wenig später wand sie sich in seinen Armen, gab sich seinen Küssen hin, während er versonnen an ihren Brüsten spielte, endlich in sie eindrang und sie mit kräftigen, langsamen Stössen nahm. Dann hob er die Nordfrau hoch, und sie umschlang ihn mit ihren Schenkeln.

Im Rhythmus der ewigen Meereswellen schaukelte das einander verfallene und doch so unterschiedliche Paar dem Regenbogen entgegen – einem Regenbogen, auf dessen oberstem Punkt ein Schmetterling sass, der seine Flügel ausbreitete und die Welt umarmte.

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