Die Königin saß mitten im Winter in ihrem Palast an einem Fenster und beschäftigte sich mit einer Stickerei. Draußen fielen leise die Schneeflocken. Das Fenster hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz. Die Königin schaute – in ihre Gedanken versunken – dem Schneetreiben zu und stach sich aus Unachtsamkeit mit der Nadel in den Finger. Als sie das Blut sah, öffnete sie schnell das Fenster und hielt die Hand hinaus, um nicht ihre Stickarbeit zu beschmutzen. So fielen ein paar Tropfen Blut in den Schnee. Das Rote im weißen Schnee gefiel ihr so gut, dass sie sprach: „Ach, hätte ich nur ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie der Fensterrahmen. Das gäbe ein wunderbares Bild.“
Doch ihrem Wunsch stand der altersschwache König im Weg, der sie schon einige Jahre nicht mehr in ihrer Kemenate aufgesucht hatte. Er ging am liebsten seiner Leidenschaft, dem Käfersammeln nach. Stundenlang war er auf der Käferjagd und diskutierte mit Autoritäten. Frauen waren ihm gleichgültig geworden; nicht zu vergleichen mit einem schönen Käfer. Die Königin überlegte, wie sie es anstellen könnte, ihn zu seinen ehelichen Pflichten zurückzuführen. Sie schickte den ersten Minister vor, um den König an das Problem der Nachfolge zu gemahnen, sollte das Reich nicht in fremde Hände geraten.
Seufzend beriet sich der König mit seinem Medikus und schimpfte über die verlorene Zeit, die er nicht bei seinen Käfern verbringen konnte. Doch auch der Medikus meinte, dass es seine Pflicht sei, sich um einen Nachfolger zu kümmern. Er gab ihm ein Fläschchen mit einem starken Aphrodisiakum mit und als Trost ein dickes Käferbuch.
Die Kammerfrau der Königin hatte sich viel Mühe gegeben, ihre Herrin gefällig herzurichten und deckte ihren nackten Körper nur mit einem dünnen Seidentuch zu, dass schwellenden Form kaum verbarg. Doch die Mühe hätten sich die beiden Frauen sparen können. Kaum hatte der König das Schlafgemach seiner Gemahlin betreten und sich auf die Bettkante gesetzt, begann er ihr von seinen Käfern vorzuschwärmen. Er suchte im Buch, um ihr den schönsten zu zeigen.
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