Die Königin saß mitten im Winter in ihrem Palast an einem Fenster und beschäftigte sich mit einer Stickerei. Draußen fielen leise die Schneeflocken. Das Fenster hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz. Die Königin schaute – in ihre Gedanken versunken – dem Schneetreiben zu und stach sich aus Unachtsamkeit mit der Nadel in den Finger. Als sie das Blut sah, öffnete sie schnell das Fenster und hielt die Hand hinaus, um nicht ihre Stickarbeit zu beschmutzen. So fielen ein paar Tropfen Blut in den Schnee. Das Rote im weißen Schnee gefiel ihr so gut, dass sie sprach: „Ach, hätte ich nur ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie der Fensterrahmen. Das gäbe ein wunderbares Bild.“
Doch ihrem Wunsch stand der altersschwache König im Weg, der sie schon einige Jahre nicht mehr in ihrer Kemenate aufgesucht hatte. Er ging am liebsten seiner Leidenschaft, dem Käfersammeln nach. Stundenlang war er auf der Käferjagd und diskutierte mit Autoritäten. Frauen waren ihm gleichgültig geworden; nicht zu vergleichen mit einem schönen Käfer. Die Königin überlegte, wie sie es anstellen könnte, ihn zu seinen ehelichen Pflichten zurückzuführen. Sie schickte den ersten Minister vor, um den König an das Problem der Nachfolge zu gemahnen, sollte das Reich nicht in fremde Hände geraten.
Seufzend beriet sich der König mit seinem Medikus und schimpfte über die verlorene Zeit, die er nicht bei seinen Käfern verbringen konnte. Doch auch der Medikus meinte, dass es seine Pflicht sei, sich um einen Nachfolger zu kümmern. Er gab ihm ein Fläschchen mit einem starken Aphrodisiakum mit und als Trost ein dickes Käferbuch.
Die Kammerfrau der Königin hatte sich viel Mühe gegeben, ihre Herrin gefällig herzurichten und deckte ihren nackten Körper nur mit einem dünnen Seidentuch zu, dass schwellenden Form kaum verbarg. Doch die Mühe hätten sich die beiden Frauen sparen können. Kaum hatte der König das Schlafgemach seiner Gemahlin betreten und sich auf die Bettkante gesetzt, begann er ihr von seinen Käfern vorzuschwärmen. Er suchte im Buch, um ihr den schönsten zu zeigen.
Da konnte die Königin nicht mehr an sich halten, ergriff das Buch und schleuderte es mit Schwung in die Ecke.
„Mein Käferbuch“, greinte der König und wollte sich dieses wieder holen. Doch die Königin schrie: „Tut endlich Eure Pflicht Ihr Schlappschwanz und lasst mich mit den verdammten Käfern in Ruhe.“ Gleichzeitig warf sie das verhüllende Seidentuch weg und bot sich dem König dar.
Dieser getraute sich nach diesem Ausbruch nicht mehr, sein Buch zu holen und schüttete ergeben die Medizin in sich hinein. Bald schon tat sie ihre Wirkung und seine Natur regte sich. Die Königin bemühte sich nach Kräften, ihm zu helfen, sein Werk zu einem guten Ende zu bringen.
Als sie eingeschlafen war, schlich sich der König von der gemeinsamen Lagerstatt, um sein Käferbuch aus der Ecke zu holen. Leise drückte er sich damit durch die Tür.
Nach der von der Natur vorgegebenen Zeit, gebar die Königin eine Tochter: Deren Haut war so weiß wie Schnee, die Lippen so rot wie Blut und die Haare so schwarz wie Ebenholz. Es wurde Sneewittchen, das ist eine alte Form von Schneeweißchen, genannt. Doch die Königin erholte sich nicht von der Geburt. Unablässig rann ihr Lebenssaft aus ihr heraus und auch die herbeigerufenen Ärzte konnten den Strom nicht stillen. Sie bat noch einmal um ihr Kind, man legte ihr Sneewittchen in den Arm und sie tat ihren letzten Atemzug. Der König kümmerte sich nicht einmal um die Beerdigung und war nur noch mit seinen Käfern beschäftigt. Sneewittchen wurde einer tüchtigen Amme übergeben.
Die Ratgeber drängten den König, dass das Land wieder eine Königin bräuchte. So nahm er sich über ein Jahr wieder eine Gemahlin. Sie war eine große und schöne Frau und wollte herrschen. Neben ihr wirkte der alte König noch verhutzelter und hinfälliger. Am meisten war sie auf ihre Schönheit stolz. Die sollte von niemandem übertroffen werden. Gleichzeitig quälte sie die Angst, dass es doch einmal eine Schönere geben könnte.
Deshalb hatte sie einen Zauberspiegel. Vor dem stellte sie sich jeden Morgen nackt, so wie sie aus dem Bett gestiegen war. Wohlgefällig ließ sie die Hände über ihren Körper wandern: die großen, festen Brüste; die schmale Taille, die breiten Hüften, die glatte Haut zwischen den Beinen (Die Königin rasierte sich dort, um dem Spiegel alle Geheimnisse ihres Körpers deutlich zu zeigen), die langen, straffen Schenkel. Als sie sich genugsam beschaut hatte, sprach sie:“Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?“Und der Spiegel antwortete:„Als Allerschönste im ganzen Land
wird unsere Königin genannt.“Dann gab sie sich befriedigt selbst einen Klaps auf das umfangreiche Hinterteil und rief ihre Kammerjungfer, um die Ankleidezeremonie zu beginnen.
Inzwischen wuchs Sneewittchen unbemerkt bei ihrer Amme heran. Die Königin kümmerte sich nicht um die Stieftochter, war nur mit sich selbst beschäftigt. Ständig trieb sie sie Angst um, ob sie wirklich die Schönste, die Allerschönste sei; ob der Spiegel die Wahrheit sagte. Sie musste es überprüfen. So befahl sie eines Morgens ihrer Kammerjungfer, die Kleider abzulegen und sich nackt vor den Spiegel zu stellen. In ihrer Dienerinnenkleidung war sie eine propere Person, aber ohne die stützende Schnürbrust traten doch die Mängel ihrer Gestalt zutage. Was würde der Spiegel sagen? Auf die übliche Frage antwortete er:„Die Jungfer sieht gut aus im Kleide,
doch nackt ist sie keine Augenweide.“Da die Königin auf ihrer Dienerin angewiesen war, unterdrückte sie ein befriedigtes Lächeln, aber trotzdem raffte diese ihre Kleider an sich und verließ wütend das Zimmer. An diesem Morgen musste sich die Königin bei ihrer Toilette selbst behelfen.
Die Jahre vergingen und Sneewittchen wurde eine schöne Jungfrau. Ihr zuerst jungenhafter Körper versah sich mit den weiblichen Attributen: nicht zu viel, nicht zu wenig; in vollendeter Harmonie. Die Wünsche ihrer Mutter erfüllten sich: Ihre Haut war weiß wie Schnee, ihre Lippen so rot wie Blut und ihre Haare so schwarz wie Ebenholz. Und als die Königin wieder einmal ihren Spiegel fragte, antwortete der:„Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
aber Sneewittchen ist tausendmal schöner als ihr.“Die Königin erschrak und wusste vor Ärger nicht aus noch ein. Der Neid wuchs in Herzen wie Unkraut, so dass sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte. Sie erforschte, wo sich Sneewittchen aufhielt und befahl sie an den Hof, unter dem Vorwand, dass die Königstochter in die Nähe ihrer Vaters gehöre.
Dann rief sie einen Jäger und sprach: „Bring Sneewittchen hinaus in der Wald, ich will sie nicht mehr vor meinen Augen sehen. Du sollst sie töten und mir Lunge und Leber zum Wahrzeichen mitbringen“. Der Jäger gehorchte und führte Sneewittchen in den Wald. Diese wunderte sich über den Ausflug, hatte aber kein Arg. Als nun der Jäger neben der schönen Jungfrau einherging, zwickte ihn die Geilheit und er sprach: „ Ich habe den Auftrag euch zu töten.“ Und zog zur Verdeutlichung seinen Hirschfänger. „Wollt ihr Euch aber bereitfinden, meine Gelüste zu befriedigen, so will ich Euch ziehen lassen.“ Sneewittchen wusste erst nicht, was der Jäger von ihr wollte, doch er machte es ihr handgreiflich klar. Sneewittchen hörte die Bäume rauschen, die Vögel zwitschern und wollte ihr junges Leben nicht verlieren. So willigte sie ein und brachte ihm das Opfer ihrer Mädchenschaft - - - Als gerade ein Frischling daher gesprungen kam, stach ihn der Jäger ab, nahm Lunge und Leber heraus und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit. Der Koch musste sie in Salz kochen und das boshafte Weib aß sie auf und meinte, sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.
Nun war Sneewittchen in dem großen, dunklen Wald mutterseelenallein, doch sie ging tapfer vorwärts. Sie lief über die spitzen Steine und durch die Dornen, und die wilden Tiere sprangen an ihr vorbei, doch sie taten ihr nichts. Solange nur die Füße noch fort konnten, lief sie weiter, bis es bald Abend wurde. Da sah sie ein kleines Häuschen und ging hinein, um sich auszuruhen. Sneewittchen war nicht übermäßig groß und doch musste sie sich bücken, um nicht mit dem Kopf an die Decke zu stoßen. Auch die Inneneinrichtung war der Größe des Häuschens angemessen: alles klein und zierlich, aber ordentlich und reinlich. Da stand ein weiß gedecktes Tischlein mit sieben kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit seinem Löffelein; ferner sieben Messerlein und Gäblein und auch sieben Becherlein. An der Wand waren sieben Bettlein nebeneinander aufgestellt und mit reinlichem Laken überzogen.
Sneewittchen, weil es so hungrig und durstig war, aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüse und Brot, und trank aus jedem Becherlein einen Tropfen Wein, denn es wollte nicht einem allein alles wegnehmen. Hernach forderte nach dem langen Weg die Müdigkeit ihr Recht. Doch die Betten waren ihr viel zu klein. So stellte sie alle sieben hintereinander auf, warf die Kleider ab, (Denn damals schlief man nackt.) verteilte die sieben Zudecken auf ihren Körper und war bald eingeschlafen.
Als es ganz dunkel geworden war, kamen die Herren von dem Häuslein, das waren die sieben Zwerge. Sie hackten und gruben in den Bergen nach Erz. Nun zündeten sie ihre sieben Lichtlein an und wie es im Häuslein hell wurde, sahen sie, dass jemand dagewesen war, denn es stand nicht alles in der Ordnung, wie sie es verlassen hatten. Als sie sich umsahen, erblickten sie ihre verrückten Bettlein und sahen Sneewittchen quer darüber liegen und schlafen. Sie holten ihre sieben Lichtlein und beleuchteten die Szene. Der Anblick war die Beleuchtung wert, denn Sneewittchen hatte die Decken von sich geworfen und lag da, so wie sie Gott geschaffen hatte. Und dieser hatte sein Meisterstück gemacht. Sneewittchen war kein Kind mehr und die Zwerge waren zwar klein, aber trotzdem Männer, die den Anblick zu würdigen wussten. Nun waren sie aber keine Grobiane. Nachdem sie sich sattgesehen hatten, deckten sie Sneewittchen vorsichtig zu und machten sich nachdenklich an ihre Abendmahlzeit.
Als es Morgen ward, erwachte Sneewittchen und als es die sieben Zwerge sah, erschrak sie und griff nach ihren Kleidern. Nachdem sie angezogen war, frühstückten die Zwerge mit ihr, die die Nacht auf dem Fußboden verbracht hatten. Sie fragten freundlich und ihrem Schicksal und Sneewittchen erzählte von der bösen Stiefmutter und dass der Jäger sie töten sollte. Nur ihren Handel mit dem Jäger verschwieg sie. Die Zwerge sprachen, dass sie, wenn sie ihren Haushalt versehen wolle, gern bei Ihnen bleiben könne und es solle ihr an nichts fehlen. Sneewittchen sagte zu und blieb bei ihnen. Sie hielt das Haus in Ordnung und abends, wenn die Zwerge von ihrer Arbeit im Berg zurückkamen, musste das Essen bereitet sein. Den Tag über war das Mädchen allein, da warnten sie die Zwerge und sprachen: Hüte dich vor deiner Stiefmutter, die wird bald wissen, dass du hier bist, lass nur niemanden herein.“
Die Königin, die meinte, Sneewittchens Lunge und Leber gegessen zu haben, glaubt nun, sie wäre wieder die Allerschönste im ganzen Land. Sie trat vor ihren Spiegel und sagte ihren Spruch. Doch zu ihrem Entsetzen antwortete der Spiegel:„Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als Ihr.“Sie wusste, dass der Spiegel keine Unwahrheit sagte und merkte, dass der Jäger sie betrogen hatte und Sneewittchen noch lebte. Sie befahl, den Jäger zu suchen und zu bestrafen, aber niemand wusste, wo er geblieben war.
Bei den Zwergen hatte sich Sneewittchen in den Tagesablauf hineingefunden. Diese schliefen inzwischen wieder in ihren eigenen Betten. Für Sneewittchen hatten sie einen Anbau an‘s Häuslein und ein Bett gezimmert, die ihrer Größe angemessen waren. Nachdem die Hausherren zur ihrer Arbeit aufgebrochen waren, stand auch Sneewittchen auf und lockerte ihren schläfrigen Körper; nackt, so wie sie geschlafen hatte. Der älteste Zwerg hatte einmal ein Handwerkszeug vergessen und kehrte zurück als Sneewittchen sich allein glaubte. Da sah er sie, so wie sie Gott geschaffen hatte, in all ihrer Pracht. Er konnte sich nicht satt sehen an der schönen Gestalt und verhielt sich ganz still, damit Sneewittchen ihn nicht bemerkte. Sonst gab es nämlich keine Gelegenheit sie so zu betrachten, denn das Mädchen war sehr sittsam und verließ nur ordentlich angezogen ihre Kammer. Sie gab den Zwergen keine Gelegenheit für einen erneuten Augenschmaus, wie am Tag ihrer Ankunft. Wenn sie daran dachte, wurde sie immer noch rot. Und sie wäre es auch jetzt geworden, hätte sie geahnt, dass ihr Recken, Strecken, Dehnen, Bücken einen heimlichen Beobachter hatte. Mittlerweile hatte der Zwerg genug gesehen und entfernte sich leise, um laut polternd zurückzukehren und das vergessene Handwerkszeug zu holen. Da hatte sich Sneewittchen schon in ihrer Kammer versteckt.
Die Königin indess sann und sann aufs Neue, wie sie Sneewittchen umbringen könnte, denn solange sie nicht die Allerschönste war, ließ ihr der Neid keine Ruhe. Endlich hatte sie sich etwas ausgedacht. Sie machte sich ganz unkenntlich, färbte sich das Gesicht und kleidete sich wie eine alte Krämerin. In dieser Gestalt ging sie über die sieben Berge, zu den sieben Zwergen und klopfte an die Tür. „Schöne Ware feil!“ Sneewittchen guckte zum Fenster heraus und sprach: „Guten Tag, liebe Frau! Was habt ihr zu verkaufen?“ „Gute Ware, schöne Ware“, antwortete die Krämerin, „Halstücher in allen Farben.“ Die ehrliche Frau kann ich hereinlassen, dachte Sneewittchen, riegelte die Tür auf und kaufte ein hübsches Halstuch. „Kind“, sprach die Frau, „ich werde Euch das Halstuch gleich umbinden, damit ihr sehr, wie gut es Euch kleidet. Flugs band sie dem Mädchen das Halstuch um und zog es so fest zu, dass ihr der Atem verging und sie für tot hinfiel. „Nun bist du die Schönste gewesen“, sprach die böse Königin und machte, dass sie davon kam.
Nicht lange darauf, kamen die sieben Zwerge nach Haus, Aber wie erschraken sie, als sie die Tür offen fanden und ihr liebes Sneewittchen am Boden liegen sahen. Sie regte und bewegte sich nicht, als wäre sie tot. Sie hoben das Mädchen in die Höhe, um sie auf ihr Bett zu tragen, da entdeckten sie das zugezogene Halstuch und lösten es. Nun fing Sneewittchen langsam wieder an zu atmen und ward nach und nach lebendig. Als sie hörten, was geschehen war, sprach der Älteste: „Die alte Krämersfrau war niemand anders als die böse Königin, deine Stiefmutter. Hüte dich und lass keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.“ Er musste daran denken, wie schlimm es gewesen wäre, wenn Sneewittchen wirklich gestorben wäre und er nie wieder die Hoffnung gehabt hätte, noch einmal ihren herrlichen Körper in all seiner Pracht zu erblicken.
Zu Hause angelangt, hatte die böse Königin nichts Eiligeres zu tun, als sich zu entkleiden und sich dem Spiegel zu präsentieren. Nachdem sie ihren Spruch gesagt hatte, wartete sie und wartete. Der Spiegel ließ sich Zeit und sie wurde schon ungeduldig. Doch endlich sprach er:„Frau Königin, ihr seid die Schönste hier“,hier machte der Spiegel eine Pause und schien sich unschlüssig zu sein,„aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als Ihr.“Da packte die Königin eine solche Wut, dass sie sich nicht zu lassen wusste, nackt, wie sie war, aus dem Zimmer rannte und durch das Schloss tobte, dass die Dienerschaft glaubte, sie sei vom bösen Geist befallen. Endlich brach sie zusammen. Einige Diener wickelten sie in eine Decke und trugen sie in ihre Kemenate zurück. Als sie wieder zu sich kam, sprach sie: „Nun aber will ich etwas aussinnen, dass dich zugrunde richten soll, du elendes Geschöpf.“ Sie bestellte ihren Alchemisten zu sich und ließ sich einen giftigen Kamm anfertigen. Dann verkleidete sich als eine junge Bauersfrau, die ihre Heimarbeit feil bot.
So ging sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an und rief“: „Schöne Kämme feil, echte Handarbeit!“ Sneewittchen schaute heraus und sprach: „Geht nur weiter, ich darf niemand hereinlassen.“ „Ist doch auch nicht nötig“, sprach die böse Königin. „Ich will dir einen Kamm durchs Fenster reichen.“ Der Kamm gefiel dem Mädchen und sie wurden handelseinig. Die falsche Bauersfrau machte, dass sie davon kam und Sneewittchen begann sich zu kämmen. Doch sobald sie einige Striche getan hatte, begann das Gift zu wirken, so dass Sie besinnungslos niederfiel.
Doch er Älteste der Zwerge wollte sich wieder einmal das Vergnügen verschaffen, dem nackten Sneewittchen bei ihrem morgendlichen Turnübungen zuzusehen und war unter einem Vorwand zum Häuslein zurückgekehrt. Wie erschrak er, als er das Mädchen wieder besinnungslos am Boden fand. Schnell rief er seine Gefährten herbei. Sie vermuteten wieder einen Anschlag der Stiefmutter, untersuchten Sneewittchen, fanden den Kamm und zogen ihn heraus. Da hörte das Gift auf zu wirken. Sneewittchen kam langsam wieder zu sich und schlug die Augen auf. Sie erzählte, was vorgefallen war, da warnten sie sie erneut, auf der Hut zu sein und sich mit niemand, wer es auch sei, abzugeben. Trotz aller Freude musste der älteste Zwerg einige peinliche Fragen seiner Genossen über sich ergehen lassen. Doch da er durch seine Lust Sneewittchen das Leben gerettet hatte, wurde ihm verziehen.
Als die Königin ins Schloss zurückkehrte, spielte sich vor dem Spiegel die bekannte Szene ab. Wieder hatte sie ihr Ziel nicht erreicht. „Sneewittchen soll sterben“, rief sie und wenn es mein eigenes Leben kostet.“ Sie beriet sich mit ihrem Alchemisten und machte einen ungeheuer giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit roten Backen, so dass jeder der ihn sah, Lust danach bekam. Aber wer nur ein Stück davon aß, fiel tot um. Als besonderen Trick hatte die Königin nur den roten Teil vergiftet.
Als alle Vorbereitungen beendet waren, verkleidete sie sich als Obsthändlerin und ging zu dem Zwergenhaus. „Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: „Ich darf niemanden herein lassen, die sieben Zwerge haben mir’s verboten.“
„Mir auch recht“, antwortete die Obsthändlerin, „meine Äpfel will ich schon loswerden. Da! Den einen schenke ich dir.“
„Nein“, sprach Sneewittchen, „ich darf nichts annehmen.“
„Fürchtest du dich vor Gift“, sprach die Obsthändlerin, „schau ich schneide den Apfel in zwei Teile. Den einen Teil esse ich und den anderen du“, und sie reichte Sneewittchen den roten, vergifteten Teil. Als Sneewittchen sah, dass auch die Bäuerin davon aß, verlor sie ihre Angst und nahm die rote Hälfte. Kaum aber hatte sie einen Bissen davon gegessen, fiel sie tot zur Erde nieder. Da lachte die Königin, dass es einem grauste, und sprach: „Tot ist tot, diesmal können dich die Zwerge nicht wieder erwecken“, und sie ging ihres Weges. Als sie daheim den Spiegel befragte, bekam sie die gewünschte Antwort, dass sie sie Allerschönste im ganzen Land sei. Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe haben kann.
Als die Zwerge abends nach Hause kamen, wunderten sie sich, dass kein Rauch aus dem Schornstein stieg und als sie ins Haus traten fanden sie Sneewittchen tot auf der Erde liegen. Sie hoben sie auf, suchten, ob die etwas Giftiges fänden, kämmten ihr die Haare. Sie entkleideten sie sogar und suchten überall am Körper nach Spuren von Gift. Besonders der älteste Zwerge wusste sich vor Kummer kaum zu fassen, als er den engelgleichen Körper bewegungslos vor sich sah, den er so oft bewundert hatte. Aber es half alles nichts: Sneewittchen blieb tot
Sie legten sie auf eine Bahre, setzten sich dazu und beweinten sie drei Tage lang. Dann wollten sie Sneewittchen begraben. Aber es so sah noch so frisch aus, wie ein lebendiger Mensch. Da sprachen sie: „Das können wir nicht in die schwarze, dunkle Erde tun!“ Es widerstrebte ihnen auch den engelgleichen Körper unter Kleidung zu verstecken. Sie machten einen Sarg von Glas, so dass man Sneewittchen von allen Seiten sehen konnte, legten sie nackt hinein und schrieben mit goldenen Buchstaben ihren Namen darauf und dass sie eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg auf einen Hügel neben ihrem Haus und einer von ihnen saß immer dabei und bewachte ihn. Für den ältesten der Zwerge, war es immer ein Fest, wenn er mit der Wache an der Reihe war und einen Tag neben dem geliebten Körper verbringen durfte.
Lange, lange Zeit lag Sneewittchen in dem Sarg, verweste nicht, sondern sah aus, als ob sie schliefe, denn sie war noch so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz.
Es geschah aber, dass ein Königssohn sich im Wald verirrte, zum Zwergenhaus geriet und dort um Nachquartier bat. Als er nach dem Abendmahl noch einen Spaziergang unternahm, sah er auf dem Berg den Sarg mit dem schönen, nackten Sneewittchen darin. Er verliebte sich sofort in sie und wollte den Zwergen den Sarg abkaufen. Aber die Zwerge sprachen: „Wir geben ihn nicht her, um alles Gold der Welt nicht.“
Da bat der Königssohn die Zwerge, ihm den Sarg zu schenken, denn er könne nicht mehr leben, ohne Sneewittchen immer zu sehen. Die Zwerge empfanden Mitleid mit seiner großen Liebe und gaben ihm den Sarg. Besonders dem Ältesten fiel die Zustimmung schwer, dass er Sneewittchen nun nicht mehr täglich sehen könne. Der Königssohn bot ihm aber an, ihn in seinem Schloss zu besuchen und so war er’s zufrieden und bereitete den Abtransport vor.
Der Königssohn hieß seine Diener, den Sarg aufzunehmen und sie zogen von dannen. Doch da stolperte einer über eine Wurzel und von der Erschütterung fuhr das Stück giftiger Apfel. dass Sneewittchen abgebissen hatte, ihr aus dem Hals. Nach einer Weile öffnete sie die Augen, hob den Deckel vom Sarg und richtete sich auf. „Ach Gott, wo bin ich“, rief sie. „Bei mir“, antwortete der Königssohn, „ich liebe dich und du wirst meine Königin sein.“ Sneewittchen wollte schon zustimmen, denn der Königssohn war jung und schön und sprach mit schmeichelnder Stimme, da wurde sie sich ihrer Blöße bewusst und suchte verzweifelt etwas, um sich zu bedecken. Der Königssohn erkannte ihre Not und reichte ihr seinen Mantel. Zum nächsten Rastplatz ließ er schöne Kleider kommen und Sneewittchen zog wie eine Prinzessin auf das Schloss ein. Bald wurde die Hochzeit mit großer Pracht und Herrlichkeit gefeiert.
Die böse Königin schaute jeden Tag in ihren Spiegel und fragte ihn:“Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?“Und der Spiegel antwortete:„Als Allerschönste im ganzen Land
wird unsere Königin genannt.“Doch eines Tages antwortete der Spiegel:„Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
aber die neue Königin im Nachbarland
ist noch tausendmal schöner als ihr.Da wusste die Königin, dass Sneewittchen durch irgendeinen dummen Zufall am Leben geblieben war. Und sie traf ihre Vorbereitungen ihr endgültig den Garaus zu machen.
Das junge Königspaar hatte die Hochzeitsnacht und die folgenden Nächte gut genutzt, so dass sich Sneewittchens Bauch bereits sichtbar rundete. Es war zur Tradition geworden, dass die junge Königin vor der Vereinigung ein aphrodisierendes Bad nahm. Wenn ihn nicht dringende Regierungsgeschäfte abhielten, nahm auch ihr Gemahl daran teil. Die böse Königin verkleidete sich als Bademeisterin und leerte eine Phiole in die Wanne. Ihr Alchemist hatte das Gift als außerordentlich wirksam bezeichnet.
Als Sneewittchen ins Bad trat, tat die böse Königin ganz unterwürfig und half ihr beim Ablegen der Kleider. Geschäftig eilte sie hin und her. Dabei bemerkte sie nicht, dass ein Stückchen Seife neben die Badewanne gefallen war. Plötzlich trat sie darauf, rutschte aus und fiel mit einem Aufschrei in das giftige Badewasser. Das wallte auf und war bald nur noch eine schmutzige Brühe. Mit der bösen Königin war es aus.
Sneewittchen saß wie erstarrt auf ihrer Bank und konnte erst gar nicht begreifen, was geschehen war. Da trat ihr Gemahl ein und sie berichtete das Vorgefallene. „Sie hat ihre gerechte Strafe bekommen“, tröstete der junge König seine Gemahlin. „Nun kann sie uns nicht mehr schaden.“
Er zog sie an sich und glitt mit ihr auf die Badematte. Dabei drang er ganz, ganz langsam immer tiefer in sie ein; bis zum Zentrum ihres Körpers. „Das könnte immer so bleiben“, murmelte Sneewittchen mit entrücktem Gesichtsausdruck. Und wenn sie nicht gestorben sind, so liegen sie noch heute da.
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