Ich liebe es alleine zu sein, bin ein Einzelgänger. Größer Ansammlungen von Menschen sind für mich etwas, dem ich aus dem Weg gehe. Kein Stadion, kein Konzert wird mich jemals sehen und nur selten mache ich eine Ausnahme. Wer schon einmal zur Hauptbesuchszeit im Vatikan war, eine Führung durch die Museen gemacht hat, wird mich verstehen. Umfallen nicht möglich. Daher zieht es mich an Orte, die von den meisten Menschen nicht angesteuert werden, abgelegen. Genau dort fühle ich mich wohl, und wenn ich über Robinson Crusoe nachdenke, hätte ich gerne mit ihm getauscht. Genauso einen Platz wie seine Insel, die mir gefiel, hatte ich lange gesucht, irgendwann gefunden. Hier fühlte ich mich geborgen, niemand störte mich. Dass Beste daran war, dass es keine halbe Autostunde von meiner Heimat entfernt lag, abseits aller Wege. Ein Moor, wie aus dem Bilderbuch, mit abgestorbenen Bäumen die ihre kahlen Äste wie Finger gen Himmel streckten, sich darüber beklagen wollten, nasse Füße bekommen zu haben. Hierher war ich gefahren, hatte einen Weg tief in die unwirkliche Umgebung gesucht und gefunden. Ein kleiner Damm, natürlich oder von Menschenhand gemacht, konnte ich nicht sagen, führte hinein, endete an einem kleinen trockenen Platz, der wie eine Insel im Morast der Umgebung schwamm. Hier konnte man es aushalten, niemand kam vorbei. Meistens verbrachte ich hier bei schönem Wetter meine Nachmittage, brachte dafür etwas zu Essen und Trinken mit und machte es mir gemütlich. Dazu nahm ich eine Decke mit und legte mich darauf, steckte mir einen Grashalm in den Mund, kaute darauf herum und beobachtete die Wolken, sofern welche am Himmel standen.
Nichts war dabei zu hören, lediglich der Wind raschelte gelegentlich im hohen Gras oder das Moor gab blubbernde Geräusche von sich, wenn Faulgase an die Oberfläche kamen und dort als Blasen zerplatzten.
Leider hatte ich selten länger Zeit dafür, und ich sehnte mich danach, es voll auskosten zu können. Zum Glück bekam ich meine Chance dafür. Als alleinstehender Mann war es schwierig, in den freundlichen, warmen Tagen des Jahres freizubekommen. Während des Sommers, besonders während der Ferienzeit, wurden natürlich alle bevorzugt, die Kinder hatten oder Partner, die ihr Urlaub nicht anders legen konnten. Für Einzelgänger wie mich blieb der Rest. Mit Glück nach den Osterferien oder irgendwann Ende August. Sonst eher in der Winterzeit bevorzugt im Januar und Februar. Keine gute Zeit, um sich im Moor aufzuhalten. Allerdings machte der Klimawandel dem ganzen einen Strich durch die Rechnung. Besonders im Frühjahr konnte es warm, fast heiß werden, während der Sommer im Regen versank. In diesem Jahr hatte ich im Mai eine Woche Urlaub bekommen, entsprechend überrascht war ich, als ich feststellte, dass die Wetterfrösche von einer Hitze über mehrere Tage sprachen. Darauf hatte ich gewartet, im Prinzip alles vorbereitet. Daher brauchte ich nicht lange, um alles einzupacken und meinem Ziel entgegen zu fahren.
Natürlich war es nicht erlaubt, das war mir klar. Wildes Campen oder Zelten war verboten. Aber wo kein Kläger, kein Beklagter. Warum sollte ausgerechnet in den nächsten zwei Tagen jemand vorbei kommen. Noch nie war mir dort jemand begegnet oder hatte ich gehört. Von daher ging ich davon aus, dass es blieb, wie es war. Also machte ich mir wenige Gedanken darüber und war innerlich froh darüber, als ich endlich ankam. Einmal sah ich mich um, ob doch jemand in der Nähe war, konnte niemanden entdecken, schnappte mir meinen prall gefüllten Rucksack und ein kleines, gut verpacktes Zelt und lief meinem Ziel entgegen.
Tief sog ich die Luft ein, genoss den Geruch von Kräutern, wilden Blumen und dem unverkennbaren Modergeruch des Moores, der dem ganzen einen besonderen Ton gab. Mich störte es nicht, im Gegenteil, für mich war es das Aroma der Freiheit und selbst gewählten Einsamkeit.
Eine dreiviertel Stunde später kam ich an, warf meine Sachen auf den Boden und begann das kleine Zelt aufzubauen, dass ich nur sicherheitshalber mitgenommen hatte. Eigentlich wollte ich unter freiem Himmel campieren, doch sollte es zu viel Ungeziefer geben, besonders Mücken und Bremsen, hatte ich einen Rückzugsort, an dem ich vor ihnen sicher war.
Alles lief wie geschmiert und schon eine halbe Stunde später war ich häuslich eingerichtet, holte mir eine Flasche Bier, die ich zuvor zur Kühlung in das Moorwasser gelegt hatte. Sofort öffnete ich die Flasche und ließ mir die kühle Flüssigkeit durch die Kehle fließen.
Besser konnte es mir nicht gehen. Kein Handy, kein Radio, kein Fernsehen, keine anderen Menschen. Ich war wie Robinson auf meiner kleinen Insel, jedoch nicht gegen meinen Willen, im Gegenteil. Ein großer Vorteil, besonders wenn die Vorräte ausgingen.
Danach setzte ich mich auf meine mitgebrachte Decke, legte mich hin und tat, was ich bereits oft getan hatte. Nichts. Einfach in den Himmel starren und an nichts denken, Arbeit war Arbeit, Sorgen konnten mir gestohlen bleiben. Ich wollte entspannen, nicht nachdenken, schon gar nicht über Probleme. Die waren Zuhause geblieben und konnten dort sicher auch ohne mich auskommen.
Entsprechend gut erholte ich mich, der Stress der letzten Tage fiel von mir ab und ich war mir sicher, dass es keinen besseren Ort gab, an dem ich sein konnte.
Darüber wurde ich mir besonders klar, als es normalerweise Zeit gewesen wäre, nach Hause zu fahren. Die Sonne ging langsam unter und bald würde es dämmrig werden. Aufgrund der Jahreszeit und dem aufgehenden Vollmond, nicht richtig dunkel. Eigentlich schade, denn lange hatte ich keine schwarze Nacht mehr erlebt. In der Stadt gab es immer und überall Licht, nur Zuhause konnte man dieser Verschmutzung entgegen. Jedoch nicht wie in der Natur. Hier war es anders, besonders wenn man die Sterne sehen konnte, das Band der Milchstraße. Genau darauf freute ich mich, war darauf gespannt, wie gut ich es sehen könnte. Gut, dass sich die wenigen Wolken vom Nachmittag verzogen hatten und der Wind eingeschlafen war. Daher war jedes Geräusch umso lauter, wenn es an meine Ohren drang. Hier und da das bekannte Blubbern, manchmal ein leises Rascheln, vielleicht von Mäusen oder Eidechsen, vielleicht eine Schlange im hohen Gras. Es störte mich nicht, im Gegenteil, es gehörte dazu. Auch gut war, dass sich keine geflügelten Plagegeister einstellten. Nicht schwirrte mir um den Kopf, kein Summen in den Ohren. Besser konnte es nicht gehen. Daher schnappte ich mir eine Luftmatratze, pumpte sie auf, solange es hell genug war, und machte es mir darauf gemütlich.
So konnte man es aushalten, besonders mit einem kühlen Blonden in der Hand, dass nicht das Letzte sein würde. Davon war ich überzeugt.
Endlich wurde es dunkel, und die Sterne erscheinen genauso, wie ich es mir gewünscht hatte. Klar waren sie zu erkennen, zogen langsam über das Himmelzelt. Währe ich dafür empfänglich gewesen, wäre mir Poesie dazu eingefallen.
Die Eintönigkeit der Geräusche, die Umgebung ließ mich irgendwann in einen schläfrigen Zustand fallen. Dabei schlief ich nicht wirklich, war auch nicht wach. Es war ein Zustand irgendwo dazwischen. Daher bekam ich nicht gleich mit, dass sich etwas veränderte. Zuerst war es das Blubbern, das sich verstärkte, lauter wurde, dabei ein schmatzendes Geräusch abgab, gleichzeitig tauchte ein grünliches Licht auf, dass langsam heller wurde. Ich öffnete meine Augen und konnte es wie einen Nebel über dem Wasser erkennen, wobei mir nicht klar wurde, woher es kam. Vielleicht waren es die Faulgase, die sich an der Oberfläche entzündeten, nicht mit Feuer, sondern ähnlich Fluoriszenz. Auch wenn das nicht wirklich stimmen konnte. Es konnten auch die viel beschriebenen Irrlichter sein, jedoch nicht punktuell, sondern ausgebreitet. Ich musste grinsen, als ich an den Film Nebel des Grauens dachte, dessen Licht ähnlich ausgesehen hatten, wenn auch nicht grün.
Zu meiner großen Überraschung regte es mich nicht auf, im Gegenteil, ich fand es faszinierend, aufregend im positiven Sinne. Niemals zuvor hatte ich ein solches Naturschauspiel gesehen, daher dankte ich meinem Einfall, hier zu übernachten.
Ich setzte mich auf und sah um mich herum, entdeckte, dass der seltsame Nebel wie ein Meer um meinen Standort lag, ich auf einer Insel inmitten dieser Erscheinung. Daher wollte ich aufstehen, es mir genauer ansehen. Zu meiner Überraschung gelang es mir nicht. Ein Gefühl wie bei eingeschlafen Gliedern, durchzog meine Beine und Arme, ließ es nicht zu, dass meine Muskulatur sie bewegte. Lediglich mein Rumpf und Hals waren davon ausgenommen.
Die änderte sich auch nicht, als ich neben mir eine Bewegung in dem flachen Nebel sah, wie er an einem bestimmten Punkt über dem Wasser auseinandergetrieben wurde, eine Art Loch entstand. Sekunden später wurde mir klar, dass es kein Loch war, sondern etwas Rundes, Schwarzes, das sich aus dem Moor erhob und langsam auf mich zukam. Dabei kam es langsam höher aus dem Wasser und ich unterdrückte einen Schrei, als mir klar wurde, dass darunter ein Hals, eine Schulter erschien.
Irgendwas erhob sich aus dem Sumpf, von menschlicher Gestalt, schwarz wie die Nacht schien die Oberfläche, die Haut jedes Licht zu absorbieren, die Konturen waren gegen den nächtlichen Hintergrund kaum zu erkennen. Trotzdem wurde mir schnell klar, dass es sich nicht sein konnte. Es musste ein Traum sein, nichts anderes. Wer oder was konnte schon dem Moor entsteigen, sich die ganze Zeit Unterwasser aufgehalten haben, ohne Atmen zu müssen. Menschen waren dafür nicht geeignet und wer sollte sich hier draußen einen derartigen Scherz erlauben. Viel zu aufwendig für den Effekt mich vielleicht zu erschrecken.
Sicher war ich mir jedoch nicht, ob es ein Traum war. Es kam mir trotz allem realistisch vor. Trotzdem empfand ich keine Angst. Auch nicht, als die Gestalt sich höher aus dem Moor erhob, ich Arme und Beine erkennen konnte, sie näher auf mich zukam, vielleicht noch drei Meter von mir entfernt war. Hier angekommen, hob die Figur ein Bein, setzte einen Fuß auf das trockene Land und zog das andere nach. Ein schmatzendes Geräusch entstand, als das Wasser zurück in die Fußstapfen lief, die in dem Matsch hinterlassen worden waren.
Jetzt konnte ich sie genauer erkennen, deutlich traten Konturen hervor, die ich zuvor nicht gesehen hatte.
Neben mir stand eine hoch aufgeschossene, schlanke Gestalt, augenscheinlich weiblich, mit kohlrabenschwarzer Haut, ohne jegliche Kleidung. Das Licht des Mondes ließ mich erkennen, dass die Haut vor Feuchtigkeit glänzte, Wasser an ihr abperlte und auf den Boden fiel.
„Fremder, du bist in mein Reich eingedrungen!“, hörte ich auf einmal, wobei ich nicht sagen konnte, ob es über meine Ohren kam oder in meinem Gehirn gebildet wurde. Dazu hob die Person einen Arm, deutete mit ausgestrecktem Finger auf mich, obwohl es nicht zu übersehen war, dass ich alleine war.
„Ich wusste nichts davon!“, entglitt meine Lippe wie von selbst, ohne lange darüber nachzudenken.
„Spielt Unwissenheit eine Rolle?“, fragte mich die Stimme, die jetzt härter und lauter erklang, vielleicht herrisch, anklagend. Daher zuckte ich zusammen, als ich es hörte, zugleich sah, wie sich zwei weiße, hell leuchtende Augen öffneten, die anscheinend zuvor geschlossen gehalten worden waren. Nur in ihrem Zentrum waren schwarze Pupillen zu erkennen, die mich gnadenlos fixierten.
„Nein!“, bestätigte ich kleinlaut, schüttelte dabei meinen Kopf, „Ich kann aber sofort wieder gehen, wenn es gewünscht wird!“
Ein leises Lachen traf meine Ohren, danach beugte sich die Gestalt leicht vor, sah mich aus der Nähe an.
„Und du glaubst, dass ich dich einfach so gehen lassen würde? Du würdest keine zwanzig Schritte weit kommen und im Moor stecken bleiben. Niemand würde dich hören, keiner würde dir helfen kommen, bis du vor Erschöpfung stirbst. Ich weiß, wie das ist, qualvoll und grausam!“, zischte sie mir mit ihrer Stimme zu, lachte erneut, als ich zusammenzuckte. Die Gestalt hatte recht. Jetzt und in der Nacht würde ich nicht weit kommen, es gab in der Dunkelheit keine Marken, an denen ich mich orientieren konnte. Alles sah gleich aus. Lediglich die Sterne hätten mir helfen können, doch davon verstand ich nichts und genau genug waren sie auch nicht. Vor allem, weil der Weg nicht genau im Norden lag und auch nicht geradeaus führte. Jetzt darüber zu stolpern, war keine gute Idee. Außerdem war ich nie davon ausgegangen, mitten in der Nacht im Moor herumzulaufen. Entsprechende Ausrüstung fehlte mir. Lediglich eine leistungsstarke Taschenlampe hätte mir gute Dienste geleistet. Die hatte ich nicht dabei.
„Du weißt, wie das ist?“, fragte ich nach, wollte Zeit schinden, wofür auch immer.
„Es ist lange her, viele Jahre, als ich in den Sumpf getrieben wurde. Sie drohten mir damit, mich zu erschlagen, zu verbrennen, zu schinden, aufzuhängen, wenn ich mich weigerte.
Es war eine Nacht wie diese, nicht hell genug, um sehen zu können. Mit Fackeln in den Händen und Hunden waren sie hinter mir her, und ich rannte um mein Leben. Schaffte es ihnen zu entkommen, genau dorthin, wohin sie mich haben wollten. Hier besiegelte sich mein Schicksal und ich wurde eins mit dem Moor!“
Trotz allem wurde ich neugierig, die Geschichte ihres Lebens schien äußerst interessant zu sein. Außerdem hatte ich nichts anders vor, wenn man es in der Art nennen sollte. Es zögerte heraus, was immer auch kommen würde. Um ehrlich zu sein, war ich nicht sehr erpicht darauf, es zu schnell zu erleben. Daher versuchte ich eine andere Taktik, die des Hinhaltens.
„Warum? Was hast du getan?“, fragte ich, nicht ohne ein wirkliches Interesse zu haben.
Die Gestalt richtete sich wieder auf, trat zwei Schritte näher und ich konnte es leise schmatzen hören, außerdem kam mir ein intensiver Geruch von Schlamm und Schmodder entgegen.
„Ich? Ich habe gar nichts getan, mir wurde Schlimmes angetan. Ich kam als junge Magd zum Müller, half seiner Frau im Haushalt, während er das Korn mahlte. Dabei war mir nicht entgangen, dass er ein Auge auf mich warf. Ich sagte es der Müllerin, doch die wollte nichts davon wissen. Sie war der Meinung, dass ich mir etwas einbilden würde, ihr Mann es auf eine kleine Mätze wir mir abgesehen hätte. Solange ich nicht zu reizvoll herumlaufen würde, würde mir auch nichts geschehen.
Eines Nachts kam er zu mir, riss mir die Kleidung vom Leib und legte sich auf mich, spreizte meine Beine und achtete nicht auf mein Wehklagen. Im Gegenteil. Es brachte ihn in Fahrt, besonders als er bemerkte, dass ich zuvor nichts mit Männern gehabt hatte.
Zärtlichkeit war ihm unbekannt, er folgte einem einzigen Ziel. Brutal riss er meine Beine auseinander, zog sein Nachthemd hoch und ich erblickte zum ersten Mal in meinem Leben, was ich niemals vergessen werde. Es war nicht groß, doch es tat trotzdem unheimlich weh, als er es in mich drängte, presste und noch nicht ganz drin war, als es ihm kam. Ohne sich aus mir zurückzuziehen, schoss seine Geilheit in mich, machte mich nass genug, damit er ganz eindringen konnte. Hier reizte er sich über eine lange Zeit, bis er ein zweites Mal in mir kam. Ich höre noch heute sein Stöhnen, spüre den Schmerz, den ich dabei empfand.
Schwarz
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